Rez. CD-ROM: Hoffmann ueber "Encyclopaedia Britannica 99"

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bjoern Hoffmann, Humboldt Universitaet Berlin

Die Encyclopaedia Britannica ist nach wie vor die umfangreichste und wissenschaftlichen Standards am besten genuegende Enzyklopaedie auf CD-ROM. Mit 44 Millionen Woertern ist das digitale Nachschlagewerk in englischer Sprache anderen vergleichbaren Lexika weit ueberlegen und seit der Preisreduzierung des Jahres 1998 von mehr als 2.000 auf 350 DM (119 US$ fuer die Multimedia Edition und 59 US$ fuer die Standard Edition) auch endlich einem breiteren Publikum zugaenglich.

Die Textsubstanz des Werkes beruht auf der Printversion der 15. Auflage der Encyclopaedia Britannica von 1994 in 32 Baenden, wobei die Aktualitaet der CD-ROM durch sogenannte Jahrbuecher gewaehrleistet wird, die jaehrlich von den 150 Redaktionsmitgliedern des Lexikonverlages und ca. 5.000 Honorarautoren zusammengestellt werden und das Werk noch einmal um ueber 3.000 Artikel ergaenzen. In aktuellen Vergleichen von Nachschlagewerken auf CD-ROM (siehe: c't, magazin fuer computer technik 2 (1999), S. 88-99) schneidet das Lexikon daher durch seine verlaessliche Textsubstanz regelmaessig sehr gut ab und braucht auch nicht den Vergleich mit der Brockhaus Enzyklopaedie zu scheuen, die es nach wie vor noch nicht auf CD-ROM gibt.

Der besondere Reiz des Nachschlagewerkes liegt fuer den Historiker neben den zum Teil sehr umfangreichen Artikeln, die oft den Rahmen eines blossen Uebersichtsartikels weit ueberschreiten, vor allem auch in der anglo-amerikanischen Sichtweise der beitragenden Autoren. (Die Britannica wird seit den 1930er Jahren in Chicago redigiert.) Dabei sind nicht nur jene Artikel von besonderer Bedeutung, die spezielle englische bzw. amerikanische Geschichtsthemen wie die Glorious Revolution oder den amerikanischen New Deal behandeln, sondern auch Artikel zur deutschen Geschichte sind aus diesem spezifischen Blickwinkel interessant. Ueber die sehr ausfuehrlichen bibliographischen Angaben erschliesst sich so nicht zuletzt auch eine Rezeptions- und Wirkungsgeschichte deutscher historischer Forschung im anglo-amerikanischen Raum.

Ein Beispiel soll dies illustrieren: Unter den 11 bibliographischen Angaben im Artikel zu Otto von Bismarck befinden sich nur zwei Titel deutscher Autoren: Lothar Galls Bismarck-Biographie und Hans-Ulrich Wehlers Kaiserreichbuch, beide in ihren englischen Uebersetzungen. Zweifelsohne spricht die Erwaehnung der beiden Werke fuer die internationale Reichweite der Untersuchungen. Wer sich darueber hinaus nun fuer die britische bzw. amerikanische Sicht auf den Kanzler der ersten deutschen Einheit interessiert, wird auf die Biographie Alan Palmers und die Studien von George O. Kent verwiesen, beides Publikationen, auf die ein deutschsprachiger Wissenschaftler zumindest nicht als erstes zurueckgreifen wuerde.

Auch von der technischen Seite her kann man ueber das digitale Nachschlagewerk nicht klagen, auch wenn die Hardware-Anforderungen nicht eben gering sind. Der Hersteller des Produktes gibt als minimale Voraussetzungen einen Pentium 75 mit 16 MB RAM an, was aber deutlich untertrieben ist. Ordentliche Performance erhaelt man erst ab einem Pentium 133 aufwaerts. Ein bisschen schade ist zudem, dass zumindest die Multimedia Edition nur auf einer Windowsoberflaeche (nur Win 95/98) laeuft. Die Standard-Edition ist zwar auch auf einem Macintosh lauffaehig, aber die Portierung auf andere Systeme waere wuenschenswert. Der Grund fuer die Windows-nahe Programmierung der Britannica duerfte die Integration des Internet Explorers sein, dessen Oberflaeche allerdings vollstaendig umgestaltet ist und als Retrievelsoftware dient, die das muehelose Browsen durch die Suchergebnisse ermoeglicht.

