G.Alföldy; S. Panciera (Hgg.): Inschriftliche Denkmäler

Titel
Inschriftliche Denkmäler als Medien der Selbstdarstellung in der römischen Welt.


Herausgeber
Alföldy, Géza; Panciera, Silvio
Reihe
Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 36
Erschienen
Stuttgart 2001: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
229 S.
Preis
€ 44,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Alte Geschichte Historisches Seminar, Universität Leipzig

Der Band präsentiert in der Herausgeberschaft von G. Alföldy und S. Panciera Ergebnisse des deutsch-italienischen Forschungsprojektes “Römische Inschriften als Medien gesellschaftlicher Repräsentation”, das von dem Vigoni-Förderprogramm finanziert wurde. Hinter diesem wenig sprechenden Titel verbirgt sich ein großangelegter Versuch, über eine systematische und diachrone Analyse des epigraphic habit (eine von der Lokalität her geprägte Inschriftenkultur) zu einem Verständnis des kaiserzeitlichen Transformationsprozesses zu gelangen.

Die hier abgedruckten Beiträge von sehr unterschiedliche Länge werden in alphabetischer Reihenfolge präsentiert und beginnen mit einer systematischen Analyse der Dedikationspraxis der Frühen und Hohen Kaiserzeit durch G. Alföldy (“Pietas immobilis erga principem und ihr Lohn: Öffentliche Ehrenmonumente von Senatoren in Rom während der Frühen und Hohen Kaiserzeit”), dem in einem Anhang eine Liste der Monumente von Senatoren und führenden Ritter mit Maßangaben der Postamente beigegeben ist. Grundlage dieser systematischen Analyse ist der erst 2000 veröffentlichte Faszikel des CIL VI 8,3 (“Titutli magristratuum populi Romani ordinum senatorii equstrisque”, Berolini-Novi Eboraci 2000). Früher schon vermutet, lässt sich nun bestätigen, dass die statuarischen Ehrungen für Mitglieder des Senatorenstandes im kaiserlichen Rom anderen Regeln folgten als in den Städten des Reiches: Wurden in diesen Städten Mitglieder senatorischer Familien und Ritter ebenso wie die Mitglieder der Kaiserhauses durch Monumente in der Öffentlichkeit geehrt, so beschränkt sich demgegenüber die statuarische Ehrung für diesen Personenkreis in Rom auf den privaten Raum von Häusern, Villen und Gärten. Diese Differenzierung setzt mit Augustus ein. Seit julisch-claudischer Zeit werden noch auf traditionellen Repräsentationsplätzen (z.Forum Romanum, Kapitol) als Auszeichnung einer besonderen Kaisertreue senatorische Ehrenmonumente errichtet, später vor allem auf den Kaiserfora und in den Kaisertempeln. Das dabei deutlich werdende herrscherliche Interesse, die senatorische Selbstdarstellung zu beeinflussen, bezog sich auf einen sehr kleinen, durch die Nähe zum Herrscher aus der Menge des ordo senatorius herausgehobenen Personenkreis und trieb die Hierarchisierung des Senatorenstandes weiter voran. In einem Ausblick auf die weitere Entwicklung weist A. darauf hin, dass zwischen dem Beginn und dem Ende des 3. Jahrhunderts diese Praxis völlig zum Erliegen kam (A. vermutet die Ursache in den häufigen Spannungen zwischen Kaiser und Senat) und erst mit der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert, als Rom nicht mehr Sitz des Herrschers war, die statuarische Selbstdarstellung der Senatoren in der Öffentlichkeit wieder begegnet.

Es folgt ein thematisch an die Vermutung A.s zu der für das 3. Jh.n.Chr. beobachteten Veränderung anschließender Beitrag von B.Borg und C.Witschel (“Veränderungen im Repräsentationsverhalten der römischen Eliten während des 3. Jhs.n.Chr.”), der sich auf der Basis der archäologisch fassbaren Hinterlassenschaften mit dem Repräsentationsverhalten der römischen Eliten insgesamt befasst. Der von A. angesprochene Rückgang bei den Ehrenmonumenten ist Teil eines generalisierten Phänomens, das B. und W. im Bereich des Spielewesens, von Kleidung und Schmuck sowie der Ausgestaltung der spätantiken domus untersuchen.

