Cover
Titel
50 Jahre Abendschau.


Autor(en)
Schmied, Barbara
Reihe
Forum Kommunikation und Medien 3
Erschienen
München 2004: Martin Meidenbauer
Anzahl Seiten
VI, 280 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Antje Eichler, München

Die „Abendschau“ des Bayerischen Rundfunks (BR) ist die älteste regionale Informationssendung im deutschen Fernsehen. Sie gehört zu den wenigen Sendungen, die seit den Anfängen des Fernsehens in Deutschland ohne Unterbrechung existieren – freilich nicht ohne sich dabei inhaltlich und strukturell verändert zu haben. Am 8. November 2004 feierte die „Abendschau“ ihr 50-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass hat Barbara Schmied nun den Versuch unternommen, erstmals die gesamte Entwicklungsgeschichte der Sendung aufzuarbeiten. Die Studie entstand im Rahmen ihrer Magisterarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung in München bei Professor Heinz-Werner Stuiber.

Barbara Schmied gibt zunächst einen allgemeinen Überblick über fünf Jahrzehnte Fernsehen in der Bundesrepublik. Die Ausführungen beziehen sich auf einige wenige Standardwerke von Hans Bausch, Ansgar Diller, Konrad Dussel und Knut Hickethier. Genauere Informationen, etwa zu den Regionalprogrammen anderer ARD-Anstalten, die für das Verständnis der hier vorliegenden Studie hilfreich gewesen wären, liefert die Autorin nicht. Das Kapitel stellt somit kaum einen Bezug zur „Abendschau“ her. Auch die sich daran anschließenden Ausführungen zu einzelnen Sendungen des Bayerischen Fernsehens stehen in keinem direkten Zusammenhang mit dem Untersuchungsobjekt. Erst der Abschnitt über den „bayerischen Programmauftrag“ (S. 34ff.) ist grundlegend für die spätere Analyse. Indem Barbara Schmied den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag auf einen „bayerischen“ – den es so nicht gibt – verkürzt, genügt es ihr später zu untersuchen, ob die Themen in der „Abendschau“ einen Bezug zu Bayern aufweisen oder ob die Sprache der Autoren entsprechend gefärbt war. Daneben möchte sie herausfinden, wie sich die Sendestruktur, die Präsentationsform sowie Konzeption und Zielsetzung der Sendung verändert haben.

Die Untersuchung stützt sich in weiten Teilen auf Interviews mit den ehemaligen Leitern der „Abendschau“, einige wenige Dokumente aus dem Historischen Archiv des Bayerischen Rundfunks und vier Studien, die nur einen kleinen Ausschnitt der Sendung behandeln. Keine der Quellen wird näher beschrieben oder kritisch begutachtet. Zur Untersuchung der 1990er-Jahre wertet die Autorin mittels einer methodisch einwandfreien quantitativen Inhaltsanalyse zusätzlich Filmmaterial aus. Aus der Zeit vorher waren keine Aufzeichnungen mehr auffindbar (vgl. S. 4).

Die Ergebnisse der Untersuchung listet Barbara Schmied chronologisch auf, unterteilt in sieben Abschnitte, die sie jeweils mit einer Namens- oder Programmänderung beginnen lässt. Die vielen Unterpunkte führen allerdings zu häufigen Wiederholungen, Zitate aus einem Abschnitt finden sich teilweise wortwörtlich im nächsten Abschnitt wieder. Eine Unterteilung der Geschichte der „Abendschau“ in nur drei Phasen wäre übersichtlicher und verständlicher gewesen (zum Beispiel: I. provisorische und experimentelle Anfänge, II. Ausbau und Kommerzialisierung, III. Ausstrahlung im Dritten Programm). So aber wird sieben Mal die ohnehin voraussagbare Erkenntnis wiederholt, dass die „Abendschau“ ihre Zielsetzung erfüllt habe, ein tagesaktuelles Informationsmagazin für Bayern zu sein, das über alle Bereiche und Belange des bayerischen Lebens berichten soll – nachgewiesen etwa am beinahe 100-prozentigen Bayernbezug der gesendeten Beiträge und der entsprechenden Sprachfärbung.

Dazwischen werden auch Aspekte angesprochen, die aufhorchen lassen, dann aber leider nicht genauer beschrieben oder hinterfragt werden: Gerne hätte man zum Beispiel mehr über die Nachrichtensprecher der Süddeutschen Zeitung in der „Abendschau“ der 1950er-Jahre gewusst, den genauen Hintergrund der häufigen Außenübertragungen zwischen 1991 und 1997 erfahren oder die hitzige Debatte um das Splitting in eine Süd- und eine Nord-(=Franken-)Ausgabe im Jahr 1994 von verschiedenen Seiten geschildert bekommen. Bestimmte, in der Öffentlichkeit zum Teil aufmerksam verfolgte Vorfälle bei der „Abendschau“ bleiben allerdings ebenso unerwähnt wie biografische Notizen zu den befragten ehemaligen Leitern.

Die Schlagzeilen setzten Anfang der 1970er-Jahre ein, als auf den liberalen Intendanten Christian Wallenreiter der CSU-Mann Reinhold Vöth folgte. Dieser schickte sich nach fast mit Zweidrittelmehrheit gewonnener Landtagswahl der CSU im Jahr 1974 an, den Bayerischen Rundfunk stramm nach der Regierungspartei auszurichten.1 Leiter der „Bayern-Informationen“ und somit zuständig für die „Abendschau“ wurde Franz Schönhuber, der sich in kurzer Zeit vom Förderer der SPD-Linken in München zum Bewunderer von Franz Josef Strauß gewandelt hatte und später die Republikaner gründete.2 Der langjährige Leiter der „Abendschau“, Heinz Burghart, der schon länger auf einen höheren Posten im Politik-Bereich gewartet hatte, bekam im Jahr 1979 die Kultur zugeteilt – er hatte kein Parteibuch.3

Berichte von politischer Einflussnahme auf die Sendung häuften sich. So soll der Fernsehchef des Bayerischen Rundfunks, Rudolf Mühlfenzl, im Jahr 1980 angeordnet haben, den damals frisch gebackenen Oscarpreisträger Volker Schlöndorff im Interview in der „Abendschau“ nicht zu seinem aktuellen Film über Franz Josef Strauß zu befragen. Als Schlöndorff von sich aus das Thema ansprach, wich die Moderatorin aus.4 Ein Jahr später verhinderte der Leiter der Landespolitik, Dieter Kiehl, den Auftritt von Udo Lindenberg in der „Abendschau“, weil ihm dessen gesellschaftskritisches Lied „Straßenfieber“ missfiel. Chefredakteur Rudolf Mühlfenzl rechtfertigte die Maßnahme mit der Begründung, zu dem Song hätte man Fragen stellen müssen, was aber im Rahmen der Sendung nicht vorgesehen war.5 Am häufigsten in die Schlagzeilen geriet die „Abendschau“ unter der Leitung von Ekkehard Mayr-Bülow. Ihm wurde vorgeworfen, Werbefilme von bayerischen Autofirmen ungekennzeichnet als eigene Beiträge gesendet und dafür im Gegenzug teure Wagen umsonst bekommen zu haben.6

All diese Vorfälle bleiben unerwähnt. Um aber „die Geschichte der ‚Abendschau’ [...] so genau wie möglich zu analysieren“ (so das Vorwort zum Buch), sind auch solche personellen und politischen Auffälligkeiten mit einzubeziehen, die auf grundsätzliche Probleme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk deuten. Die Untersuchung ignoriert allerdings nicht nur Fehltritte von Mitarbeitern, sondern lässt Autoren, Moderatoren und Redakteure überhaupt außen vor. Das erstaunt umso mehr, als die Studie „den Machern der ‚Abendschau’“ gewidmet ist.

Die Mängel, die das Buch aufweist, wären zum Teil zu vermeiden gewesen, hätte Barbara Schmied sich nicht die im Rahmen einer Magisterarbeit kaum zu bewältigende Aufgabe vorgenommen, 50 Jahre einer Sendung zu untersuchen, sondern statt dessen einzelne Ereignisse in der Geschichte der „Abendschau“ beleuchtet oder spezifische Fragestellungen verfolgt. So aber bleibt die Studie an der Oberfläche. Interessante Aspekte wie den der politischen Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk klammert sie aus und gelangt stattdessen lediglich zu der naheliegenden Erkenntnis, dass eine regionale Sendung über regionale Themen berichtet.

Anmerkung:
1 Vgl.: Tränkner, Ludwig M., Bayerischer Rundfunk: „Recht auf Irrtum“. Änderungen im Regionalprogramm stoßen bei den Redakteuren auf Ablehnung, in: Die Zeit, 14.2.1975.
2 Vgl.: Ebd.
3 Zacharias, Carna, TV-Kultur soll eine Handschrift haben. AZ-Gespräch mit Heinz Burghart, der das „Abendschau“-Feuilleton übernimmt, in: Abendzeitung, 24.7.1979.
4 Vgl. u.a.: o.A., Fall von Vorzensur? FDP kritisiert angebliche Mühlfenzl-Anweisung, in: Donaukurier, 23.4.1980; o.A., Vorzensur beim BR? FDP: Redeverbot für Schlöndorff, in: Münchner Merkur, 23.4.1980.
5 Vgl. u.a.: o.A., BR-Streit um Udo Lindenberg, in Nürnberger Zeitung, 3.4.1981; o.A., Ein Maulkorb für Panik-Udo. „Straßenfieber“ mißfällt BR-Redakteur, in: Abendzeitung, 3.4.1981.
6 Vgl. u.a.: Bitala, Michael, „Keinen Hinweis auf Verstöße“. BR-Intendant Scharf über den Fall Ekkehard Mayr-Bülow, in: Süddeutsche Zeitung, 17.10.1997; Gorkow, Alexander, BR überarbeitet seine Streitkultur. In Zukunft soll alles besser werden: Peter Althammer ist der Nachfolger von Mayr-Bülow, in: Süddeutsche Zeitung, 10.10.1997.

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