Die Installation des Produktes erfolgt - auch fuer den ungeuebten Benutzer - ohne Schwierigkeiten.

Die klassische Aufteilung der Britannica von Micropaedia und Macropaedia, die seit 1974 besteht, ist allerdings in der digitalen Form nicht mehr beibehalten worden, was aber nicht allzu viel Umgewoehnung erfordern duerfte. In der Regel greift man auf die Textsubstanz der digitalen Britannica durch die Volltextsuche zu oder - was deutlich seltener vorkommen duerfte - durch den riesigen, 72.000 Eintraege umfassenden Index, der in bestimmte Sparten gegliedert werden kann, z.B. in Biographien, Orte oder multimediale Elemente. Dadurch kann man die Suche nach einer speziellen Information noch einmal differenzieren und benachbarte Artikel leichter aufspueren.

Die Volltextsuche der Britannica ist im Vergleich zu frueheren Versionen noch einmal leistungsfaehiger geworden. Kann die Britannica ein gesuchtes Wort in ihrem Datenbestand nicht finden, so unterbreitet die Retrievalsoftware etwa 40 Ersatzvorschlaege, so dass evententuelle Tippfehler leicht aufgespuert werden koennen.

Besonders hervorzuheben ist das sogenannte Spektrum, das einen Thesaurus von insgesamt zehn Wissensgebieten umfasst. Von hier aus laesst sich beispielsweise durch die "branches of knowlegde" navigieren, die nach einigen Verzweigungen ueber Geschichte und Historiographie auf eine (fast) vollstaendige Liste der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts treffen. Von beachtlichem Wert duerfte dabei sein, dass nicht nur Namen wie Ranke, Droysen oder Mommsen aufgelistet werden, sondern dass in einer internationalen Sichtweise Historiker wie Francois Guizot, Guiseppe Ferrari oder Vasily Osipovich Klyuchevsky gewuerdigt werden.

Die Multimediafunktionen sind der am wenigsten gelungene Teil der CD-ROM und koennen mit Konkurrenzprodukten wie dem Brockhaus Multimedial oder der Encarta von Mircosoft nicht mithalten. Dies wird den wissenschaftlichen Benutzer allerdings am wenigsten stoeren. Die ungeheuer grosse Link-Sammlung, die dem Produkt beigefuegt ist (30.000 Internet-Links vervollstaendigen die Artikel), laesst dieses Defizit zudem mehr als unbedeutend erscheinen. Auf diese Weise erhaelt der Benutzer eine wissenschaftlichen Anspruechen genuegende Linksammlung. Durch die Registrierung des Produktes und eine Mitgliedschaft im Britannica Club lassen sich die WWW-Links sogar monatlich aktualisieren. Allerdings ist Vorsicht geboten: Der Aufruf der Internet-Links erfolgt ueber die Oberflaeche der Britannica (es verbirgt sich ja der Internet Explorer dahinter), so dass man unversehens im Internet landen kann. Die Inhalte der Links widerspiegeln jedoch ganz sicher nicht immer den qualitativen Standards der Britannica.

Fazit:

Die Encyclopaedia Britannica 99 Multimedia CD-Version ist ein nuetzliches wissenschaftliches Hilfsmittel, das dank der digitalen Aufarbeitung einen sehr schnellen und gruendlichen Wissenszugriff ermoeglicht. Gerade im wissenschaftlichen Alltag spart das Lexikon viel Arbeit, z.B. wenn es darum geht, kurz die Lebensdaten einer Person nachzusehen. Denn wer die geeignete Hardware und den noetigen Speicherplatz auf seinem Computer hat, kann sich den kompletten Text der Britannica auf die Festplatte kopieren (Anleitung auf der amerikanischen Vertriebshomepage: www.eb.com/bcd). Der nunmehr angemessene Preis fuer die Britannica in der CD-Version duerfte zur Verbreitung im deutschsprachigen Raum erheblich betragen, wohingegen der Preis der Printversion immer noch DM 2700 betraegt, was den Etat der meisten jungen Wissenschaftler und Studenten bei weitem sprengen duerfte. Die Digitalisierung nahm der Encyclopaedia Britannica die Exklusivitaet der Printversion und oeffnet deren Wissensbasis einem breiteren Kreis von Wissenschaftlern, die das Werk nun nicht mehr nur in der Fachbibliothek nutzen koennen.

Redaktion
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