Titel
Wer die Zeche zahlt.... Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg


Autor(en)
Saunders, Frances Stonor
Erschienen
Berlin 2001: Siedler Verlag
Anzahl Seiten
477 S.
Preis
DM 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Stöver, Lehrstuhl Zeitgeschichte, Universität Potsdam

Der Kalte Krieg ist seit langem ein Gegenstand der historischen Forschung geworden. Man hat sich über seinen Anfang oder sein Ende gestritten, seinen Verlauf, seine Krisen oder wer schuld an ihm war und wer nicht. Seit einigen Jahren ist man durch die Öffnung von Quellen aus dem zusammengebrochenen "Ostblock", durch die liberale Freigabepraxis der amerikanischen Archive und das Bedürfnis der ehemals Beteiligten, sich mitzuteilen, mehr als zuvor in der Lage, die hochgeheimen Teile der Auseinandersetzung besser zu verstehen. Die Rolle der amerikanischen Geheimdienste, vor allem der Central Intelligence Agency stand zwar von jeher im Mittelpunkt des Interesses. Immer mehr ist man aber jetzt in der Lage, ihr Wirken klarer bestimmen zu können.

Frances Stonor Saunders beschäftigt sich mit einem Ausschnitt der Geschichte dieser Organisation, die sie als "skrupellos interventionistisches und beängstigend unberechenbares Instrument der amerikanischen Politik während des Kalten Krieges" einstuft (S. 15). Der Ausschnitt zeigt die Kulturpolitik, die von der CIA als Teil des Propagandakrieges gegen den Kommunismus verstanden und betrieben wurde. Gezielt wurden dafür eigene Stiftungen und andere Organisationen gegründet. Arbeiten dafür liegen seit wenigen Jahren auch auf dem deutschen Buchmarkt vor. Vor drei Jahren veröffentlichte Michael Hochgeschwender seine Dissertation über den Congress for Culturell Freedom (CCF) und dessen Einfluß auf die Westorientierung der Bundesrepublik. Allerdings berücksichtigt Saunders diese Arbeit nicht.

Die Untersuchung "Wer die Zeche zahlt ..." bietet eine Gesamtschau der CIA-Kulturpolitik im Rahmen der Offensive gegen den Osten, wobei ebenfalls der CCF eine zentrale Rolle spielt. Der Titel des Bandes weist bereits auf die zentrale These der Untersuchung hin. Das englische Original "Who paid the Piper" macht diese wohl noch deutlicher als die deutsche Übersetzung: Wer für den Musiker zahlt, bestimmt die Musik. Anders als Hochgeschwenders Arbeit fußt Saunders Untersuchung allerdings ausschließlich auf amerikanischen Quellen und Interviews.
Welche Musik man in der Arbeit gegen den Kommunismus hören wollte, war eindeutig und allen klar: Antikommunismus, besser: Antitotalitarismus, war der gemeinsame Nenner unter dem der Kalte Krieg vom Westen geführt wurde.

Es gelang, Teile der nicht-kommunistischen Linken, aber auch Renegaten zu gewinnen. Einer der wichtigsten radikalen Wortführer des Kalten Krieges und Mitgründer des CCF, James Burnham, hatte einen Teil seiner politischen Sozialisation als Mitarbeiter Trotzkis erhalten. Über zu wenig Zulauf konnte sich der CCF zwischen 1950 und 1966 nicht beklagen. Es beteiligten sich einige der bekanntesten Größen des Kulturlebens: George Orwell, Arthur Koestler, Manés Sperber, Bertrand Russell und Ignazio Silone. Der CCF schickte ganze „Orchester“ um die Welt, organisierte große Kongresse, gab einschlägige Zeitschriften wie "Der Monat" oder den "Encounter" heraus.

Dies alles war eindeutig. Nicht so klar war vielen Beteiligten offensichtlich, daß der US-Geheimdienst hinter diesen Aktivitäten stand. Später spöttelten Beteiligte, es sei wie die Geschichte eines Mannes, der, was er auch immer tut und für wen er auch arbeitet, immer entdecken muß, daß er von der CIA bezahlt wird. (S. 390) Saunders läßt auch keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie diese Art der Arbeit im Kalten Krieg für moralisch verwerflich hält: Das Ziel, die Verteidigung der Freiheit, sei zweifellos richtig gewesen, aber die Wahl der Mittel zumindest "fragwürdig".

