A. Laiou (Hg.): Urbs Capta. The fourth Crusade

Laiou, Angeliki (Hrsg.): _Urbs capta_. The fourth Crusade and its Consequences / La IVe Croisade et ses conséquences. Paris 2005 : Editions Lethielleux, ISBN 2-283-60464-8 371 S., Abb. € 30,00

Bruns, Peter; Gresser, Georg (Hrsg.): Vom Schisma zu den Kreuzzügen: 1054 - 1204. . Paderborn 2005 : Ferdinand Schöningh, ISBN 3-506-72891-1 279 S. € 29,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ansgar Frenken, Esplugues de Llobregat

Im Jahr 2004 jährte sich zum 800. Mal einer der so genannten Eck- und Wendepunkte mittelalterlicher Geschichte: die Eroberung Konstantinopels durch ein fränkisch-venezianisches Kreuzfahrerheer. Dieses Jubiläum gab hinreichenden Anstoß, sich erneut mit diesem Ereignis und dem „fehlgeleiteten“ Unternehmen des IV. Kreuzzugs zu beschäftigen. Jetzt, zwei Jahre später ist es damit an der Zeit, einen ersten Blick auf die wissenschaftliche Ernte dieses Jubiläums zu werfen.

Vom 9.-12. März 2004 veranstaltete die Athener Akademie einen unter dem Rahmenthema „The Fourth Crusade and its Consequences“ stehenden internationalen Kongress, dessen Ergebnisse nunmehr gedruckt vorliegen.1 Die Ereignisse des Jahres 1204 kamen nicht überraschend, sondern haben eine lange Genese, an deren Anfang ein weiteres Datum gestellt werden kann, das sich 2004 gleichfalls jährte: 950 Jahre zuvor hatten der nach Konstantinopel gereiste päpstliche Gesandte und der griechische Patriarch sich gegenseitig mit dem Bannfluch belegt und damit die Kirche in ein Schisma gestürzt. Zwischen Rom und Byzanz tat sich ein zunehmend tieferer Graben auf. Die lange Vorgeschichte und die theologisch-kirchlichen Implikationen, die ihren Schatten noch auf die Ereignisse des IV. Kreuzzugs werfen sollten, waren denn auch der Inhalt eines weiteren Symposiums, das der Bamberger Lehrstuhl für Kirchengeschichte unter dem Thema „1054-1204: Vom Schisma zur offenen Konfrontation“ vom 1.-2. Juli 2004 durchführte und dessen Beiträge jetzt ebenfalls publiziert wurden.2 Das Erscheinen dieser beiden Sammelbände ermöglicht es, eine Standortbestimmung der Forschung zu den Ereignissen von 1204 und ihrer Einordnung in den größeren historischen Zusammenhang vorzunehmen und einige Aspekte von besonderem Interesse in den Vordergrund zu rücken.

Zunächst zu dem Athener Sammelband Urbs Capta: Das zuletzt wieder gestiegene Interesse am IV. Kreuzzug wird dokumentiert in einer Auswahlbibliografie, die Michel Balard, (L’historiographie occidentale de la quatrième croisade, S. 161-174) zusammengestellt hat. Aus Gründen, die wohl nicht nur dem Rezensenten verborgen geblieben sind, ist dieser Beitrag eher ungewöhnlich platziert, denn er wurde weder ans Ende des Sammelbandes gestellt, noch an dessen Beginn gerückt. Mit den byzantinischen Quellen beschäftigt sich Ruth Macrides (1204: The Greek Sources, S. 141-150), die den Wert der Geschichte des Niketas Choniates als einzigartige Quelle für die innerbyzantinische Sicht der Ereignisse relativiert, womit sich zwangsläufig die Perspektive verschieben muss. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: „The history of 1204 from the Byzantine side remains to be written.“(S. 150) Dies erscheint umso notwendiger, blickt man auf die Aufarbeitung des Ereignisses in der griechischen Historiografie (Chryssa Maltezou, The Greek Version of the Fourth Crusade. From Niketas Choniates to the „History of the Greek Nation”, S. 151-159). Gleiches gilt gewiss auch für die westliche Perspektive, die nicht selten einen Hauch apologetischer Verklärung aufweist, insbesondere was Rolle und Verantwortung Innozenz’ III. in diesem Zusammenhang angeht. Diese Neuausrichtung von Interpretationshorizont und Perspektiven wird auch in anderen Beiträgen angesprochen und ist teilweise schon realisiert worden.

