C. Petersen u.a. (Hrsg.): Zeichen des Krieges in Literatur

Petersen, Christer; Jaeger, Stephan (Hrsg.): Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien. Nordamerika und Europa. Band 1. Kiel 2004 : Verlag Ludwig, ISBN 3-933598-81-8 336 S.

Petersen, Christen; Jaeger, Stephan (Hrsg.): Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien. Ideologisierung und Entideologisierung.. Band 2. Kiel 2006 : Verlag Ludwig, ISBN 3-937719-00-8 280 S.

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lars Koch, Lehrstuhl für Literatur und Kultur der deutschsprachigen Gebiete, Reichsuniversität Groningen

Die Kulturwissenschaften haben seit einiger Zeit das Thema „Krieg“ als fruchtbares Forschungsfeld entdeckt. Neben der Geschichtswissenschaft, die in den letzten Jahren die traditionelle Ereignis- und Sozialgeschichte des Krieges um ein breit angelegtes erfahrungsgeschichtliches Forschungsprogramm erweitert hat, ist es vor allem die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung gewesen, die den Krieg als einen „Ausnahmezustand im Spannungsfeld politischer, literarischer und filmischer Sinnkonstruktion[en]“ 1 untersucht hat. In diesem Kontext der interdisziplinären Analyse symbolischer Vermittlungsformen kriegerischer Ereignisse ist auch die von Christer Petersen begründete Reihe „Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien“ zu verorten. Die beiden vorliegenden Bände – ein dritter Band zum Thema „Terror“ soll 2007 folgen – beschäftigen sich in ihrer übergeordneten Perspektive mit der „medialen Vermittlung, Aufarbeitung und Inszenierung des Krieges“ (Bd.1, S. 5). Entscheidend für den methodischen Fokus der versammelten Texte ist dabei ein Interpretationsansatz, der sich weniger für die Faktizität „realer“ Kriegsereignisse interessiert, sondern vor allem danach fragt, wie das im Kriegsfalle zu verzeichnende Abstürzen kollektiver Normalität in verschiedenen Formen medialer Aufbereitung sinnvoll in die symbolische Ordnung der Gesellschaft reintegriert werden kann. Dabei wird eine Vielzahl historischer und aktueller Kriegsereignisse hinsichtlich ihrer verschiedenen künstlerischen und massenkulturellen Formen der Überlieferung dahingehend untersucht, welche „rekurrente[n] Strukturen“ sich „unabhängig von Ort und Zeit des ursprünglichen Ereignisses“ und „unabhängig vom jeweiligen Medium der Vermittlung“ (Bd. 1, S. 5) wiederkehrend beobachten lassen. In diesem Sinne wird versucht, den Krieg in seiner stets neuen Inszenierung – „letztlich als einen zeichenhaften Krieg oder als ‚Zeichen des Krieges’“ (Bd. 1, S. 5) – zu erfassen.

Der erste Band der Reihe mit dem Untertitel „Nordamerika und Europa“ beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Deutungsmustern des Krieges, die sich – und hier ist ein Schwachpunkt des Projektes auszumachen – nur in relativ unspezifischer Weise auf die kategorial adressierte westliche Welt beziehen lassen. Im Unklaren bleibt, welche genauere Erklärungsleistung eine solche geografische und/oder kulturelle Fokussierung des Themenspektrums bieten soll. Zu fragen wäre, ob sich die Auswahl der Texte alleine aus Gründen der Operationalisierbarkeit auf die Eingrenzung Europa/Amerika stützt (zumal die europäische Perspektive wie zum Beispiel in dem Beitrag von Silke Brodersen über die „Symbolik des Widerstands“ stark auf deutsche Kriegsinszenierungen verkürzt ist), oder ob der Herausgeber die implizite These vertritt, dass es spezifisch amerikanisch/europäische Deutungsmuster des Krieges gibt, die so in anderen Kulturen der Welt nicht aufzufinden sind. Die hiermit angedeutete systematische Indifferenz findet sich auch in der Anordnung der einzelnen Beiträge wieder. So eröffnet der Band mit einem Beitrag von Renate Eigenbrod zur „entkolonialisierenden Darstellung des Zweiten Weltkriegs“ in der kanadischen Literatur, an den sich zunächst ein komplementärer Aufsatz über „Kriegserzählungen deutscher Migranten in Nordamerika nach 1945“ von Alexander Freund anschließt. Die damit angedeutete partielle Konzentration auf literarische Inszenierungsweisen wird sodann aber unmotiviert durch mehrere Beiträge zur filmischen und bildbasierten Repräsentation des Krieges aufgegeben, um rund 200 Seiten später mit dem Aufsatz von Charlotte Heymel zu „antimodernen Beschreibungsmustern“ in Kriegsreiseberichten des Ersten Weltkriegs wieder zum Feld der Literatur zurückzukehren.

