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Titel
Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser


Autor(en)
Rosen, Klaus
Erschienen
Stuttgart 2006: Klett-Cotta
Anzahl Seiten
569 S.
Preis
€ 32,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Henning Börm, Institut für Klassische Altertumskunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Gemeinsam mit Konstantin und noch vor Diokletian und Justinian kann Kaiser Julian trotz der Kürze seiner Regierung zweifellos als der bekannteste Herrscher des spätrömischen Reiches gelten. Angesichts der gesteigerten Aufmerksamkeit, die die althistorische Forschung seit einigen Jahren der Spätantike widmet, überrascht es nicht, dass gerade Julian, der die Gemüter nicht nur der Historiker/innen seit Jahrhunderten bewegt, besondere Aufmerksamkeit erregt hat. Allein in der deutschsprachigen Forschung erschienen in der letzten Dekade vier Monografien, die diesen Herrscher zum Gegenstand hatten.1 Der Bonner Emeritus Klaus Rosen, der bereits dank seiner grundlegenden Ammian-Studien 2 seit langem als Fachmann für das 4. Jahrhundert gilt, hat diese Reihe nun mit einer umfangreichen Arbeit fortgesetzt, die man gleichsam als eine Summe seiner Forschungen zu diesem Feld ansehen kann. Zugleich lässt der etwas reißerisch geratene Untertitel „Kaiser, Gott und Christenhasser“ aber kaum einen Zweifel daran, dass sich das Buch nicht zuletzt auch an historisch interessierte Laien richten soll. So werden auch sämtliche griechischen Ausdrücke in lateinischer Transkription wiedergegeben. Auf Grund des großen Umfanges des Buches wird sich die folgende Rezension selbstverständlich auf die wichtigsten Aspekte der vielschichtigen Arbeit beschränken müssen.

Rosen stützt sich bei seiner Darstellung nicht nur auf die Selbstzeugnisse Julians, die uns bekanntlich im Falle dieses Kaisers in weitaus größerem Maße zur Verfügung stehen als bei anderen antiken Gestalten, sondern betont in der Einleitung (S. 7ff.), er habe „sämtliche griechischen und lateinischen Quellen zu Julian durchgearbeitet“ (S. 9). Er verbindet diese selbstbewusste Aussage mit unverhohlener Kritik an anderen – namentlich ungenannten – Gelehrten, von denen man dies nicht behaupten könne: Fast klingt es so, als stehe die gesamte „umfangreiche Forschung wenigstens der letzten 100 Jahre“ in Rosens Augen unter dem Generalverdacht des ungenügenden Quellenstudiums. Wie dem auch sei: Dass Rosen in der Tat ungewöhnlich gut mit der antiken wie nachantiken Überlieferung zu Julian vertraut ist, wird an vielen Stellen seines Buches deutlich. Stets behält er die Primärquellen im Auge, aus denen er lange Passagen zitiert und kritisch beleuchtet; man gewinnt dabei den Eindruck, als beruhe die ganze Arbeit tatsächlich in erster Linie auf Quellenlektüre. Dennoch kennt Rosen selbstverständlich auch die relevante Forschungsliteratur.

Die wichtigsten Quellen – neben Julians Schriften, Briefen und Erlassen natürlich vor allem Ammian und Libanios, daneben etwa Gregor von Nazianz, Eutrop, Eunap, Zosimos sowie die Kirchenhistoriker Sokrates, Sozomenos und Theodoret 3 – stellt Rosen im ersten Kapitel vor (S. 13ff.). Der Überblick beschränkt sich auf die notwendigsten quellenkritischen Anmerkungen und bietet keine Überraschungen. Gleich zu Beginn des zweiten Kapitels (S. 34ff.) wird dann deutlich, dass Rosen bei seiner Darstellung der kaiserlichen Vita recht weit ausgreift: Er schildert die Ereignisse des Jahres 337, in deren Verlauf auch Julians Vater, Konstantins Halbbruder Iulius Constantius, ermordet wurde, und durchbricht dabei immer wieder die Chronologie, um auf die Vorgeschichte der Konstantinischen Dynastie hinzuweisen – ein Verfahren, das Leser ohne Vorkenntnisse erheblich verwirren dürfte. Zur Frage, wer die Morde an den meisten männlichen Verwandten Konstantins angeordnet hatte, bezieht Rosen nicht eindeutig Stellung; er scheint aber der Ansicht zuzuneigen, „einige wenige“ Mitglieder des „Generalstabes“ hätten die Taten befohlen und dabei „ganz im Sinne der Leibeserben und künftigen Herrscher“ gehandelt (S. 53). Dass man sich damit über die von Konstantin I. 335 selbst verfügte „Herrschaftsordnung“ 4 hinwegsetzte, habe man in Kauf genommen.