Kern der Untersuchung ist die Frage, in welcher Weise der US-Geheimdienst die Kulturpolitik beeinflußte. Dahinter formieren sich weitere Detailfragen: Warum ließen sich Intellektuelle und Linke überhaupt für den Kalten Krieg instrumentalisieren oder welche Auswahl traf der Geheimdienst unter den Intellektuellen. Brisant sind natürlich auch die Fragen, inwiefern die Instrumentalisierung Einfluß auf das künstlerische Ergebnis gewann und ob der Geheimdienst politische Stromlinienförmigkeit vor künstlerische Qualität forderte. Die Praxis der kulturellen Kriegsführung, schreibt Saunders in der Einleitung, werfe zwangsläufig solche "beunruhigende Fragen" auf.

Für den Einstieg holt die Untersuchung dann weit aus und folgt den Stufen der Eskalation des Kaltes Krieges, wie er 1947 dann sozusagen offiziell wurde: Truman-Doktrin, Marshall-Plan usw. Allerdings verzichtet sie gleichzeitig darauf, die Wurzeln der jetzt in den USA einsetzenden Diskussion und die Gründe für die schnelle Rezeption größer einzubinden. In der Tat verschenkt sie hier Argumentationshilfen, denn vieles, was jetzt im Kampf gegen die Sowjets auf den Tisch kommt, war längst nicht neu. Manches davon kannte man bereits aus dem Propagandakrieg gegen Deutschland und manches war traditionelles und kontinuierliches Argumentationsmuster seit dem 19. Jahrhundert.

Auch kann man sich bei diesem Ansatz über manche Formulierungen streiten. Ob tatsächlich die Einrichtung der CIA am 26.7.1947 "eine neue Phase des Kalten Krieges" einläutete, ist eher fraglich. Wahrscheinlicher ist doch wohl die Einschätzung, wie in der gängigen Geheimdienstgeschichte üblich, daß die Gründung solcher Organisationen eine Folge der vorher erfolgten Grundsatzentscheidung war, also keine neue Phase, sondern Teil einer bereits laufenden Entwicklung. Ein Novum war aber in der Tat, daß man sich jetzt wirklich auf die Geheimdienstarbeit stützte und versuchte, neue Wege zu gehen. Während des Zweiten Weltkrieges hatte die Geheimdienstarbeit eigentlich eher ein Nischendasein geführt. Das konnte man auch daran erkennen, daß Truman 1945 den alten Geheimdienst OSS kurz und schmerzlos auflöste.

Jetzt entstand schnell, wie auch Saunders deutlich zeigt, jenes Netzwerk an Organisationen, das sich schließlich nur in Teilen als kontrollierbar erwies. Das Office of Policy Coordination (OPC), das für die geheimsten der hochgeheimen Operationen zuständig war, unter anderem auch für die Umsturzvorbereitungen jenseits des Eisernen Vorhanges, war wohl einer der wichtigsten Teile. Gleichzeitig erwies gerade dieses sich als am wenigsten kontrollierbar. Das OPC, eine Zwitterorganisation, halb CIA, halb Außenministerium zugeordnet, erlaubte zu dem Zeitpunkt, als sich die CIA selbst noch im Aufbau befand und unter ihrem Leiter Hillenkoetter mehr schlecht als recht funktionierte, eine größere Flexibilität in den Operationen. Der Leiter, Frank Wisner, rekrutierte vor allem auch einschlägige deutsche "Spezialisten" für die Auseinandersetzung mit den Sowjets.