Die an Fallbeispielen (Italien: Aquileia, Brixia, Puteoli, Hispanien: Tarraco, Africa: Cuicul, Thamugadi, Tripolitanien: Lepcis Magna, im Osten des Reiches: Athen, Kleinasien: Side, Aphrodisias in Karien, Ephesos, Lydia: Sardis, Syrien/Palästina: Apameia, Cäsarea Maritima, Petra, Arabia: Bostra) demonstrierten Veränderungen der lokalen Inschriftenkultur sind gekennzeichnet durch zunehmende Wiederverwendung älterer Stücke, Vernachlässigung der äußeren Form sowie insgesamt einen deutlichen Rückgang der monumentalen Inschriften- und Repräsentationskultur zugunsten eines Ausbaus der ländlichen Villen, eines intensiveren Engagements im Spielewesen und eines massiveren Kleiderluxus. Jedoch sind je nach lokalen Voraussetzungen starke regionale und v.a. chronologische Differenzen zu erkennen. Entgegen einer bisher weit verbreiteten Ansicht, die die Veränderungen der materiellen Kultur im 3. Jahrhundert (“Krise des 3. Jh.s”) entweder direkt auf eine rein wirtschaftliche Krise oder auf eine damit noch weiterhin verbundene soziale Umwälzung zurückführt, stellen B. und W. auf der beschriebenen Basis ihrer Fallstudien, insbesondere der großen chronologischen Divergenzen innerhalb der generellen Entwicklung die These auf, dass nicht ein wirtschaftlicher Niedergang, sondern veränderte Kommunikations- und Sehgewohnheiten die Ursache für den zu beobachtenden Wandel darstellen (S. 86). Jedoch wird auch die von P.Brown für diesen Zusammenhang erwogene Erklärung, dass eine veränderte Einstellung der Eliten zum öffentlichen Raum und den damit verbundenen Repräsentationsformen zu einem Rückzug aus der Öffentlichkeit in den privaten Bereich geführt habe, mit Bezug auf die in Hispanien und Südgallien festzustellende, weiterhin verbleibende Nähe zur Stadt relativiert und demgegenüber die Kontinuität in der städtischen Repräsentation stärker hervorgehoben. Grundsätzlich wird der von P. Brown vorgeschlagene Perspektivenwechsel von dem sog. ‚materialistischen’ Modell (wirtschaftlicher Niedergang und daran anschließende soziale Umwälzung) zu einem mentalitätsgeschichtlichen Ansatz von B. und W. befürwortet. Sie schlagen vor, die Veränderungen in Selbstdarstellung und Repräsentationsverhalten durch eine Schwerpunktverlagerung von monumentaler, auf dauerhafte Sichtbarkeit hin angelegten Form zur temporären, dem performativen Bereich zuzurechnenden Formen zu erklären. So plausibel diese These auf der Basis des vorgelegten Materials auch ist, wird doch von den Autoren selbst eingeräumt, dass eine im eigentlichen Sinn historische Erklärung der festgestellten Veränderungen damit noch nicht erreicht ist (S.92).

Diesen beiden sehr grundsätzlich angelegten Darstellungen sind kleinere Aufsätze angefügt, die Einzelaspekte des Rahmenthemas der inschriftlichen Selbstdarstellung untersuchen: von F. Feraudi-Gruénais (“Sepulkrale ‚Selbstdarstellung’ von Unterschichten: Beobachtungen zu Inschriften in stadtrömischen Grabmonumenten der Kaiserzeit [Vorbericht]), von H. Niquet (“Die valentinianische Dynastie und Rom: Das Selbstverständnis der Kaiser und ihre Haltung zur Senatsaristokratie im Licht von Bau- und Ehreninschriften”), von C. Ricci (“ Memoria e rappresentazione di sé nel cenotafio antico”), von B.Ruck (“Eintracht und Sieg: zwei Brüder an der Macht. Die Arcadiusbasis auf dem Caesarforum”). Der längere Beitrag von W. Riess (“Stadtrömische Lehrer zwischen Anpassung und Nonkonformismus: Überlegungen zu einer epigraphischen Ambivalenz”) fällt, obwohl er die Methodik (Untersuchung des sog. epigraphic habit) mit den anderen Arbeiten gemeinsam hat, etwas aus dem Rahmen, insofern er einen veränderten Stellenwert, nämlich eine deutliche Höherbewertung, für den antiken Bildungsbegriff seit dem 3. und 4. Jh.n.Chr. nachzuweisen versucht. Besonders wertvoll ist hier der Anhang einer Liste der stadtrömischen Lehrerinschriften.

Insgesamt lässt sich dieser Sammelband als ein bedeutender Beitrag zu einem sich nachhaltig verändernden Geschichtsbild im Hinblick auf die Spätantike einordnen: Nicht mehr Niedergang oder Dekadenz, Verfall und Auflösung - die metaphorischen Reste der klassisch-humanistischen Zyklentheorie -, auch nicht mehr der “soziale Wandel”, sondern ein wie hier angesteuerter, moderner und systemisch ansetzender Krisenbegriff könnte den Weg dafür bereiten, einen historischen Wandlungsvorgang zu begreifen, der zu einem langfristigen und umfassenden Transformationsvorgang geführt hat.

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