Mit dem dritten Kapitel weicht Rosens Darstellung sogleich wieder von der chronologischen Ereignisfolge ab, indem er vorgreift und sich ausführlich mit Julians „Mustermythos“, den er in Teilen zutreffend als verklausulierte autobiografische Skizze des Augustus begreift, sowie mit dessen religiösem Sendungsbewusstein und seiner Helios-Verehrung beschäftigt (S. 54ff.). Hier wie an anderer Stelle erweist sich Rosen als profunder Kenner der Materie, doch zugleich hat der gebotene Detailreichtum auch Nachteile: Teilweise gleicht die Darstellung eher einer Aneinanderreihung von Exkursen. Dies überrascht nicht, da sich die Endnoten fast vollständig auf Quellenbelege und Literaturverweise beschränken, weshalb auch Punkte, die man aus Gründen der Stringenz vielleicht besser in Anmerkungen bzw. Fußnoten untergebracht hätte, nun im Haupttext stehen. Es ist anzunehmen, dass der Verlag historische Laien nicht durch Fußnoten abschrecken wollte und Rosen zugleich fürchtete, die Endnoten würden in der Regel nicht gelesen; dennoch hätte man sich streckenweise einen klareren Aufbau gewünscht. Das Kunststück, Lesbarkeit mit wissenschaftlicher Akribie zu verbinden, gelingt Rosen leider nicht immer. Trotz des klaren und oft eleganten Stils, dessen er sich bedient5, kann er sein beeindruckendes Wissen nicht immer optimal präsentieren. Dieses Problem zieht sich durch die gesamte Arbeit.

Das vierte Kapitel (S. 70ff.) befasst sich mit Julians Erziehung, Kindheit und Jugend, wobei Rosen den Beginn des Aufenthalts der Brüder Julian und Gallus im kleinasiatischen Macellum (im Gegensatz etwa zu Hans-Ulrich Wiemer) nicht auf 342, sondern erst auf 346 datiert (S. 82f.). Der junge Julian gilt Rosen dabei als „überzeugter Christ“ (S. 89). Das fünfte Kapitel (S. 94ff.) widmet sich dann den philosophischen Studien Julians; Rosen folgt hier nicht der communis opinio, die bereits für die Zeit um 351 6 eine heimliche Konversion des späteren Kaisers zu den paganen Kulten vermutet: „Der Zwanzigjährige lernte im Jahr 351 die neuplatonische Philosophie kennen, aber erst im nachhinein wurde ihm deutlich, wohin in der Weg führte, den er damals einschlug [...]. Der Philosophiestudent Julian hatte weder in Pergamon noch in Ephesos eine Bekehrung erlebt“ (S. 100). Rosen sieht den jungen Julian eher als einen jener spätantiken Christen, die Interesse für paganes Gedankengut und nichtchristliche Praktiken zeigten, sich aber dennoch nicht als „Heiden“ verstanden. Spätere Aussagen Julians, insbesondere im Brief an die Athener, seien hingegen zumeist falsch interpretiert worden. Den Konflikt zwischen Julians Bruder, dem Caesar Gallus, und dem mittlerweile alleinigen Augustus Constantius II., der Ende 354 mit der Hinrichtung des Ersteren endete, führt Rosen primär darauf zurück, dass Gallus sich seinem Vetter nicht mehr bedingungslos habe unterordnen wollen: „Mit zunehmender Erfahrung wurde er selbstbewußter und selbständiger“ (S. 106).