Der Athener Sammelband Urbs Capta gliedert sich in vier Teile, einen ersten, der die Vorgeschichte beleuchtet, einen zweiten, der den Kreuzzug selbst in den Mittelpunkt stellt, einen dritten, der dem Niederschlag des IV. Kreuzzugs in Geschichtsschreibung und Kunst nachgeht. Der abschließende und zugleich umfangreichste Teilabschnitt befasst sich mit dem Nachwirken bzw. den Konsequenzen dieses Ereignisses. Insgesamt umfasst der Band 23 Beiträge, die an dieser Stelle weder alle gewürdigt werden können noch sollen. Angeliki Laiou (Byzantium and the Crusades in the Twelfth Century. Why Was the Fourth Crusade Late in Coming?, S. 14-40) untersucht die latente Gefahr, die der Hauptstadt des byzantinischen Kaiserreichs durch die Kreuzzüge drohte, und stellt sich die Frage, warum die Eroberung Konstantinopels erst (so) spät erfolgte. Überzeugend legt sie dar, dass innere wie äußere Faktoren letztlich eine Eroberung der Stadt vor 1203/04 verhindert haben, der Unmut der Kreuzfahrer und damit die potenzielle Gefahr für die byzantinische Hauptstadt sich allerdings von Mal zu Mal, von Kreuzzug zu Kreuzzug steigerte. Indes erfolgte nicht der IV. Kreuzzug so spät, wie der Titel es nahe legt, sondern die Eroberung Konstantinopels. Paul Magdalino (Prophecies on the Fall of Constantinople, S. 41-53) kann in diesem Kontext aufzeigen, dass die Prophezeihungen keineswegs so konkret gewesen sind, als dass sie einer Eroberung der Stadt, noch dazu zu einem bestimmten Zeitpunkt, Vorschub geleistet hätten. In seinem Beitrag „Byzantine Politics vis-à-vis the Fourth Crusade“ (S. 55-68) macht Michael Angold deutlich, dass dynastische Streitigkeiten zwischen den führenden Familien des Reichs und die mangelnde Loyalität von Aristokratie und Spitzen der Bürokratie gegenüber dem Kaiser den gemeinsamen Willen zur Behauptung nachhaltig schwächte und zum Untergang Konstantinopels beitrug. Jonathan Riley-Smith (Toward an Understanding of the Fourth Crusade as an Institution, S. 71-87), weist auf die wechselnde Zielsetzung des Kreuzzugs zu Beginn hin und analysiert die innere Struktur der Kreuzfahrerheeres. Inhaltlich schließt sich daran die Analyse von Taxiarchis G. Kolias (Military Aspects of the Conquest of Constantinople by the Crusades, S. 123-128), an. Benjamin Z. Kedar (The Fourth Crusade's second front, S. 89-110), wirft einen Blick auf die Situation im Königreich Jerusalem und kann dabei eine Neubewertung der Auswirkungen dieses Kreuzzugs auf diese Region vornehmen. Immerhin flossen Teile der für den Kreuzzug gesammelten Gelder dorthin und wurden dort für den Wiederaufbau und die Verstärkung der im Erdbeben von 1202 stark zerstörten Befestigungsanlagen von Akkon und Tyrus verwendet. Gleichfalls fuhr ein Teil der Kreuzfahrer, die sich von den Zielen Venedigs und der Kreuzzugführer distanzierten, direkt nach Akkon. Kurzfristig gelang sogar eine Vergrößerung des Kreuzfahrerstaats.

Auf einen interessanten Aspekt weist Malcolm Barber (The Impact of the Fourth Crusade in the West, S. 325-334), hin. Die Umleitung des Kreuzzugs nach Konstantinopel verbunden mit der Eroberung der Stadt brauchte – schon wegen der dabei begangenen Verbrechen – eine Legitimation. Diese fand sie in den Reliquien, die nach Westeuropa gebracht wurden. Die Byzantiner, deren Christentum offen in Frage gestellt wurde, befand man nicht mehr als würdig, diese aufzubewahren. Umgekehrt ersetzte die Sicherung des Reliquienschatzes das eigentliche Ziel der Reise nach Jerusalem. Die theologische Komponente spielte zumindest bei der Legitimierung des Geschehens eine Schlüsselrolle, selbst wenn sie im konkreten Handeln der Beteiligten oftmals hinter wirtschaftlichen und politischen Interessen zurücktreten musste.

