Cover
Titel
Die Nase Italiens. Federico da Montefeltro, Herzog von Urbino


Autor(en)
Roeck, Bernd; Tönnesmann, Andreas
Erschienen
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 24,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Barteleit, Gernsbach

Die Nase Italiens: Durch einen Turnierunfall im Jahr 1451 büßte Federico da Montefeltro (1422-1482) nicht nur das rechte Auge, sondern auch einen großen Teil seiner Nasenwurzel ein. Die naturalistische Darstellung des Heerführers in den späteren Porträts, insbesondere jenes von Piero della Francesca, machte sein Profil zu einem einzigartigen Erkennungsmerkmal. Die Geschichtsschreibung zum Thema Montefeltro und Urbino leidet bis auf den heutigen Tag an der Vernichtung eines großen Teils der urbinatischen Archivalien durch einen Florentiner Archivar zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ohne die umfangreichen Quellen gestaltet sich eine differenzierte Nachzeichnung der Person Federicos schwierig. Dennoch erfreuen sich Urbino und Federico da Montefeltro in jüngster Zeit zunehmend der Aufmerksamkeit deutschsprachiger Autoren.1

Die Herkunft Federicos ist alles andere als eindeutig. Von den unterschiedlichen Versionen scheint die glaubhafteste, dass Federico ein unehelicher Enkel des Herzogs Guidantonio da Montefeltro war, der durch päpstliche Bulle Martins V. 1424 zum unehelichen Sohn bestimmt wurde, um die Sukzession des Hauses Montefeltro zu sichern, da Guidantonio zu diesem Zeitpunkt noch keinen männlichen Erben hatte. Als dem Herzog jedoch in zweiter Ehe mit Oddantonio ein legitimer Nachfolger geboren wurde, rückte Federico in die zweite Reihe. Dass er dennoch die Wertschätzung seines Groß-Vaters besaß, zeigt sich daran, dass Guidantonio ihn 1433 als Geisel nach Venedig überstellte. Ein Jahr später kommt er nach Mantua, wo er im Gefolge der Gonzaga in den Genuss der humanistischen Bildung Vittorino da Feltres kam. Hier dürften die Wurzeln seiner humanistischen Aktivitäten in späteren Jahren zu suchen sein. Ob Federico in Venedig auch mit dem exilierten Cosimo de’ Medici und dessen Familie in Berührung kam, wird von Roeck und Tönnesmann nicht thematisiert, obwohl es nicht unwahrscheinlich ist. Zudem steht ein Kredit der Medici am Beginn der militärischen Karriere des jungen Grafen. Hier drängt sich eine Parallele zur frühen Förderung Francesco Sforzas durch die Medici auf, die ihre Bank durchaus zur Sicherung ihrer Position in Florenz einsetzten.2

Nach dem Tod Guidantonios im Jahr 1441 folgt ihm sein Sohn Oddantonio, der Stiefbruder Federicos, nach, der bald darauf vom Papst ebenfalls zum Herzog erhoben wird. Doch schon drei Jahre später wird Oddantonio im Zuge einer Revolte in Urbino getötet. Federico, der sehr wahrscheinlich in das Komplott involviert war, wird von der lokalen Elite als neuer Herrscher nach Urbino gerufen und übernimmt auch die Regentschaft. Zwar wird ihm vom Papst recht bald das Vikariat bestätigt, die Erhebung zum Herzog lässt aber ziemlich genau 30 Jahre auf sich warten, was Roeck und Tönnesmann durchaus plausibel mit der Verjährungsfrist mit dem Mord an Oddantio in Verbindung bringen. In Rom dürfte Federicos Beteiligung an dem Mord wohl geahnt worden sein. Als im Zusammenhang mit dem „Brudermord“ zu lesen, interpretieren Roeck und Tönnesmann auch Piero della Francescas „Geißelung Christi“. Durchaus überzeugend legen sie dar, dass die eigentlich alte, aber neuerdings aufgegebene Interpretation durchaus schlüssig belegt werden kann.

In den kommenden Jahren entwickelt sich Federicos Karriere als condottiere zunehmend positiv. Kennzeichnend hierfür ist eine enge Bindung an das Haus Anjou in Neapel und zu seinem Lehnsherrn, dem Papst. Im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten bleibt er, zumindest nach außen immer loyal. Federico wird vor allem nach dem Frieden von Lodi zu einer der wichtigsten militärischen Persönlichkeiten Italiens, die zudem noch ein gehöriges diplomatisches Gewicht besaß. Inhaltlich bestimmend ist für ihn die Sorge um die Sicherung der Herrschaft in Urbino, insbesondere gegenüber den legitimen Erben Oddantonios, den Stiefschwestern Federicos, die mit Alessandro Gonzaga in Mantua, Alessandro Sforza in Pesaro und Domenico Malatesta in Cesena verheiratet waren, sowie die Konkurrenz zu Sigismondo Malatesta, welche durchaus irrationale Züge annahm. Gerade Sigismondo Malatesta dient Roeck und Tönnesmann als eine Folie vor der der Aufstieg Federicos gezeichnet wird. Wohltuend ist, dass hier ein durchaus differenziertes Bild des Riminesen gezeichnet wird, obwohl es Federico mit Hilfe Papst Pius II. gelang, ein groteskes Zerrbild Malatestas in der Öffentlichkeit zu verankern.