Das sechste Kapitel (S. 122ff.) hat dann jene Phase zum Gegenstand, die man in Anschluss an Ammian meist als die Glanzvollste und Erfolgreichste in Julians Leben gesehen hat: Am 6. November 355 wird er zum Caesar erhoben und nach Gallien entsandt, das zuvor unter germanischen – insbesondere alamannischen – Einfällen zu leiden gehabt hatte. Rosen geht davon aus, dass Julian von Constantius anfangs nicht als Mit- oder Unterkaiser angesehen worden sei: „Mit der Anrede ‚Bruder‘ verschleierte er jedoch, daß er keineswegs daran dachte, Julian zum Mitregenten zu erheben. Nicht anders als Gallus sollte er Helfer, apparitor, sein. Auch Constantin hatte in seinen Söhnen, die er zu Caesares ernannte, nur Helfer gesehen“ (S. 134). Folglich seien Julians Kompetenzen in Gallien anfangs sehr begrenzt gewesen: „Der Oberbefehl über die Truppen lag beim Heermeister für Gallien [...]. Die Zivilverwaltung leitete der Praetorianerpraefekt Honoratus. Julian sollte lediglich Constantius’ ,Mantel und Bild umhertragen‘, wie er im Brief an die Athener schrieb“ (S. 137). Diese Position ist, gerade weil sie sich auf Aussagen Julians stützt, die aus einer Zeit stammen, als er seine widerrechtliche Erhebung zum Augustus zu rechtfertigen suchte, nicht ganz unproblematisch; und vielfach wird heute angenommen, Julian habe in Gallien volle kaiserliche Autorität besessen.7 Rosen hingegen glaubt, die Quellen, insbesondere Ammian, würden den „falschen Eindruck“ erwecken, Julian sei der Oberkommandierende gewesen (S. 139). Erst nach den ersten Erfolgen des Caesars sei es wirklich hierzu gekommen (S. 142). Trotz einiger Vorbehalte schätzt Rosen Julians Aktionen in Gallien, die er detailliert schildert, als durchaus erfolgreich ein.

Thema des siebten Kapitels (S. 178ff.) ist dann Julians Usurpation, seine im Frühling 360 erfolgte Ausrufung zum Augustus. Die Frage, inwieweit der Caesar in diesem Zusammenhang selbst die treibende Kraft war, lässt Rosen zwar prinzipiell offen; es wird aber doch deutlich, dass er es zumindest für wahrscheinlich hält, dass die Kaisererhebung seit längerem vorbereitet worden war. Dies beginnt schon mit der Entsendung des magister militum Lupicinus nach Britannien: „Hatte Julian etwa absichtlich den Heermeister entfernt, um freie Hand zu haben, falls die Soldaten in ihrem Unmut einen Schritt weiter gehen sollten?“ (S. 180). Laut Rosen hat Julian zumindest mit seiner Ausrufung zum Augustus gerechnet und sie billigend in Kauf genommen, da er hoffte, Constantius werde einlenken (S. 181f.). Er glaubt sogar einige militärische und zivile Würdenträger identifizieren zu können, die Julian später für ihre Unterstützung belohnt habe (S. 189f.). Auch hier hütet sich Rosen angesichts der Quellenlage davor, mehr als Vermutungen anzustellen, dennoch ist die Suggestivkraft der entsprechenden Passagen hoch. Im Folgenden schildert er die Eskalation des Konflikts, das Werben des Usurpators um Unterstützung und die geringen Aussichten Julians, in einem Bürgerkrieg gegen seinen Vetter bestehen zu können (S. 213). Rosen stellt mit Recht fest, dass jener mit dem Abzug der schlagkräftigsten Truppen aus Gallien bewusst alles aufs Spiel setzte, was er dort zuvor erreicht hatte (S. 210). Zugleich betont er, Julian sei auch jetzt – trotz zunehmender Affinität zur paganen Religion – noch immer kein Apostat gewesen: „So hütete er sich, schon jetzt völlig mit dem Christengott zu brechen und ihn sich zum Feind zu machen“ (S. 205). Auch Julians für diese Zeit zweifelsfrei bezeugten Gebete an Helios lässt Rosen nicht als Beweis für eine Apostasie gelten: „Dann hätte man vielen Christen ihr Heidentum vorwerfen müssen, weil sie sich zum Beten der Sonne zuwandten 8 und beim Adressaten ihres Gebets keineswegs immer säuberlich zwischen Helios und der ,wahren Sonne‘ Christus unterschieden“ (S. 224).

