J.-M. Lassère: Manuel d'épigraphie romaine

Cover
Titel
Manuel d'épigraphie romaine. Bd. 1: L'individu - la cité; Bd. 2: L'état - index


Autor(en)
Lassère, Jean-Marie
Reihe
Antiquité synthèses 8
Erschienen
Anzahl Seiten
Bd. 1: VIII, 560 S.; Bd. 2: S. 567-1167
Preis
€ 70,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Renate Lafer, Institut für Geschichte, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

In den letzten Jahren sind nach langer Zeit der Vernachlässigung wieder einige Publikationen zur Einführung in die lateinische Epigrafik oder Überblicksdarstellungen zu antiken Inschriften erschienen.1 Ein umfassendes Handbuch mit Einbeziehung des neuesten Forschungsstandes blieb bis jetzt allerdings ein Desiderat der Forschung. Im französischsprachigen Bereich existierte sogar seit der Veröffentlichung von Cagnats Cours d'épigraphie latine 2 keine aktuelle Publikation zu diesem Thema. Der vorliegenden Studie von Lassère kommt aber nicht nur aus diesem Grunde große Bedeutung zu, sondern auch deshalb, weil darin auf über 1.000 Seiten eine Vielzahl an Themenbereichen vorgestellt wird, welche mit ungefähr 500 zum Teil neueren Inschriftbeispielen und zahlreichen Appendices beleuchtet werden. Angesprochen werden mit diesem Handbuch neben dem fachkundigen Leser auch Studenten, für welche die Übersetzungen der Textbeispiele eine Hilfe darstellen sollen. Hierbei werden, wie es der Titel des Buches ankündigt, nicht nur lateinische Inschriften und ihre Interpretation im jeweiligen Kontext vorgestellt, sondern ebenfalls griechischsprachige Dokumente, insbesondere jene aus den östlichen Provinzen des Römischen Reiches.

Das Werk gliedert sich in drei große Bereiche: Anders als in den herkömmlichen Einführungen oder Handbüchern nimmt Lassère eine interessante Einteilung in die Großkapitel Individuum, Stadt und Staat vor, zu welchen er dann jeweils eine Untergliederung nach inhaltlichen Kriterien bzw. nach Inschriftkategorien trifft. Nach einer einführenden Besprechung von Definition, Geschichte und Methodik der Epigrafik folgt in einem der drei übergeordneten Kapitel mit der Bezeichnung "Individuum" zunächst die Beleuchtung onomastischer Fragen; betrachtet werden die Namen der römischen Bürger, Sklaven, Freigelassenen und Peregrinen. Mit großer Detailgenauigkeit wird bei jedem dieser Aspekte in zahllosen Unterabschnitten auf Einzelprobleme und Fragestellungen eingegangen. In einem zweiten Unterabschnitt, der den Privatinschriften gewidmet ist, unterscheidet Lassère nach den Kategorien Inschriften mit biografischem Charakter, Inschriften zur Beleuchtung des Privatlebens, Grabinschriften und Texte zu magischen Praktiken. Von besonderem Interesse sind hierbei nicht nur die gerade für Studenten speziell in diesem Großkapitel gegebenen Hintergrundinformationen zu sozialgeschichtlichen Aspekten, sondern ebenfalls zwei kleinere Kapitel, in denen die jüdische bzw. die christlichen Epigrafik angesprochen werden.

Der zweite große Bereich gilt der Stadt und ihrem Umland. In den Unterabschnitten, welche den städtische Institutionen, dem materiellen Aspekt der Städte sowie dem sozialen Leben gewidmet sind, werden erneut mit vielen Untergliederungen spezielle Einzelthemen erörtert. Darunter sind etwa die unterschiedlichen rechtlichen Stellungen der Städte, die Stadtgesetze sowie die einzelnen Magistrate und die entsprechenden Inschriften zu nennen. Demnach werden hier etwa Bauinschriften besprochen; es finden jedoch auch die vor allem in Nordafrika zahlreichen Mosaikinschriften zum ländlichen Leben sowie zur Unterhaltungskultur eine eingehende Erörterung. Lassère stellt darüber hinaus die aus den Inschriften zu Beruf, Handel oder Wirtschaft gewonnenen Informationen sowie die instrumenta domestica vor. Euergetischen Bekundungen einzelner Bürger sowie dem vor allem für die Städte wichtigen Vereinsleben und dem religiös-kultischen Bereich mit heidnischem und christlichem Hintergrund wird gleichfalls eine eingehende Diskussion gewidmet.

Vom Individuum und der Stadt führen die Ausführungen schließlich zum letzten Kapitel, dem Staat. Besprochen werden Bedeutung und Funktion der Magistrate und der römische cursus honorum sowie verschiedene Aspekte des Kaiserhauses. Anschließend folgen in einem zweiten Sektor Erörterungen zur Armee und in einem dritten Abschnitt entsprechend der Gliederung der ersten zwei Kapitel die Vorstellung der Präsenz des Staates in den verschiedenen Inschriftkategorien. Hier fehlt die Frage nach der Kaisertitulatur und nach der Divinisierung der Herrscher ebenso wenig wie eingehende Erörterungen zu den Legionen, den Auxiliareinheiten oder den Garnisonen Roms. Unter den Inschriftkategorien unterscheidet Lassère historische Inschriften, juridische Dokumente, religiöse Texte offizieller Natur, Inschriften zur Zeitrechnung, Grenzsteine sowie Zeugnisse zum Bau und zur Instandhaltung von Aquädukten.

Zahlreiche Appendices schließen das Werk ab. Man findet darunter ein Verzeichnis der fasti consulares mit einer Auflistung der Konsuln nach Jahren sowie in alphabetischer Anordnung der Gentilnamen und der Cognomina. Der zweite Anhang umfasst eine Liste zur Kaisertitulatur mit entsprechender chronologischer Einordnung. Ein dritter Appendix ist der alphabetischen Auflistung der ritterlichen Prokuraturen gewidmet, ein vierter einer Anführung der in administrativen Positionen aufscheinenden Titulaturen von Freigelassenen, ein fünfter einer Gegenüberstellung griechischer Ausdrücke und ihrer römischen Entsprechung, ein weiterer einem Abkürzungsverzeichnis in Auswahl und ein abschließender siebenter den wichtigsten römischen Maßeinheiten. Ein genereller Index, eine Liste der in der Studie zitierten Inschriften bzw. der Abbildungen und ein Inhaltsverzeichnis stehen am Ende der Studie.

Zusammenfassend lässt sich bemerken, dass sich dieses Handbuch durch eine interessante Gestaltung und Auswahl der Inschriftbeispiele auszeichnet. Auffällig ist, dass ein Großteil der präsentierten, übersetzten und kommentierten Inschriftbeispiele den nordafrikanischen Provinzen zuordenbar ist, was wohl auf die bisherigen Forschungsschwerpunkte Lassères zurückzuführen ist.3 Die wichtigsten Punkte zu den Einzelthemen werden jeweils kompakt zusammengefasst und mit zahlreichen Literaturangaben versehen. Leider führt die allzu starke Kapitelunterteilung 4 ein wenig zu Unübersichtlichkeit, weswegen es wohl besser gewesen wäre, die Themenbereiche in größere Einheiten zu gliedern. Gerade für Studenten wäre darüber hinaus auch eine zusammenfassende Literaturübersicht am Ende eines jeden Kapitels nützlich gewesen. Die im Anhang angeführten Listen sind hingegen von großer Hilfe, da sie das Nachblättern in einigen anderen Nachschlagewerken ersparen. Gesamt gesehen ist die vorliegende Publikation auf jeden Fall ein empfehlenswertes Handbuch.

Anmerkungen:
1 Hervorzuheben ist insbesondere die hervorragende Einführung von: Schmidt, Manfred G., Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 2004; daneben auch Bodel, J. (Hg.), Epigraphic evidence. Ancient history from inscriptions, London 2001 (mit der Einbeziehung lateinischer und griechischer Inschriften).
2 Cagnat, René, Cours d'épigraphie latine, Paris 1914 (ND Rom 1964).
3 Vgl. etwa zu seinen Publikationen folgende Aufsätze: Recherches sur la chronologie des épitaphes paiennes de l'Africa, in: Antiquités Africaines 7 (1973), S. 7-151; Rome et le "sous-développement" de l'Afrique, in: Revue des études anciennes 81 (1979), S. 67-104; Productions et exportations africaines. Les limites du témoignage de l'epigraphie lapidaire, in: Trousset, Pol (Hg.), L'Afrique du Nord antique et médiévale. Productions et exportations africaines. Actualités archéologiques. Colloque International sur l'Histoire et l'Archéologie de l'Afrique du Nord (Pau, octobre 1993), Paris 1995, S. 39-44; Les vétérans de Chemtou (Tunisie), in: Antiquités Africaines 33 (1997), S. 115-118.
4 Eine solche "Zergliederung" ist auch daraus ersichtlich, dass das Inhaltsverzeichnis immerhin zwölf Seiten umfasst.

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