Die Konkurrenz zu Sigismondo Malatesta beschränkt sich nicht nur auf das militärische Leben und die Vorherrschaft in der Romagna, auch in der Förderung des Humanismus tun sich beide hervor. Bei Federico steht der Ausbau Urbinos zur Residenzstadt im Mittelpunkt. Sichtbarster Ausdruck ist der Bau des Palazzo Ducale, der seit 1466 durch Federico vorangetrieben wird. Der Palast ist mit ca. 100 Zimmern einer der größten seiner Zeit gewesen. Aber nicht nur in der schieren Größe, sondern auch in der Ausgestaltung verrät er die Ambitionen Federicos auf die Herzogswürde, wenngleich er auch schon als Graf seine Standesinitialen FC (für Federicus Comes) massiv anbringen lässt. Nach 1474 wird dann FE.DUX (Federicus Dux) als Initiale verwendet.

In der Forschung umstritten ist, welchen Anteil Leon Battista Alberti am Bauentwurf hatte. Eine direkte Beteiligung Albertis scheint eher unwahrscheinlich (anders als beim Tempio Malatestiano des Rivalen in Rimini), so dass der Entwurf Luciano Lauranas als eigenständig gesehen werden kann. Auch wenn er sich offensichtlich dem Architekturtraktat Albertis verpflichtet fühlt, geht er doch mindestens in der Anlage der großen Treppe über dessen Forderungen hinaus. Der Palast, gleichwohl er ursprünglich über einen Zinnenkranz verfügte, strahlt nicht die trutzige, militärische Macht aus, wie dies bei den Bauten in Mailand oder Neapel der Fall ist, sondern zeigt sich in Maßen offen. Die Abfolge der Säle, mit ihrer abnehmenden Öffentlichkeit, vom Thronsaal durch das Schlafzimmer und die guardaroba ins studiolo, das mit seiner grandiosen Intarsienausschmückung wohl nicht zu Studienzwecken, sondern zur Repräsentation des Herzogs diente, atmet nicht die militärische Kraft Federicos, sondern die des princeps doctus. So verwundert es auch nicht, wenn sich die Selbstdarstellung des Montefeltro in der Kunst deutlich von der anderer condottieri, wie etwa Gattamelata oder Colleoni unterscheidet.

Die materielle Grundlage dieses Bauprogramms, dem sich noch der Aufbau einer umfangreichen Bibliothek zugesellt, sind die Einkünfte Federicos aus seiner Tätigkeit als capitano, die im Laufe des 15. Jahrhunderts ein Rekordniveau erreichten. Das Problem der fehlenden Quellen macht sich hier allerdings deutlich bemerkbar, ist doch nur in Einzelfällen nachvollziehbar, welche Summen tatsächlich eingegangen sind. Dass hier ein condottiere, der einen Rückhalt in Form eines eigenen Territoriums hat, deutliche Vorteile hat, wurde von der Forschung schon hervorgehoben. So muss die wirtschaftliche Verflechtung Federicos mit Urbino (und den zugehörigen Territorien) durchaus als wechselseitig gesehen werden. In wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten flossen Gelder in großer Zahl nach Urbino, aber in schwierigen Zeiten waren die Einnahmen aus dem Territorium die notwendige Bedingung um die eigenen Söldnertruppen zusammenhalten zu können.3 Am Rande sei angemerkt, dass der Wirtschaftshistoriker über die häufige Verwendung der Bezeichnung Montefeltro & Co. etwas irritiert ist, da im 15. Jahrhundert die Rechtsform der (Handels-)Gesellschaft deutlich ausgeprägt ist, und die wirtschaftliche Struktur der condottieri, und so auch Federico, nicht in diese Form hineinpassen.

Dass Roeck und Tönnesmann auf Fußnoten verzichten, muss kein Nachteil sein. Da sie jedoch gleichzeitig umfangreiche Zitate in ihren Text einbauen, wird dem interessierten Leser deren Überprüfung erschwert. Kritisch anzumerken bleibt, dass die Abbildungen, wiewohl gut ausgesucht, in ihrer Reproduktionsqualität zu wünschen übrig lassen. Dieses wird insbesondere bei der oben genannten Interpretation der Geißelung Christi spürbar.

Insgesamt bieten Roeck und Tönnesmann eine schlüssige Gesamtdarstellung Federico da Montefeltros, die sich auf der Höhe der Forschung bewegt und sehr gefällig zu lesen ist.

Anmerkungen:
1 Lauts, Jan; Herzner, Irmlind Luise, Federico da Montefeltro. Herzog von Urbino, Kriegsherr, Friedensfürst und Förderer der Künste, München 2001; Günter, Roland, Stadt-Kultur und frühe Hofkultur in der Renaissance. Federico Montefeltro von Urbino, Luciano Laurana, Francesco di Giorgio Martini. Zusammenhänge zwischen Politik und Ästhetik, Essen 2001.
2 Vgl. de Roover, Raymond, The Rise and Decline of the Medici Bank 1397-1494, Cambridge 1963, S. 59, 70f.
3 Hierzu immer noch aktuell: Mallett, Michael, Mercenaries and Their Masters. Warfare in Renaissance Italy, London 1974 sowie Blastenbrei, Peter, Die Sforza und ihr Heer. Studien zur Struktur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Söldnerwesens in der italienischen Frührenaissance, Heidelberg 1987.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension