A. Matucci (Hrsg.): P. Parenti, Storia Fiorentia 1496-1502

Cover
Titel
Piero Parenti, Storia Fiorentina, vol. 2 1496-1502.


Herausgeber
Matucci, Andrea
Reihe
Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento, Studi e testi 46
Erschienen
Florenz 2005: Olschki
Anzahl Seiten
548 S.
Preis
€ 75,-
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Barteleit, Gernsbach

Für die florentinische Geschichte der Renaissance ist der Zeitraum nach 1494 durch das Wirken Savonarolas, aber auch die politischen Umwälzungen in Folge des Italienzuges des französischen Königs Karl VIII. von besonderer Bedeutung – einer Bedeutung, der sich auch schon die Zeitgenossen bewusst waren, was sich auch in einer verstärkten Produktion von Chroniken niederschlug.1

Parenti entstammt einer Familie die der obersten Strata des Florentiner Bürgertums zugerechnet werden kann2, wenngleich sie nicht den sozialen Status der führenden Familien besitzt. Gleichwohl zeugt die Heirat von Parentis Vater Marco mit der Schwester Filippo Strozzis von einem stetigen sozialen Aufstieg.3

Parenti beginnt die Niederschrift seiner Zeitgeschichte im Jahr 1476, bricht die Aufzeichnungen aber nach der Pazzi-Verschwörung gegen die Medici im Jahr 1478 ab. Erst nach dem Tod Lorenzo de’ Medicis im April 1492 nimmt er seine literarische Tätigkeit wieder auf. Zumindest ab dem Herbst 1494 darf man von einer sehr zeitnahen Abfassung ausgehen, wovon nicht allein die monatsweise Gliederung des Textes zeugt. Die Storia Fiorentina ist nicht komplett als Autograf überliefert, allerdings können die Lücken durch eine handschriftliche Kopie des ausgehenden 16. Jahrhunderts gefüllt werden.

Im Mittelpunkt des zweiten Bandes, der den Zeitraum vom April 1496 bis zum März 1502, also die Jahre 1496-1501 nach Florentinischer Zählung abdeckt, steht zum einen der Niedergang Savonarolas und dessen Hinrichtung, zum anderen die problematische Einbindung von Florenz in das italienische Bündnissystem. Letzteres bedeutete gleichzeitig einen Spagat zwischen den Ansprüchen des französischen Königs und des Papstes Alexander VI. und hier vor allem der Ansprüche dessen Sohnes Cesare Borgia auf die Romagna. Hinsichtlich des Wirkens Savonarolas fällt auf, dass sich Parenti deutlich um Distanz zu den Anhängern und Gegnern des Frate bemüht, auch wenn seine kritische Haltung gegenüber Savonarola immer wieder durchscheint.

Neben der charismatischen Gestalt Savonarolas bestimmt die Außenpolitik das Zeitgeschehen. Die vergeblichen Bemühungen um die Rückeroberung Pisas und die damit zusammenhängenden Probleme der wechselnden politisch-militärischen Bündnisse innerhalb Italiens sind immer wiederkehrende Themen. Die finanziellen Ansprüche des französischen Königs als Hauptverbündeten führen zu anhaltenden Problemen der Besteuerung und Geldbeschaffung, und damit auch zu einer persistenten Diskussion über den Sinn der französischen Allianz. Gleichzeitig scheinen hier die innenpolitischen Konflikte auf, die sich in einem ständigen Infragestellen der republikanischen Verfassung äußern. Daneben notiert Parenti noch viele Ereignisse, die den Alltag der Florentiner beeinflusst haben. Der Durchmarsch der Truppen Cesare Borgias durch florentinisches Gebiet im Mai 1501 hielt die Stadt fast einen Monat in Atem. Dem trägt Parenti durch eine detaillierte Schilderung Rechnung (S. 431-454)