Mit der politischen, militärischen und ökonomischen Entwicklung in Konstantinopel im Anschluss an die Eroberung der Stadt, der Romania und den Gebieten, die zuvor dem Byzantinischen Reich unterstanden bzw. in Abhängigkeit gestanden hatten, mit Brüchen und Kontinuitäten beschäftigen sich eine Reihe weiterer Aufsätze: David Jacoby (The Economy of Latin Constantinople, 1204-1261, S. 195-214) beleuchtet die wirtschaftliche Situation nach 1204 und widerspricht der These vom Niedergang Konstantinopels als ökonomischem Zentrum. Die Stadt blieb ein Knotenpunkt im Ost-West-Handel, insbesondere eine Drehscheibe zwischen Schwarzem und Mittelmeer. Cécile Morrisson (L'ouverture des marchés après 1204: un aspect positif de la IVe croisade?, S. 215-232) zeigt, dass sich infolge des IV. Kreuzzugs der wirtschaftliche, aber auch der wissenschaftliche Austausch zwischen West und Ost intensivierte. Partizipiert haben davon auch die nördlichen Randprovinzen des byzantinischen Reichs, der Balkan und die Peloponnes. Am konkreten Beispiels Kretas, das nach 1204 zu einer venezianischen Kolonie wurde, zeichnet Charalambos Gasparis (The Period of Venetian Rule on Crete, S. 233-246) Brüche und Kontinuitäten gegenüber der alten byzantinischen Herrschaft auf. Dem schließt sich die Untersuchung von Marina Koumanoudi (The Latins in the Aegean after 1204, S. 247-267) an mit interessanten Aspekten für die Sicherung der venezianischen Vorherrschaft in der Agäis gegenüber dem alten Rivalen Genua und dem wiedererstarkenden (Nicänischen) Kaiserreich. Ljubomir Maksimović (La Serbie et les contrées voisines avant et après la IVe croisade, S. 269-282) beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Kreuzzugs auf Serbien und Sergej Karpow (The Black Sea Region, before and after the Fourth Crusade, S. 283-292) auf den Raum des Schwarzen Meers, wo wir die These von Morrison bestätigt finden, dass Venedig diesen Raum weder ökonomisch noch politisch durchdringen konnte. Die vielfältigen Ergebnisse dieser Beiträge relativieren eine Überbetonung des Ereignisses – der Einnahme Konstantinopels – als eines Wendepunkts der Geschichte dieses Raums. Nach der Rückeroberung Konstantinopels durch den byzantinischen Kaiser Michael VIII. Palaiologos (1261) konnte dieser daher relativ problemlos an die Vergangenheit anknüpfen, auch wenn sich die Rahmenbedingungen teilweise geändert hatten.