Inhaltlich sind die einzelnen Beiträge im Hinblick auf die Breite ihres Gegenstandes verschieden perspektiviert und variieren bezüglich ihres medienreflexiven Potenzials beträchtlich. Medien- und erzähltheoretisch fundierte Analysen wie zum Beispiel die von Hans Krah über den „Bosnienkrieg im deutschen Fernsehkrimi“, von Lars Baumgart über „die Darstellung des Kampfes im gegenwärtigen Kriegsfilm“ oder von Christer Petersen über den „filmischen Vietnamdiskurs“ stehen neben Beiträgen, welche die im Vorwort entwickelte Repräsentationsthese nicht hinreichend für die eigene Fragestellung fruchtbar machen oder nicht die notwendige theoretische Sensibilität für grundsätzliche Semiotisierungs- und Konstruktionsleistungen der Medien aufbringen. Zu nennen ist hier etwa Jamila Adobhani, die in ihrem Beitrag zur „Mediengeschichte des Irakkonflikts“ eine zwar materialreiche, aber letztlich doch naive Klage über den Manipulationscharakter der Massenmedien entwickelt. Gut gelungen sind indes die Beiträge von Barbara Schrödl und Eckhard Pabst. Erstere setzt sich in ihrem Text über „Mode und Krieg“ auf anregende Weise mit dem Zusammenhang von habituellen Kodierungen des Körpers und Kleidermode im NS-Film auseinander, letzterer analysiert am Beispiel des Films „Black Hawk Down“ die Funktionsweisen kultureller Grenzziehung im Krieg und kommt dabei zu Ergebnissen, die auch im Hinblick auf das Auftreten der US-amerikanischen Truppen im Irak von Relevanz sind. Programmatisch abgeschlossen wird der erste Band durch einen Text Gundela Hachmanns über das „Erhabene im Krieg“, der in der Auseinandersetzung mit den Dichtungen Raoul Schotts die notwendige Lücke im symbolischen Inszenierungsprozess des eigentlich nicht Darstellbaren herausarbeitet und damit das Interesse noch einmal auf die vom Herausgeber aufgestellte These über die Zeichenhaftigkeit des Krieges lenkt.

Der zweite Band mit dem Untertitel „Ideologisierung und Entideologisierung“ wirkt in sich thematisch geschlossener. Gemeinsamer theoretischer Fluchtpunkt aller hier versammelten Beiträge ist die Beobachtung, dass Krieg sich „in seinen ideologischen Zuschreibungen stets in Sprechakten“ als Gegenstand der gesellschaftlicher Kommunikation darstellt, „die auf territoriale, ökonomische, machtpolitische oder weltanschauliche Konflikte referieren“ (Bd. 2, S. 8). Wichtig ist dabei, dass sich der Band nicht auf den implizite Unterscheidungen wie „wahr/falsch“ oder „richtiges Denken/Verblendung“ mit sich führenden Begriff der „Ideologie“ konzentriert, sondern in der Analysekategorie der „Ideologisierung“ auf die Dynamik einer Benennungspraxis abhebt, die „von semiotischen Prozessen und Verhandlungen in Diskursen abhängig ist und erst in ihnen entstehen kann.“ (Bd. 2, S. 10) Zeichnete sich der erste Band durch eine gewisse Strukturlosigkeit aus, so haben die Herausgeber hier, in der Verpflichtung aller Einzelbeiträge auf die Analyse des semiotischen und diskursiven Ermöglichungszusammenhangs von Kriegsrepräsentationen, ein verbindendes Element gefunden, dass die Einheit des zweiten Bandes in der themenspezifischen und methodischen Vielfalt gewährleistet.

Im Einzelnen gehen alle Beiträge wie schon im ersten Band von unterschiedlichen theoretischen Ansätzen aus und analysieren ein weit gefächertes Themenspektrum. Den Beginn macht ein Beitrag von Hanno Balz und Tanja Maier über die „Konventionen des Sichtbaren“ im „Krieg gegen den Terror“, in dem die Autoren auf überzeugende Weise aufzeigen, inwiefern das Bilderrepertoire westlicher Kriegsberichterstattung mit männlich/weiblichen Zuschreibungen operiert und damit eine Deutungskontinuität über den einzelnen Kriegsschauplatz hinweg herstellt. Es folgen zwei Aufsätze von Horst Tonn und Martin Nies, die sich auf Grundlage von autobiografischen Erinnerungsbüchern und fiktionalen Spielfilmen mit der wirklichkeitsmodellierenden Praxis des Kriegsberichterstatters und der medialen Repräsentation des Krieges im Journalismus beschäftigen. Abgeschlossen wird die Analyse von Gegenwartsthemen durch einen Text Susanne Düwells, der anhand literarischer Kriegsbücher zum Jugoslawienkonflikt den (ideologie-)blinden Fleck journalistischer und literarischer Darstellungs- und Reflexionsweisen herausstellt und die prinzipielle poetische Insuffizienz literarischer Erzählungen vom Kriege reflektiert.

