Titel
Preußische Facetten. Rheinromantik und Antike. Zeugnisse des Wirkens Friedrich Wilhelms IV. an Mittelrhein und Mosel


Herausgeber
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz
Erschienen
Regensburg 2001: Schnell & Steiner
Anzahl Seiten
124 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beate Brühlmann, FB III - Geschichtliche Landeskunde, Universität Trier

Anlässlich des „Preußenjahres“ 2001, dem 300. Jahrestag der Krönung des Kurfürsten Friedrich zum Preußischen König, wurde als Beitrag des Bundeslandes Rheinland-Pfalz vom Landesamt für Denkmalpflege und von der Staatlichen Schlösserverwaltung Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz die Ausstellung „Preußische Facetten“ konzipiert. Diese ist noch bis Mitte nächsten Jahres an verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz zu sehen. Das große Interesse an diesem Thema hängt jedoch auch sicherlich mit den aktuellen Bemühungen zusammen, die Kulturlandschaft Mittelrhein in die UNESCO Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen.

Der die Ausstellung begleitende Band enthält einen Beitrag von Wolfgang Brönner über „Gedanken zur Rheinromantik“ und den von Jan Meißner und Dagmar Olschewski bearbeiteten Katalog, der alle Exponate der Ausstellung in hochwertigen Abbildungen zeigt. Das zentrale Thema von Ausstellung und Katalog ist die Rheinromantik, wie Brönner in seinem einleitenden Aufsatz deutlich macht. Dabei lässt er die Rheinbegeisterung nicht erst mit Friedrich Wilhelm IV. beginnen, sondern schlägt den Bogen zurück zu den britischen Rheinreisenden des 17. Jahrhunderts. Die steigende Faszination an den zahlreichen mittelalterlichen Burgen am Mittelrhein ging mit deren Verfall und Zerstörung einher: Gerade der Wandel zum sagenumwobenen, ruinösen „Landschaftsgarten“ (S. 13) schuf den neuen Reiz. Vor diesem Hintergrund müssen die von den preußischen Prinzen zur Zeit Friedrich Wilhelms IV. wiederaufgebauten Burgen betrachtet werden. Ein vorrangiges Ziel blieb jedoch stets auch der Erhalt der Bausubstanz. Eine besondere Stellung kam dabei dem zur Sommerresidenz des preußischen Königspaares Friedrich Wilhelm IV. und Elisabeth ausgebauten Schloss Stolzenfels zu. Das intime, gefühlvolle und künstlerisch wertvolle Stolzenfels scheint nicht so recht zu dem militärischen Preußenbild zu passen, wie es z. B. die Festung Ehrenbreitstein versinnbildlicht, und doch sind es nach Einschätzung Brönners zwei Seiten der gleichen Medaille, die untrennbar zusammen gehören. Belege für seine These findet er in den Biographien der preußischen Regenten bis zum „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III., mit dem „die Tragik des preußischen Herrschertums ihren Höhepunkt“ (S. 19) fand. Brönner betont, dass auch der vom Zeitgeist der Romantik getragene und künstlerisch begabte Friedrich Wilhelm IV. nicht als preußische Ausnahme, sondern im Gegenteil als eine wesentliche und typische preußische Facette behandelt werden muss.

Im anschließenden Katalogteil sind die ersten beiden Kapitel den übergreifenden Themenfeldern „Die Preußen am Rhein“ und „Rheinromantik“ gewidmet. Hier wird zunächst die politische Situation vor und nach dem Wiener Kongress beleuchtet und die Rheinbegeisterung zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschrieben, die auch Friedrich Wilhelm IV. 1813 bei seinem ersten Besuch im Rahmen der Befreiungskriege gegen Napoleon in ihren Bann zog. Ihren Niederschlag fand sie in einer Fülle von Publikationen über Rheinreisen und in der großen Produktion von Souvenirs und Andenken, die in den Abbildungen präsentiert werden. Zu der allgemeinen, die Menschen vieler Länder erfassenden Begeisterung, kam für die Deutschen noch der wichtige Aspekt der „patriotische[n] Rheinromantik“ (S. 27) hinzu: Es galt, den Rhein als deutschen Strom gegen die Franzosen zu verteidigen; bezeichnenderweise befinden sich die vom preußischen Königshaus ausgebauten Rheinburgen ausnahmslos auf dem linken, ehemals französischen Rheinufer.