In der Tat erweits sich gerade der Beginn des Saunders-Bandes als eine hochinteressante Geschichte über die längst noch nicht vollständig offengelegte Entwicklung des OPC und seiner Arbeit im Kalten Krieg. In Teilen ergänzt sie sogar die 1992 von Burton Hersh verfaßte Untersuchung. [1] Trotzdem bleibt in der teilweise stark moralisierenden Darstellung von Saunders die Motivation der Protagonisten etwas verdeckt. Warum man sich plötzlich so viel Mühe machte und gerade auch den bisher verachteten Geheimdienstkrieg mit allen seinen unappetitlichen Folgen akzeptierte, läßt sich doch eigentlich nur daraus begründen, daß man sich schlagartig in einem "totalen Krieg" wähnte, in dem man glaubte, der Gegner wende skrupellos alle Mittel an.

Die Entscheidung also, auch die Kultur als Waffe im Propagandakrieg einzusetzen, lag auf dieser Linie. Und hier rächt sich dann auch etwas, daß die Darstellung sehr abrupt in der Nachkriegszeit einsetzt. Dem Leser bleibt es - bis auf einige kursorische Verweise - selbst überlassen, sich über die Motive für das plötzliche Interesse an einer globalen Kulturpolitik klarer zu werden. Es war aber gerade die Mischung aus amerikanischer Wertetradition, den Erfahrungen aus dem gerade überstandenen Kampf gegen den Nationalszialismus und der Furcht, für den neuen Kampf nicht gerüstet zu sein, die jetzt dazu führte, alle Ressourcen anzuzapfen. Die mit Recht von der Autorin kritisierte Praxis, "jeden Schweinehund" zu rekrutieren (S. 49), wenn er denn nur Antikommunist war, hatte hier eine ihrer Ursachen.

Allerdings gelingt es Saunders, abgesehen von diesen eher methodisch-inhaltlichen Einwänden, ein hochinteressantes Bild des Netzwerkes und der Rekrutierungspraxis von Intellektuellen vorzulegen. Viele Anekdoten über die teils finsteren Gestalten der US-Geheimdienstarbeit werden ausgebreitet. Und in der Tat ist es im Nachhinein immer noch erstaunlich, wie sich Geheimdienstarbeit und künstlerische Tätigkeit verbinden ließen. Allerdings wußten wohl tatsächlich nur wenige, wer denn hinter den finanziell gut dotierten Aufträgen steckte, und so mancher hat auch wohl nicht so genau nachfragen wollen. Rund 170 Stiftungen, sogenannte "dummie foundations" unterhielt die CIA allein für den Zweck, die wahren Auftraggeber nicht offensichtlich werden zu lassen, und man achtet penibel darauf, daß die propagandistische Richtung nicht zu offensichtlich wurde. Wenn das dann trotzdem zu Tage trat, wie etwa 1952 auf einem vom Kongreß für kulturelle Freiheit veranstalteten Festival in Paris, auf dem einhundert Sinfonien, Konzerte, Opern aus dem 20. Jahrhundert aufgeführt wurden, aber auch Literaturlesungen stattfanden, dann war die Ablehnung vorprogrammiert.

Man könnte die Liste der Aktivitäten seitenlang fortsetzen; Saunders gibt viele neue Beispiele. Sie geht in Strecken weit über den CCF hinaus, der in der Darstellung dennoch zentral bleibt. Manches hätte man sich hier allerdings etwas präziser belegt gewünscht. So etwa die Aussage, Radio Freies Europa, die semioffizielle Sendeanstalt für Osteuropa, habe den Ungarischen Aufstand aktiv gefördert. (S. 290)

Das Ende des Congress kam abrupt und seine Gründe waren offensichtlich. Seit 1966 erschienen Artikel in mehreren Periodika, die das Netzwerk zwischen Kultur und Geheimdienst offenlegten, auch wenn sie nicht alles sofort beweisen konnten. Was blieb, war das Entsetzen der weltweit operierenden Künstler, Schriftsteller und Musiker, empörte Briefe, Distanzierungen, Tränen. Vom CCF folgten Dementis, die das Ende nicht aufhalten konnten.

Am Ende bleibt die Frage, die auch Saunders nicht wirklich beantwortet: Was hat die Kulturarbeit der CIA bewirkt, was hat sie möglicherweise zum Endes des Kalten Krieges beigetragen?

1. Hersh, Burton, The Old Boys, The American Elite and the Origins of the CIA, New York 1992.

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