Die entscheidende „Wende“ (S. 310), die Abkehr Julians vom Christentum, schildert Rosen dann im achten und längsten Kapitel (S. 226ff.). Er greift dabei eine These auf, die er bereits 1997 an anderer Stelle vertreten hatte 9 und die seither auf ein geteiltes Echo gestoßen ist: Obwohl Julian bereits seit längerem unter neuplatonischem Einfluss mit dem alten Glauben sympathisiert habe, sei er erst angesichts des überraschenden Todes des Constantius, den der neue Alleinherrscher als Rettung aus höchster Not verstanden habe, vom Christentum abgefallen: „Die Götter waren eben doch stärker als der Christengott, auf den Constantin gesetzt hatte. Nicht das Ephesos des Maximus, nicht das Paris der aufrührerischen gallischen Truppen, sondern Naïssus, die Wiege seines Geschlechts, wurde Julians Damaskus“ (S. 229). Rosen vertritt diese Ansicht mit Vehemenz; trotzdem bleiben Zweifel. Wie konnte Julian den Tod seines Gegners als einen Sieg der Götter über Christus interpretieren, wenn er sich nicht zuvor explizit unter ihren Schutz begeben hatte? Wie hätte er sich andernfalls so sicher sein können, ihnen und nicht Christus sein Überleben zu verdanken? Es mag durchaus zutreffen, dass er bis 361 „sicherheitshalber“ nicht auf die Unterstützung des Christengottes verzichten wollte und sich daher (ebenso wie aus politischer Vorsicht) nicht offen gegen diesen erklärte; dennoch stellt sich die Frage, ob man jemanden, der den Christengott nur noch „unter anderem“ verehrt, überhaupt noch als Christen bezeichnen kann. Die Ereignisse im November 361 mögen dazu beigetragen haben, Julian zu radikalisieren und ihn von der Überlegenheit der alten Götter zu überzeugen. Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, dass sie den Wandel nicht nur bestätigten, sondern hervorriefen. Rosens These setzt voraus, dass eine Apostasie nicht ab dem Moment zu konstatieren ist, ab dem Götter außer dem der Christen verehrt werden, sondern erst dann, wenn dieser explizit verworfen wird. Für Rosen scheint es also zumindest im Falle Julians nur zwei Zustände zu geben: Noch „Christ“ oder bereits „Christenhasser“. Wenn er von Julians „Damaskus“ spricht, so denkt er offenbar an einen – bei aller vorangegangenen Affinität des Kaisers zu den alten Kulten – doch plötzlichen, radikalen Umschwung. Dieser Punkt bedarf zweifellos noch der weiteren Diskussion.

Ungeachtet dieser Probleme dürfte Rosen aber insofern zuzustimmen sein, als Julian tatsächlich sehr bald, nachdem er in Naïssus vom Tod des Constantius erfahren hatte, Äußerungen tätigte, die auf Pläne für ein Zurückdrängen und schließliches Auslöschen des Christentums schließen lassen (S. 233). Julian habe „den Fehdehandschuh [...], den Diocletian mit seinem Rücktritt 305 abgelegt hatte“ (S. 235), wieder aufnehmen wollen.10 Im Folgenden befasst sich Rosen eingehend mit Julians Maßnahmen als Augustus; hier zeigt sich noch einmal, dass die Stärke des Buches in der umfassenden Quellenkenntnis des Verfassers liegt. Besonders die Ausführungen zur religiös-philosophischen Weltsicht Julians beeindrucken, aber auch die administrativen Maßnahmen des Kaisers werden gewürdigt. Rosen stellt völlig zu Recht fest, dass das „Restitutionsedikt“ vom Februar 362 einen schweren Schlag für die Christen darstellen musste und im Falle einer längeren Herrschaft des Kaisers sicher zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt hätte. Rosen, der, wie schon der Untertitel seines Buches klarmacht, nicht viel von der oft gepriesenen „Toleranz“ Julians hält, räumt zwar ein, dass der Augustus nie gewaltsame Aktionen gegen die Christen angeordnet habe, dennoch seien Kirchenzerstörungen eine „willkommene Begleiterscheinung“ gewesen, und Gewalttaten von Seiten der Altgläubigen habe Julian kaum oder gar nicht geahndet – Rosen spricht von einer „schäbigen Taktik“ (S. 307).

