St. Pfeiffer (Hrsg.): Ägypten unter fremden Herrschern

Cover
Titel
Ägypten unter fremden Herrschern zwischen persischer Satrapie und römischer Provinz.


Herausgeber
Pfeiffer, Stefan
Reihe
Oikumene 3
Erschienen
Frankfurt am Main 2007: Verlag Antike
Anzahl Seiten
224 S., 16 Taf.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Friederike Herklotz, Humboldt-Universität zu Berlin

Der vorliegende Band entstand im Rahmen einer Fachtagung, die von Mitgliedern des Teilprojektes A 1 „Entstehung und Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft im griechisch-römischen Ägypten“ des Sonderforschungsbereiches 600 „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ am 17. Mai 2005 organisiert wurde. Die Tagung beschäftigte sich mit der Anwesenheit von Fremdherrschern in Ägypten in der Zeit vom 6. Jahrhundert v.Chr. bis zum Ende der Antike und ging der Frage nach, wie die Untertanen auf die Fremdheit des Herrschers reagierten. Für die Erforschung der Spätzeit und der griechisch-römischen Epoche in Ägypten müssen die unterschiedlichsten Quellen – Geschichtsschreibung, Inschriften, Papyri in verschiedenen antiken Sprachen, archäologische Denkmäler oder auch Plastiken – herangezogen werden. Dies kann nur durch die Zusammenarbeit von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen geleistet werden, wie Stefan Pfeiffer in seinem Vorwort betont (S. 7f.). Die Tagung, die Vertreter der Alten Geschichte, der Ägyptologie, der Papyrologie und der Klassischen Archäologie zusammenführte, kann als ein gelungenes Beispiel für eine solche Kooperation gelten.

Marc Rottpeter beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit „Initiatoren und Trägern der ,Aufstände‘ im persischen Ägypten“ (S. 9–33). Herangezogen werden dafür die Berichte der griechischen Historiker wie Herodot, Thukydides und Diodor sowie – wo dies möglich ist – auch ägyptische (hieroglyphische und demotische) und keilschriftliche Dokumente. Der Autor zeigt, auf wessen Initiative es im persischen Ägypten (27. Dynastie) zu Unruhen kam und welche Personen oder „Personengruppen“ als treibende Kräfte auszumachen sind. Rottpeter kommt zu dem Ergebnis, dass die Träger der Aufstände nicht die Ägypter waren, die dem Geschehen weitgehend teilnahmslos gegenüberstanden und über keinen Anführer verfügten, der in der Lage war, eine eigene Dynastie zu gründen. Vielmehr handelte es sich um Versuche libyscher Kleinherrscher, den Persern die reiche Provinz Ägypten zu entreißen. Für den Delisch-Attischen Seebund wäre ein Sieg gleichfalls vorteilhaft gewesen, hätte man dadurch doch die Perser an einer empfindlichen Stelle treffen können.

Auch der Aufsatz von Hilmar Klinkott „Xerxes in Ägypten. Gedanken zum negativen Perserbild in der Satrapenstele“ (S. 34–53) ist der Perserzeit gewidmet. Klinkott zeigt zunächst, dass die persischen Schriftquellen, wie etwa die Daiva-Inschrift, Xerxes (486–465 v.Chr.) keineswegs als Religionsfrevler darstellen. Aus den wenigen ägyptischen Quellen dieser Zeit lässt sich weder eine positive noch eine negative Wertung erkennen. Daher überrascht es, dass die Satrapenstele, die in der Zeit des Ptolemaios I. (311 v.Chr.) datiert, ein so negatives Perserbild übermittelt. Klinkott hält die Inschrift für einen höchst politischen Text, der die Interessen des Ptolemaios und die der ägyptischen Priester auf kulturhistorischer Ebene verbindet (S. 49), denn beide stellten sich zu diesem Zeitpunkt gegen die Perserherrschaft. Mit Alexander sei den Ägyptern die Freiheit gebracht und der gemeinsame Feind dauerhaft besiegt worden. Ptolemaios steht in dieser Tradition, denn er wird in der Stele als Pharao dargestellt, der die Tempelrechte zurückerstattet und den Frevel beseitigt und sich damit positiv von der Perserherrschaft distanziert.