Im folgenden Kapitel steht das Interesse Friedrich Wilhelms IV. für die Antike im Vordergrund. Der preußische König stellte für den Erhalt und den Wiederaufbau antiker Bauwerke und deren Erforschung umfangreiche finanzielle Mittel zur Verfügung. Sein besonderes Augenmerk galt den antiken Großbauten der Stadt Trier, der Porta Nigra, dem Amphitheater und vor allem der Basilika, die ihm 1835 von der Stadt geschenkt worden war. Die fälschlicherweise als Basilika bezeichnete ehemalige konstantinische Palastaula wurde nach der damaligen Vorstellung von einer frühchristlichen Kirche erneuert; die „antikisierende“ Innenausstattung wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im Hinblick auf diese antiken Monumenten spielen die Lithographien des Trierer Künstlers Johann Anton Ramboux eine wichtige Rolle, da dessen Werk „Malerische Ansichten der merkwürdigsten Alterthümer und vorzüglicher Naturanlagen im Moselthale bey Trier“ aus den Jahren 1824-1827 einen unverfälschten Blick auf ihren Zustand zur Zeit Friedrich Wilhelms IV. gewährt. Darüber hinaus stellt der Katalog die Igeler Säule, die auch Goethe bei seinem Besuch im Jahr 1792 beeindruckte, und die Villa Otrang vor, über deren Mosaikböden Friedrich Wilhelm IV. „außer [sich] vor Wonne“ (S. 48) war.

Das Kapitel „Friedrich Wilhelm IV. und das Mittelalter“ widmet sich vor allem einem zentralen Thema der preußischen Politik in den neu erworbenen Rheinlanden: der Stützung ihrer Herrschaftslegitimation. Hierzu diente besonders die Pflege, Verehrung und Herausstellung der mittelalterlicher Regenten und ihrer Bauten, um an vorhandene Traditionen anknüpfen zu können. Zwei Beispiele, bei denen dies auf unterschiedliche Weise umgesetzt wurde, sind der Königstuhl in Rhens und die Klause von Kastel nahe Saarburg. So wurde der Königstuhl, als Ort, an dem die Kurfürsten im 14. Jh. zusammentrafen, um den deutschen König zu wählen, nun zu einem nationalen Symbol. Die von Karl Friedrich Schinkel ausgebaute und als Grabkapelle für die Gebeine Johanns des Blinden genutzte Klause wurde hingegen zu einer Stätte des Ahnenkultes des preußischen Monarchen umfunktioniert. Denn der Luxemburger Graf und böhmische König war, wie es auf der Westwand der Kapelle durch einen Stammbaum veranschaulicht wird, sowohl ein Vorfahre Friedrich Wilhelms IV. als auch dessen bayrischer Gemahlin Elisabeth. Er verkörperte zudem für Friedrich Wilhelm IV. den idealen, mit allen notwendigen Herrschertugenden ausgestatteten König. Diese Tugenden stellten, in seiner von der Romantik geprägten Auffassung, die alleinige Garantie für einen funktionierenden Staat und ein harmonisches Verhältnis zwischen Herrscher und Volk dar und standen im Gegensatz zu der von ihm als künstlich und damit als unnatürlich abgelehnten Verfassung. Ohne vordergründig politische Bedeutung zeigen die Aufrisse, Schnitte und der Grundriss der restaurierten Matthiaskapelle über Kobern, die vom Architekten Johann Claudius von Lassaulx gezeichnet wurden, ein für den Übergang von der Romanik zur Gotik im Rheinland eminent wichtiges Bauwerk, das diesen Themenkomplex beschließt.

