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Titel
Pausanias. Travel and Memory in Roman Greece


Herausgeber
Alcock, Susan E.; Cherry, John F.; Elsner, Jas
Erschienen
Oxford u.a. 2001: Oxford University Press
Anzahl Seiten
XII, 379 S.
Preis
$ 65,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Alte Geschichte, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Die Beschreibung Griechenlands, die Pausanias im 2. Jh. n. Chr. verfaßt hat - unter dem Titel Periegesis Hellados erhalten -, ist ein literarisches Werk, in dem Topographie, Denkmäler, Bauwerke, Riten, Mythen und Geschichte der Orte beschrieben werden. Der Stellenwert des Werkes war lange umstritten und die Meinungen bewegten sich zwischen der etwas abwertenden Einordnung als "antiker Baedeker" und der heute immer stärker in den Vordergrund rückenden Betrachtung seines Werkes im Kontext der zweiten Sophistik. Vor allem Christian Habichts Pausanias-Buch mit seiner Akzentsetzung auf dem historischen und sozialen Kontext des Werks 1 hat einen deutlichen Durchbruch in den seither intensiver betriebenen Pausanias-Studien herbeigeführt.

Das von S. E. Alcock, J. F. Cherry und J. Elsner herausgegebene Buch knüpft daran an und setzt dabei die bisher von Alcock und Elsner betriebenen Forschungen fort.2 Der in Zusammenarbeit von mehreren altertumswissenschaftlichen Disziplinen, Vergleichender Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Geographie und Anthropologie entstandene Sammelband ist in drei Teile gegliedert:

Teil I ("Pausanias and his Periegesis, the Traveler and the Text") umfaßt Beiträge zu Pausanias als Autor und zu Kompositionsmerkmalen seines Werkes. J. Elsner beschreibt die Periegesis als literarische Konstruktion, als Phantasie, die eine Vergangenheit voller Mythen und Rituale wiederbelebt, und als ersten wirklich romantischen Text. E. Bowie weist in einer genauen Untersuchung zu "Date, Genre and Readership" (so der Untertitel seines Beitrags) nach, daß die auch noch von Habicht vertretene Auffassung, Pausanias sei in der Antike nicht rezipiert worden, so nicht stimmen kann: Bei Aelian, Philostratus und Longus finden sich wörtliche Anklänge, die durchaus auf eine Lektüre des Pausanias deuten.

C. P. Jones untersucht die lokalen Informanten und Führer, die exegetes, denen Pausanias einen großen Teil seines Wissens verdankt. Mit der Frage, ob Pausanias als Pilger bezeichnet und sein Werk im Kontext einer 'pilgrimage culture' zu verstehen ist, knüpft I. Rutherford an eine nicht nur die Antike berührende Diskussion über Pilgertum an. Die für die Periegesis von Pausanias selbst gewählten Leitlinien (I 39,3) der logoi (Überlieferungen) und theoremata (Sehenswürdigkeiten) weisen mit dem Bezug zur theoria ("contemplation") auf einen Bereich, der zwischen dem modernen Verständnis von Pilgertum und Tourismus anzusiedeln ist. Rutherford schließt sich zwar an die von Elsner aufgestellte These an, die Pausanias' Werk als Teil einer Pilger-Literatur einordnet, betont jedoch, daß dies nicht im Kontext eines transkulturellen Pilgertums geschehen könne, sondern nur vor dem Hintergrund der spezifisch griechischen Vorstellungen von sakralen Visionen und intellektueller Anschauung.

Teil II ("Studies and Comparisons") enthält Beiträge zu einzelnen Passagen: zur Kypselos-Lade von A. M. Snodgrass und zum Messenien-Buch von S. E. Alcock, wobei in beiden Fällen die besondere und damit augenfällige Ausführlichkeit der Darstellungen als Ausgangspunkt der Überlegungen dient. Snodgrass begründet diese aus der Schwierigkeit, das damals schon 700 Jahre alte Kunstwerk zu erklären, wobei sich Pausanias der interpretatio Homerica verhaftet zeigt, für Snodgrass ein Hinweis darauf, in Pausanias einen "true father of classical art history" zu sehen. Das Messenien-Buch überrascht den Leser vor allem damit, daß zum größten Teil die Geschichte der ersten beiden Messenischen Kriege beschrieben wird und nur in einem sehr viel kleineren Abschnitt die Monumente vorgestellt werden. Gegenüber dem zunehmend durch archäologische Forschungen 3 deutlicher werdenden Bild der messenischen Lebensverhältnisse unter spartanischer Herrschaft erweist sich Pausanias' Messenien-Bild als viel zu stark auf Passivität und Stagnation ausgerichtet. Etwas weiter aus greifen die Beiträge von J. I. Porter zum Vergleich von Pausanias und Pseudo-Longinus als typischen Vertretern der zweiten Sophistik und von A. Cohen über die Veränderung der Visualisierungstechnik von Landschaft und Raum in Kunst und Literatur.

Teil III beschäftigt sich mit dem Nachleben von Pausanias' Werk, das seiner Wiederentdeckung seit der Renaissance folgte und das in kaum zu unterschätzender Weise die Wahrnehmung Griechenlands geprägt hat. J. M. Wagstaff zeigt am Beispiel von Colonel William Martin Leake (1777-1860) wie dessen Reisebericht an Pausanias orientiert ist. S. B. Sutton demonstriert dies am Beispiel von Nemea, J. Henderson und M. Beard anhand von Werken der viktorianischen Zeit (J. Harrison, J. G. Frazer und L. R. Farnell).

Ergänzend zu diesen Beiträgen sind jedem der drei Teile kürzere Kommentare jeweils entweder zu den Pausanias betreffenden Aspekten oder zu weiter ausgreifenden Themen beigefügt, die entweder auch von Altertumswissenschaftlern stammen (u.a. P. Cartledge zu Sparta bei Pausanias) oder die angrenzenden Bereiche betreffen (z.B. S. Bann zur Reiseliteratur der Aufklärung).

Dieser Sammelband ist anregend, originell und ausgesprochen gut zu lesen. Er gibt nicht nur einen profunden Einblick in die altertumswissenschaftliche Diskussion zu Pausanias, sondern greift darauf aufbauende kunsthistorische, kulturhistorische und kulturvergleichend ansetzende Perspektiven auf, die die Themen 'Reisen' und 'Erinnerung' heute anbieten.

Anmerkungen

1 Habicht, Christian: Pausanias' Guide to Ancient Greece, Berkeley/ Los Angeles/ London 1985 (deutsch: Pausanias und seine "Beschreibung Griechenlands", München 1985).
2 Alcock, S. E.: Graecia Capta. The Landscapes of Roman Greece, Cambridge 1993; Elsner, J. R.: Pausanias. A Greek pilgrim in the Roman world, Past and Present 135 (1992), S. 3-29; ders.: From the Pyramids to Pausanias and Piglet. Monuments, travel and writing, in: Goldhill, S./ Osborne, R. (Hgg.): Art and Text in Ancient Greek Culture, Cambridge/ New York 1994, S. 224-254. Vgl. auch Bingen, J. (Hg.): Pausanias historien, Fondation Hardt (Entretiens sur l'antiquité classique 41), Genf 1996.
3 Vgl. vor allem die Ergebnisse des Pylos Regional Archaeological Project (PRAP): http://classics.lsa.umich.edu/PRAP.html. Vgl. Minnesota Archaeological Researches in the Western Peloponnese (MARWP): http://clvl.cla.umn.edu/marwp/index.html.

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