Im dritten Beitrag „Alexander der Große. Pharao und Priester“ (S. 54–74) analysiert Donata Schäfer zunächst das Bauprogramm des Makedonen auf der thebanischen Ostseite – in Karnak und in Luxor. Es zeigt sich, dass die ägyptischen Priester auf den Darstellungen Alexander in die altägyptische Königsideologie integriert haben, dass er in der Tradition der Pharaonen des neuen Reiches stand und sich in den Darstellungen auf keinen Fall von den einheimischen Pharaonen unterschied. Bedeutsam ist, dass Alexander ausgerechnet in zwei wichtigen Teilen des Tempels, im Alexandersanktuar von Luxor sowie im Alexanderzimmer im Achmenu des Karnaktempels, dargestellt ist. Dadurch, so die Autorin, bewies er, dass die ägyptischen Götter ihn als legitimen Pharao angenommen hatten.

Der vierte Aufsatz „Antiochos IV. Epiphanes. Basileus und Pharao Ägyptens? Porphyrios und die polybianische Überlieferung“ (S. 75–107) von Andreas Blasius beschäftigt sich mit der Person des Antiochos IV., der in den Jahren 170/169 und 168 v.Chr. in zwei Feldzügen Ägypten überrannt hatte und erst von den Römern gestoppt werden konnte. Blasius stellt zunächst die Forschungsdiskussion dar, die sich mehrheitlich gegen eine ägyptische Krönung des Antiochos wendet, da diese lediglich bei Porphyrios, jedoch nicht in der polybianischen Überlieferung erwähnt ist. Im Verlaufe des Aufsatzes erfolgt eine äußerst gründliche und genaue Quellen- und Überlieferungsanalyse der drei wichtigsten Autoren Livius, Diodor und Polybios. Blasius kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Krönung anhand dieser Zeugnisse zwar nicht unumstößlich beweisen lässt, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden kann. Hier müssen nun weitere Quellen, wie etwa der noch unpublizierte P. Tebt. Suppl. 10, 0640 herangezogen werden, dessen Datierungszeile für den Sommer 168 v.Chr. einen Pharao Antiochos benennt (S. 104f.). Auf die angekündigte größere Studie des Verfassers darf man gespannt sein.

Domagoj Gladic analysiert unter der Überschrift „Für das Leben des Königs“ kultische Loyalitätsformeln im hellenistischen Vergleich (S. 108–139). Er beschäftigt sich mit Weihungen, die an einen Gott gerichtet sind, wobei der Gott im Dativ genannt ist, und die zugleich „zugunsten“ (hyper) eines Herrschers erfolgen („Begünstigungsformel“). Gladic untersucht die Entsprechung dieser Formel in der ägyptischen/demotischen Sprache anhand von mehrsprachigen Dokumenten. Im Ägyptischen gibt es für die Begünstigungsformel kein Pendant, wie etwa die dreisprachige Inschrift des Ptolemaios aus frühaugusteischer Zeit zeigt.1 Dies ändert sich jedoch unter der Regierung des Tiberius, als in den Inschriften des Parthenios aus Koptos (S. 127f.) die Begünstigungsformel in das demotische Formular aufgenommen wird. Im babylonischen Bereich bestand dagegen eine jahrtausendalte eigene Tradition der „Begünstigungsformel“ gerade auch in Bauinschriften.

Daniel von Recklinghausen („Anspruch und Wirklichkeit. Ptolemäische Beschreibungen der Stadt Theben“, S. 140–164) nähert sich dem geistigen Widerstand der thebanischen Priester gegen die Herrschaft der Ptolemäer von Seiten der ptolemäischen Texte her. Es handelt sich hier um (mythische) Beschreibungen der Stadt Theben, die in der griechisch-römischen Zeit als Inschriften in den thebanischen Tempeln angebracht wurden. Hier wird Theben als die „erste, siegreiche und von den Göttern gepriesene“ Stadt in Ägypten gerühmt, ein Anspruch, der jedoch nicht in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu bringen war, da die Vormachtstellung Thebens schon seit der 3. Zwischenzeit immer mehr verloren gegangen war. Von Recklinghausen kommt zu dem Ergebnis, dass diese Texte keinen Anspruch der ägyptischen Priesterschaft auf eine Vorherrschaft repräsentieren sollen. Das Verhältnis der Priester gegenüber dem ptolemäischen Herrscherhaus war eher von Pragmatismus geprägt, und daher lässt sich auch in den genannten Monographien eine Verbindung zu den Aufständen nicht konkret nachweisen.

Stefan Pfeiffer untersucht die Einquartierung ptolemäischer Soldaten („Zur Einquartierung von Soldaten des ptolemäischen Heeres. Rechtsgrundlagen, Konflikte und Lösungsstrategien“, S. 165–185). Griechische und griechisch-sprechende Soldaten verschiedenster Herkunft, die als Mitglieder des Besatzungsheeres mit der Eroberung Ägyptens durch Alexander (331 v.Chr.) und in den folgenden Perioden ins Land kamen, wurden mit Ackerlosen versehen und bildeten als „Hellenen“ eine neue privilegierte „Oberschicht“. Ihnen mussten von den Einheimischen Quartiere zur Verfügung gestellt werden, was gerade in der frühen ptolemäischen Herrschaft zu Konflikten führte, da die Quartiernahme mitunter mit Gewalt erfolgte. Allerdings waren die Herrscher bemüht, eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen, da ihnen an einem friedlichen Miteinander sehr gelegen war. Solche Regelungen sind seit der Regierung Ptolemaios’ II. papyrologisch nachweisbar. Pfeiffer analysiert nun ausführlich die Belege zu dieser Problematik. Interessant ist, dass die einheimischen Ägypter und die Besatzer offenbar sogar den Herrscherkult als „Mittel zum Zweck im Rahmen der Auseinandersetzung“ (S. 181) nutzten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Heinz Heinen („Ägypten im Römischen Reich. Beobachtungen zum Thema Akkulturation und Identität“, S. 186–207) befasst sich schließlich mit der römischen Herrschaft in Ägypten. Es wird deutlich, dass die Kaiser die ägyptischen Traditionen respektierten und damit zur Festigung der römischen Herrschaft in der Provinz beitrugen. Mit Hilfe von mehreren Quellen, die zum Teil erstmalig ins Deutsche übersetzt werden, macht Heinen deutlich, dass es zu einer Durchmischung der griechischen und ägyptischen Bevölkerung kam. Der Bruch ereignete sich erst mit dem Aufkommen des Christentums, denn nun wurden der Pharao und die alten Ägypter zum Feindbild.

Der Band wird durch drei Register (Sachen, Orte und Personen; Literarische Quellen; Inschriften und Papyri) abgeschlossen (S. 208–224). Es folgt ein Tafelteil zum Beitrag von Donata Schäfer, der 16 Fotos zum Alexandersanktuar im Luxortempel, dem Alexanderzimmer in Karnak sowie der rechten Südseite des Pylonturmes am Chonstempel beinhaltet. Jeder Aufsatz enthält eine Zusammenfassung sowie ein Literaturverzeichnis.

Der Sammelband vereint durchweg sehr gut recherchierte Beiträge, die sich mit hochinteressanten Einzelfragen beschäftigen und Anregungen für die weitere Forschungsdiskussion geben. Die Artikel selbst umspannen einen sehr weiten Zeitraum und beinhalten sehr unterschiedliche Themen. Hier wäre vielleicht ein Abschlusskapitel sinnvoll gewesen, das die Ergebnisse der Aufsätze noch stärker im Hinblick auf die Fragestellung analysiert und zusammenfasst.

Anmerkung:
1 Sven P. Vleeming, Some Coins of Artaxerxes and other Short Texts in the Demotic Script. Found on Various Objects and Gathered from Many Publications, Leuven 2001, Nr. 163.

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