Den umfangreichsten Teil des Katalogs bildet der Abschnitt zur „Burgenromantik“. Am Anfang steht die Ruine Vautsburg, die nach ihrem Erwerb durch Prinz Friedrich von Preußen im Jahr 1823 in Burg Rheinstein umbenannt wurde. An ihr wird das tragende Konzept des Wiederaufbaus deutlich, „die Atmosphäre des ‚Alten’ zu bewahren“ (S. 67) und deshalb das Alte nicht zu übertünchen, sondern in den Ausbau zu integrieren. Wie beliebt die sagenumwobene Burg war, zeigen ihre Ansichten auf Gemälden und anderen Bildträgern bis hin zum Tafelgeschirr.

Auch aus dem ersten Plan Schinkels für Schloss Stolzenfels lässt sich erkennen, dass ursprünglich nur ein Teil der Anlage ausgebaut werden sollte; die außen liegenden Gebäude wollte man in ihrer zerstörten Form erhalten. Der Generalplan des Architekten von 1836 sah dann jedoch den Ausbau der gesamten Burg vor, wobei die ursprünglichen Elemente Bergfried und Palas aber erhalten blieben und prägend waren. Die Burg verlor ihren wehrhaften Charakter zugunsten eines mit Zinnen dekorativ geschmückten Schlosses, das deutlich von der englischen Neugotik beeinflusst war. Mit dem Bau der Arkadenhalle und der neugotischen Schlosskapelle hinterließ auch Friedrich August Stüler, dem die Oberleitung nach dem Tod Schinkels übertragen wurde, deutlich seine Handschrift. Die Garten- und Parkanlagen innerhalb und außerhalb der Mauern, hauptsächlich von Peter Joseph Lenné geplant, gehörten untrennbar zum Konzept der Schlossanlage und schufen eine feste Verbindung mit der Rheinlandschaft. Die Beliebtheit, die Stolzenfels bei den zeitgenössischen Malern genoss, beweisen die 50 verschiedenen Aquarellansichten des Malers Caspar Scheuren. Den politischen Höhepunkt erlebte das Schloss 1845 bei dem Besuch der englischen Königin Victoria und ihres Prinzgemahls. Zu Recht verweisen die Autoren auch auf das politische Signal, das von Stolzenfels für die preußische Herrschaft und ihre Legitimation im Rheinland ausging.

Burg Sooneck, als Jagdschloss für den König und seine Brüder geplant, befand sich in sehr gutem Zustand, so dass vorwiegend nur Reparaturen durchgeführt wurden. Wirkliche Bauerweiterungen des 19. Jhs. sind klar hervorgehoben und können daher als „ein frühes Beispiel der Denkmalpflege“ (S. 109) betrachtet werden. Als Jagdburg wurde Sooneck jedoch nie genutzt.

Den Abschluss des Bandes, der zugleich auch den thematischen Schlusspunkt setzt, bildet Burg Rheinfels. Ein Plan des Architekten Schnitzler sah vor, die mittelalterliche Bausubstanz beim Umbau trotz ihres guten Zustandes größtenteils abzureißen. Dieses Vorhaben wurde aber nur in Ansätzen verwirklicht. So weist jede der besprochenen Burgen eine eigene Geschichte und Bedeutung auf, und doch sind alle ein Teil der preußischen Rheinromantik - dieser wichtigen preußischen Facette.

Den Verfassern ist ein vorzüglicher Ausstellungskatalog gelungen, der mit seinen qualitätsvollen, fast ausschließlich farbigen Abbildungen besticht. Die historische und kunsthistorische Betrachtungsweise des Wirkens Friedrich Wilhelms IV. an Mittelrhein und Mosel bietet durch die Einbettung in das breite Themenfeld „Rheinromantik“ und den klaren, chronologischen Aufbau eine angenehme und anregende Lektüre.

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