Interesse verdient Rosens These in Hinblick auf die Gründe für Julians Entschluss, einen Feldzug gegen die persischen Sasaniden zu planen: Zum einen habe der Kaiser die Sicherung der Ostgrenze für die „geborene Fortsetzung seiner Feldzüge am Rhein“ gehalten, zum anderen habe es ihn gereizt, mit einem großen Sieg über die Perser, der Konstantin und Constantius II. verwehrt geblieben war, die Überlegenheit seiner Götter zu demonstrieren (S. 261). Später deutet Rosen dann an, auch eine imitatio Alexandri habe womöglich eine Rolle gespielt (S. 360). Welche konkreten Kriegsziele der Kaiser verfolgte, ist schwierig zu beantworten: Rosen glaubt – wohl in Anschluss an Libanios (ep. 1402,3) –, dass der zuvor zu den Römern geflohene Sasanidenprinz Hormizd 11 als neuer Großkönig habe eingesetzt werden sollen (S. 336); ob Julian wirklich plante, Persien zu einem Klientelkönigreich zu machen, muss allerdings offen bleiben. Das berühmte Projekt, den Jerusalemer Tempel wieder zu errichten12, führt Rosen nicht zuletzt darauf zurück, dass Julian die Worte der Propheten habe widerlegen wollen (S. 328ff.). In Hinblick auf das mittelfristige Ziel der religiösen Maßnahmen des Kaisers vertritt Rosen überzeugend die Position, Julian habe keine heidnische „Reichskirche oder Staatskirche“ begründen wollen: „Reichsweit wollte er nur einen Priesterstand, der für die traditionellen Kulte sorgte und strenge Moral mit praktischer philanthropía verband“ (S. 302). Mit Recht erinnert der Autor daran, dass der Kaiser „seine religiösen Reformen immer auch als Teil der Erneuerung des Gemeindelebens sah, die sich nicht nur auf die Verwaltung und Wirtschaft beschränkte“ (S. 303). Dennoch wird deutlich, dass Rosen religiösen Eifer als den eigentlichen Antrieb Julians begreift.

Im neunten Kapitel (S. 345ff.) liefert Rosen dann eine souveräne Darstellung 13 von Julians unglücklich verlaufenden Perserfeldzug – mit etwa 65.000 beteiligten römischen Soldaten immerhin die wohl größte Militäroperation der Spätantike. In Zusammenhang mit Julians gewaltsamem Tod am 26. Juli 363 enthält sich Rosen klugerweise der Spekulation über die Frage, wer den tödlichen Speer geworfen habe. Er setzt seine Darstellung über Julians und Jovians Tod hinaus bis zur Niederschlagung der Usurpation des Procopius 14 fort und wählt damit einen sinnvollen Endpunkt. Das zehnte Kapitel (S. 394ff.) schließlich bietet einen beeindruckend umfassenden Überblick über die Beurteilungen, die Julian im Laufe der Zeit erfahren hat, auch wenn Rosen schon allein auf Grund der Fülle der Beispiele vielfach kaum mehr als eine Auflistung bieten kann. Dennoch gelingt es ihm insgesamt, einen Eindruck von der Vielfalt der Urteile über den Kaiser (und ihrer Motive) zu vermitteln und sein Werk damit sinnvoll abzurunden.

Das Buch enthält eine Reihe von Abbildungen, wobei insbesondere den numismatischen Zeugnissen Beachtung geschenkt wurde. Hinzu kommen einige Karten, die gerade Laien die Orientierung erleichtern dürften. Das Quellenverzeichnis führt nicht nur Editionen, sondern, soweit verfügbar, auch Übersetzungen auf. Die Bibliografie beschränkt sich weitgehend auf einschlägige Titel der Forschungsliteratur; manch ein modernes Werk, das Rosen in seinem Kapitel über die Julian-Rezeption erwähnt, sucht man hingegen vergebens. Zwei Indices – ein Personen- und ein Orts- und Sachregister – vervollständigen das Buch, auf einen Stellenindex wurde verzichtet.

Rosen ist – trotz der erwähnten Schwächen – insgesamt ein lesenswertes, sehr faktenreiches und mitunter recht meinungsfreudiges Buch gelungen, das insbesondere durch die souveräne Beherrschung der Quellen beeindruckt und auch dem Fachhistoriker zahlreiche wichtige Anregungen bietet, wenngleich es sich offenkundig primär an interessierte Laien richtet. Wer sich in Zukunft mit Julian beschäftigt, wird an Rosens Arbeit kaum vorbeigehen können.