Im letzten Beitrag des Sammelbandes weist John Zizioulas (Efforts towards the Union of the Churches after the Fourth Crusade, S. 345-354) noch einmal darauf hin, dass der Kreuzzug vor allem ein religiöses Phänomen gewesen ist. Schisma und Kreuzzug stehen in einem engen Zusammenhang; die Frage einer wieder herzustellenden Union wurde damit zur Schlüsselfrage. Die Problematik, theologische Kontroversen und Streitpunkte politisch „lösen“ zu wollen, wie dies nach dem IV. Kreuzzug mehrfach versucht wurde, erwies sich indes im Rückblick als wenig fruchtbar – vorausgesetzt, die Rede von der Union war überhaupt ernst gemeint. Dies zeigt nachdrücklich der Beitrag von Ansgar Frenken (Wege zur Überwindung der Kirchenspaltung. Der Nachhall des „Schismas“ von 1054 und der Eroberung Konstantinopels 1204 auf den allgemeinen Konzilien des Spätmittelalters, S. 67-104) im zweiten hier zu besprechenden Sammelband. Die im Grunde fehlende Bereitschaft Innozenz’ III., die griechischen Riten zu akzeptieren (Alfred J. Andrea, Innocent III and the Byzantine Rite. 1198-1216, S. 111-122), zeigt die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gegner. Trotz seiner in Randfragen konzilianten Haltung war das Ziel des Papstes, die griechische Kirche in den Schoß der lateinischen wieder aufzunehmen, klar und unverrückbar. Dass diese Linie auf Widerstand der Griechen traf, kann nicht verwundern. Problematisch erwies sich aber auch, dass sich die Gewichte von Kaiser und Patriarch nach 1204 verschoben hatten, ohne dass dies in den späteren Unionsverhandlungen entsprechend berücksichtigt wurde. Das unerhörte Ereignis der Einnahme dieser uneinehmbaren Stadt, die Vertreibung des Kaisers führte zwar weniger zu gravierenden Umwälzungen im staatspolitisch-ideologischen Denken (vgl. die Beiträge von Dimiter Angelov, Byzantine Ideological Reactions to the Latin Conquest of Constantinople, S. 293-320, und Alkmini Stavridou-Zafraka, The Political Ideology of the State of Epiros, S. 311-323), in der Realität hatte sich aber das Kräfteverhältnis zuungunsten des Kaisers verschoben. Der Patriarch, dessen Einfluss weit über die Grenzen der stark zusammengeschmolzenen griechischen Herrschaft hinausging, wurde nun zum Inbegriff der Verteidiger der orthodoxen Einheit. Ohne seine Einbindung und die der die vielfach fragmentierten, begrenzten politischen Herrschaftsräume überschreitenden Orthodoxie in die Unionsverhandlungen mit dem Westen war ein möglicher Erfolg von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Der kirchlich-theologischen Perspektive fühlen sich – anders als dies für die Mehrzahl der in Urbs Capta abgedruckten Aufsätze gilt – die insgesamt zehn Beiträge des Bandes „Vom Schisma zu den Kreuzzügen: 1054-1204“ stärker verpflichtet. Von Georgij Avvakumow (Der Azymenstreit – Konflikte und Polemiken um eine Frage des Ritus, S. 9-26) und Peter Gemeinhardt (Der Filioque-Streit zwischen Ost und West, S. 105-132) werden zwei grundsätzliche Probleme, die Griechen und Lateiner in ihrem theologischen Verständnis trennten, genauer analysiert und die zunehmende Verhärtung, mit der die jeweilige gegnerische Position wahrgenommen wurde, gezeigt.3 Markante Schlüsselsituationen, die die wachsende Kluft zwischen Ost und West kennzeichnen, untersuchen Axel Bayer (Das sogenannte Schisma von 1054, S. 27-39) und Georg Gresser (Die Kreuzzugsidee Papst Urbans II. im Spiegel der Synoden von Piazenca und Clermont, S. 133-154). Bayer widerspricht, wie schon zuvor in seiner Dissertation,4 der verbreiteten Lehrmeinung, die dazu neigt, das Schisma von 1054 in seiner Bedeutung für den Dissens zwischen der griechischen und römischen Kirche überzubetonen. Gresser kann zeigen, dass die Idee eines Kreuzzugs zwischen den Synoden von Piacenza und Clermont einen wesentlichen Wandel erfahren hat. Trotzdem ist der „Kreuzzugsaufruf” Urbans II. alles andere als eine direkte Handlungsanweisung an diejenigen gewesen, die das Kreuz nahmen. Es bleibt zu fragen, was diese Veränderung hervorrief und warum der Aufruf Urbans ein solches Echo hervorrufen konnte.

Zwei weitere Beiträge beschäftigen sie mit dem Vorfeld der Eroberung Konstantinopels. Christian Lange (Zum Verhältnis zwischen Byzantinern und Kreuzfahrern zwischen 1095 und 1204, S. 179-204) untersucht dabei die lange Vorgeschichte, die keineswegs zwangsläufig in die spätere Katastrophe von 1204 hat münden müssen. Aber: „Spätestens mit dem Dritten Kreuzzug … waren die Grundlagen dafür gelegt, dass der Kreuzzug des Jahres 1204 zur Eroberung Konstantinopels führen konnte“ (S. 204). Insofern ist diese Studie ein Pendant zu dem von Angeliki Laiou verfassten Einleitungsaufsatz des oben vorgestellten Sammelbands. Peter Vrankić analysiert in seinem Beitrag ‚Innocenz III., der vierte Kreuzzug und die Eroberung Zadars’ (S. 235-271) ein Schlüsselereignis im unmittelbaren Vorfeld, das die spätere Eroberung der Kaiserstadt schon vorwegnimmt. Dem Papst, der das Kreuzzugsunternehmen als Kernstück seiner Politik betrachtete, war schon frühzeitig der entscheidende Einfluss und die Kontrolle über die Durchführung des Vorhabens entglitten. Indes akzeptierte er die Bedingungen Venedigs einschließlich der Eroberung Zadars, um nicht das ganze Unternehmen in Frage zu stellen.