Stephan Jäger beschäftigt sich in seinem Beitrag über das „Gedächtnis des Bombenkriegs“ mit Ideologisierungs- und Entideologisierungseffekten in der historiografischen und dokumentarfilmischen Darstellung des Luftkriegs und kommt dabei zu dem plausiblen Ergebnis, dass eine multiperspektivische, die Vielstimmigkeit der Erinnerungen bewahrende Darstellungsweise es ermöglicht, die einheits- und ideologiestiftende Dominanz des Historiker-Erzählers zu entkräften. An einen Aufsatz von Lars Karl, der sich mit den sich ausdifferenzierenden Deutungsmustern des „Großen Vaterländischen Krieges“ im russischen Spielfilm während des politischen „Tauwetters“ auseinandersetzt, schließt sich eine Reihe von Beiträgen an, die verschiedene Kriegsereignisse des 17.-19. Jahrhunderts zum Gegenstand haben. Uwe Hebekus analysiert die „Friktionen der Kriegsmoderne“ in den autobiografischen Texten Theodor Fontanes und zeichnet dabei die Spuren der Verunsicherung und der Entrüstung nach, die der endgültige Übergang vom Kabinetts- zum Volkskrieg bei dem Dichter hinterlassen hat.

Dass der Krieg auch als herrschaftssicherndes Mittel zur sozialen Disziplinierung der Gesellschaft instrumentalisiert werden kann, zeigt Jan Schlürmann anhand des Neuruppiner Bilderbogens von Gustav Kühn, der im Kampf der Schleswig-Holsteiner gegen Dänemark dazu diente, die Bevölkerung auf den preußischen Patriotismus einzuschwören. Ein weiterer Beitrag, der die affektive Bindung an die Nation schaffende Wirkung des Krieges nachzeichnet, stammt von Maud Meyzaud. Er untersucht den „Diskurs des modernen Kriegspatriotismus“ im Kontext der zeitnahen historiografischen Darstellung der Französischen Revolution. Die Verquickung religiöser und machtpolitischer Effekte ist auch das Thema von Sebastian Barteleit, der sich in seinem Artikel über „die protestantische Nation im Krieg“ mit der welterklärenden und deutungsorganisierenden Wirkung des Protestantismus in der englischen Publizistik zur Zeit des englischen Bürgerkriegs 1649-1660 beschäftigt. Abgeschlossen wird der Band durch einen originellen Text von Sabine Müller, der die „panhellenische und makedonische Repräsentation des Persienkrieges in den Medien der königlichen Propaganda“ analysiert, und durch die dabei gewonnenen Einsichten in die Selbstinszenierungsstrategien Alexander des Großen noch einmal die Tragfähigkeit des Konzeptes der „Ideologisierung und Entideologisierung“ unterstreicht.

Die Herausgeber Stephan Jaeger und Christer Petersen haben mit der Reihe „Zeichen des Krieges in Literatur, Film und Medien“ ein sehr ambitioniertes Projekt in Angriff genommen, das einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Repräsentationsweisen des Krieges liefert. Die perspektivisch vielgestaltigen Beiträge stellen in der Suche nach wiederkehrenden Deutungsmustern ein analytisches Instrumentarium bereit, das es dem Leser ermöglicht, sich auch in der aktuellen Flut der Bilder vom Kriege besser zurecht zu finden. Die Stärke des Vorhabens, die Multiperspektivik und Interdisziplinarität der Beiträge, ist mit der Notwendigkeit verbunden, übergeordnete Erkenntnisinteressen zu formulieren, die der Gefahr der thematischen Disparatheit begegnen und die Vielzahl der Einzelbeiträge auf ein gemeinsames theoretisches Fundament stellen. Dies ist im zweiten Band deutlich besser gelungen als im ersten. Nichtsdestotrotz machen beide Bände in der Summe deutlich, dass die Entscheidung zum Krieg, vor allem aber die Begründungen, die für ihn ins Feld geführt wurden und werden, kulturabhängig und damit kritikfähig sind. Dies ist in Zeiten einer (Re-) Ideologisierung der Welt ein nicht zu bestreitendes Verdienst.

1 Vgl. Wende, Waltraud >Wara< (Hg.), Krieg und Gedächtnis. Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld kultureller Sinnkonstruktionen, Würzburg 2005.

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