Anmerkungen:
1 Den Anfang machte 1995: Wiemer, Hans-Ulrich, Libanios und Julian, München 1995. An ein etwas breiteres Publikum richtet sich: Giebel, Marion, Kaiser Julian Apostata, Düsseldorf 2002. Die derzeit wohl beste kurze Einführung stammt von: Bringmann, Klaus, Kaiser Julian, Darmstadt 2004. Streng genommen keine Monographie, sondern eine kommentierte Edition epigrafischer Quellen bietet: Conti, Stefano, Die Inschriften Kaiser Julians, Stuttgart 2004.
2 Bereits Rosens Heidelberger Dissertation hatte sich 1968 mit Ammian befasst; einschlägig ist daneben bis heute: Rosen, Klaus, Ammianus Marcellinus, Darmstadt 1982.
3 Vgl. zu diesen drei Kirchenhistorikern die vorzügliche Einführung von: Leppin, Hartmut, The Church Historians: Socrates, Sozomenus, and Theodoretus; in: Marasco, Gabriele (Hg.), Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A.D., Leiden 2003, S. 219-254.
4 Vgl. zu den Regelungen von 335 auch den knappen Überblick bei: Brandt, Hartwin, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian bis zum Ende der konstantinischen Dynastie, Berlin 1998, S. 147-150 (mit weiterer Literatur).
5 Als eher unschön mag man hingegen Ausdrücke wie „Sonderbotschafter für religiöse Reformen“ (S. 242) oder „Inkassoverfahren“ (S. 312) empfinden, doch bleiben diese insgesamt eher Ausnahmen.
6 So etwa: Bowersock, Glen Warren, Julian the Apostate, London 1978, S. 29. Bowersocks Ansicht wird meist geteilt, z.B. von: Wiemer, Hans-Ulrich, Iulian, in: Clauss, Manfred (Hg.), Die römischen Kaiser, München 1997, S. 335, sowie zuletzt von Bringmann (wie Anm. 1), S. 36.
7 Vgl. etwa Bringmann (wie Anm. 1), S. 57 (Anm. 57).
8 Derlei Praktiken waren in der Tat auch noch hundert Jahre nach Julian unter Christen weit verbreitet, wie etwa die berühmte Klage des römischen Bischofs Leo I. (serm. 27,3-4) dokumentiert.
9 Vgl. Rosen, Klaus, Kaiser Julian auf dem Weg vom Christentum zum Heidentum, JbAC 40 (1997), S. 126-146.
10 Rosen führt Diokletians Rückzug von der Macht 305 im übrigen – wohl in Anlehnung an Laktanz – auf dessen schlechten Gesundheitszustand zurück; eine Annahme, die angesichts des Umstandes, dass der Kaiser noch mindestens bis 311 (wenn nicht sogar bis 316) lebte und 308 noch in die Reichspolitik eingreifen konnte, heute mit Recht vielfach bezweifelt wird. Vgl. zur „Großen Verfolgung“ insbesondere Schwarte, Karl-Heinz, Diokletians Christengesetz, in: Günther, Rosemarie; Rebenich, Stefan (Hgg.), E fontibus haurire. Festschrift Heinrich Chantraine, Paderborn 1994, S. 203-240.
11 Vgl. Mosig-Walburg, Karin, Die Flucht des persischen Prinzen Hormizd und sein Exil im Römischen Reich – eine Untersuchung der Quellen, Iranica Antiqua 35 (2000), S. 69-109.
12 Vgl. dazu auch: Hahn, Johannes, Kaiser Julian und ein dritter Tempel? Idee, Wirklichkeit, Wirkung eines gescheiterten Projekts, in: ders.; Ronning, Chester (Hgg.), Zerstörungen des Jerusalemer Tempels, Tübingen 2002, S. 237-362.
13 Ein kleines Detail sei allerdings berichtigt: Rosen folgt einem verbreiteten Irrtum der griechisch-römischen Quellen (z. B. Plut. Crass. 21; Tac. Ann. 6,42; Cass. Dio 40,16,2; Amm. 24,2,4), indem er Surenas als Titel „Vizekönig“ (S. 353) versteht. Diese Annahme war auch in der älteren Forschung weit verbreitet; tatsächlich aber waren die Suren eine der führenden Familien des parthischen wie des sasanidischen Reiches und sind noch im 6. Jahrhundert bezeugt (Men. Prot. fr. 6,1,272). Ähnlich wie das Haus Mihran scheinen die Suren einen gewissen Erbanspruch auf hohe militärische Positionen besessen zu haben, was die Römer früh zu der irrigen Annahme veranlasste, „Surenas“ und „Mirrhanes“ seien keine Namen, sondern Amtsbezeichnungen.
14 Rosen schließt übrigens nicht aus, dass Procopius tatsächlich 363 von Julian heimlich als Nachfolger designiert worden sei, neigt aber – wohl mit Recht – eher der Gegenposition zu.

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