Eine perspektivische Erweiterung erfährt die Beschäftigung mit den Kreuzzügen in den Beiträgen von Axel Havemann (Heiliger Kampf und Heiliger Krieg – Die Kreuzzüge aus muslimischer Perspektive, S. 155-177) und Peter Bruns (Die Kreuzzüge in syrisch-christlichen Quellen, S. 41-65), die die Wahrnehmung der Kreuzzüge aus der Sicht der Muslime bzw. der unter muslimischer Herrschaft lebenden Christen analysieren. Aus muslimischem Blickwinkel werden die Kreuzzüge weniger als Wendepunkt, sondern als eine weitere Etappe im Zusammenhang mit der Zurückdrängung des Islams in Spanien und auf Sizilien eingeordnet. Das Bedrohungspotenzial der nach Palästina kommenden Ritterheere wird gleichwohl relativiert, auch wenn die Gefahrensituation anders eingeschätzt wird als im Westen. Ziel blieb, die christlichen Eroberer zu besiegen und die besetzten Gebiete wieder der eigenen Herrschaft und Religion zurückzugewinnen. Der ‚Jihad’ als Heiliger Kampf diente der Mobilisierung der eigenen Kräfte für dieses Ziel. Der IV. Kreuzzug, gar der Fall Konstantinopels spielt in diesem Umfeld keine Rolle. Anders akzentuiert als im Westen oder in Byzanz fällt die Sicht der Kreuzzüge auch in syrochristlichen Quellen aus. Von Byzanz theologisch scharf getrennt, von den Franken (den Kreuzritterheeren) wenig erhoffend war für die syrischen Christen der alltägliche Umgang und die Probleme mit der muslimischen Oberherrschaft beherrschendes Thema. Bezeichnend wird die Eroberung Konstantinopels eher nüchtern und emotionslos geschildert.

Während im Athener Band in erster Linie renommierte Autoren, die sich seit Jahr(zehnt)en mit dem Kreuzzug beschäftigt haben, zu Wort kommen und neue Aspekte und Facetten in die Forschungsdiskussion einbringen, findet sich in dem Bamberger Band eine Reihe von jüngeren Autoren, die durch teilweise neue Fragestellungen auf die Lücken bisheriger Forschung hinweisen. Die Verklammerung politischer, sozialer und ökonomischer Aspekte mit theologischen Problemstellungen erweitert die Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten des Geschehens und ermöglicht, frühere Erklärungen einer kritischen Revision zu unterziehen. In beiden Publikationen werden damit Fragen aufgeworfen, die einer künftigen Erforschung des Ereignisses und seines weiteren Umfelds neue Impulse verleihen sollten. Mit Spannung darf man daher auf weitere Veröffentlichungen warten, die nicht zuletzt durch das Jubiläum stimuliert worden sind.

Anmerkungen:
1 Siehe die bibliografischen Angaben am Beginn. Ein zweiter Band, der die kunsthistorischen Beiträge des Kongresses zusammenfasst, ist angekündigt unter dem Titel ‚Byzantine Art in the Aftermath of the Fourth Crusade’, ed. Panayiotis Vocotopoulos.
2 Siehe die bibliografischen Angaben am Beginn.
3 Beide Beiträge stützen sich auf umfangreichere Studien, die vor kurzem vorgelegt wurden und deren Linien mit Blick auf die Ereignisse im Vorfeld des IV. Kreuzzuges fortgesetzt werden: Avvakumov, Georgij, Die Entstehung des Unionsgedankens. Die lateinische Theologie des Hochmittelalters in der Auseinandersetzung mit dem Ritus der Ostkirche, Berlin 2002; Gemeinhardt, Peter, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter, Berlin 2002.
4 Bayer, Axel, Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054, Köln 2002.

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