Neben der narrativen Form der Chronik kommen aber immer auch wieder Kommentare Parentis zum Vorschein. Nicht nur eine Aneinanderreihung von Fakten, sondern auch die Einbeziehung reflektierter Bemerkungen zu den gesellschaftlichen Friktionen innerhalb des Florentiner Reggimento zeichnen seinen Text aus. So liegt die Bedeutung von Parentis ‚Storia Fiorentina’ gerade in der Beurteilung aktueller Diskussionen und Beschlüsse – umso mehr, als Parenti durch die aktive politische Teilhabe über Informationen aus erster Hand verfügt. Dieses beinhaltet auch eine Reihe von wirtschaftlichen Daten die Parenti mitteilt. Daneben identifiziert Parenti immer wieder die Mitglieder der unterschiedlichen Fraktionen innerhalb des Reggimento, wodurch die Storia auch unter prosopografischen Gesichtspunkten interessant ist. Auffallend ist jedoch, dass im gesamten Text der politische Akteur Parenti immer im Hintergrund bleibt. Dass er als Mitglied der Otto di guardia aktiv an der Festnahme Savonarolas beteiligt war, erfahren wir aus seiner Niederschrift nicht. Dass er Mitglied diverser beratender Pratiche gewesen ist, lässt sich nur indirekt aus seinen Äußerungen erschließen.

Bei der Edition Andrea Matuccis handelt es sich um eine interpretative Form, die den Ursprungstext, von wenigen wohldefinierten Ausnahmen abgesehen, in eine moderne italienische Schriftform transponiert. Dadurch gewinnt der Text nicht nur für den fremdsprachigen Leser an Verständlichkeit.

Die Bedeutung der Storia Fiorentina wurde schon früh erkannt, und schon 1910 publizierte Joseph Schnitzer die Savonarola betreffenden Passagen des Werkes. Leider hat Matucci diese Teiledition nicht kritisch zur Kenntnis genommen. So bleibt es leider nicht aus, dass man hin und wieder auf unterschiedliche Lesarten stößt, die mindestens in einem Fall einen völlig anderen Sinn ergeben. So liest Matucci auf c. 2r des Manuskriptes II.II.130 „detto no“, wo Schnitzer „dettono“ liest.4 Hier hätte man sich einen klärenden Kommentar gewünscht, zumal die ungewöhnliche Form „dettono“ als Passato Remoto (3. Person Plural) von „dare“ von Matucci an anderen Stellen sehr wohl angeführt wird (z.B. S. 99 Z. 373 und S. 429 Z. 244).

Gegenüber dem ersten Band fällt das nochmals erweiterte Inhaltsverzeichnis positiv auf, welches dem Leser das Navigieren in dem umfangreichen Text erleichtert. Positiv ist auch das Register, wenngleich es sich bei dem Eintrag zu Niccolò di Bernardo Machiavelli auf S. 174 wohl doch eher um dessen Namensvetter Niccolò d’Alessandro Machiavelli handeln dürfte.

Trotz der kleinen Kritikpunkte handelt es sich um eine in hohem Maße verdienstvolle Edition, die einen wichtigen Quellentext für die Florentiner Geschichte des ausgehenden Quattrocento einem breiten Publikum öffnet. Gespannt wartet man auf die Veröffentlichung des letzten Teilbandes.

Anmerkungen:
1 Neben Parenti seien hier stellvertretend genannt: Cerretani, Bartolomeo, Storia Fiorentina, hg. v. Giuliana Berti, Florenz 1994; Vaglienti, Piero, Storia dei suoi tempi, 1491-1514, hg. v. Giuliana Berti u.a., Pisa 1982 und Landucci, Luca, Diario Fiorentino dal 1450 al 1516 continuato da un anonimo fino al 1542, hg. v. Iodoco Del Badia, Florenz 1883.
2 Molho, Anthony, Marriage Alliance in Late Medieval Florence, Cambridge 1994, S. 373, ordnet die Parenti als ‚High Status’-Familie ein.
3 Vgl. hierzu die vorzügliche Einleitung zum ersten Band: Parenti, Piero di Marco, Storia Fiorentina, Band 12, 1476-78 und 1492-96, herausgegeben von Andrea Matucci, Florenz 2005.
4 Der Text lautet im Zusammenhang: „[...] in effetto molte dimostrazioni fece [der französische König] di benevolo animo verso la nostra città, le quali cose scrittesi qui da’ nostri ambasciadori assai di conforto detto no”; S. 4 Z. 37-39. Hingegen liest Schnitzer, Joseph, Savonarola nach den Aufzeichnungen des Florentiners Piero Parenti. Quellen und Forschungen zur Geschichte Savonarolas IV, Leipzig 1910, S. 114, „dettono“, was inhaltlich auch mehr Sinn ergibt.

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