H. Diener u.a. (Hgg.): Repertorium Germanicum V: Eugen IV.

Titel
Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern und Kameralakten vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien vom Beginn des Schismas bis zur Reformation, Bd. V: Eugen IV. (1431-1447). 1. Teil: Text in 3 Teilbänden; 2. Teil: Indices in 3 Teilbänden


Herausgeber
Diener, Hermann; Schwarz, Brigide
Erschienen
Tübingen 2004: Max Niemeyer Verlag
Anzahl Seiten
CXLIV+1677 S.; XXX+1712 S.
Preis
€ 190,00; € 182,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Bardelle, Deutsches Historisches Institut Rom

Der lang ersehnte und erwartete 5. Band dieses grundlegenden Findmittels zur Erforschung der spätmittelalterlichen Kirchen- und Regionalgeschichte des Deutschen Reichs ist nicht einfach ein neuer Band innerhalb der bisher neunbändigen und bis Paul II. reichenden Reihe, sondern in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit und Wegmarke in der Geschichte des Repertoriums insgesamt. Er schließt endlich die Lücke in der Aufarbeitung der vatikanischen Quellen, die nach derzeitigem Stand der Bearbeitung des Bandes zu Sixtus IV. bis ins das Jahr 1478 gediehen ist und damit nun einhundert Jahre spätmittelalterlicher Beziehungen zwischen Kurie und Ortskirche zugänglich macht. Deshalb soll an dieser Stelle nicht nur der neue Band für den Pontifikat Eugens IV. (1431-1447) besprochen, sondern auch die Bedeutung und Entwicklung dieses Forschungsprojekts insgesamt in Erinnerung gerufen werden.

Der erste Bearbeiter des Repertoriums, Robert Arnold, hatte bereits 1897 mit einer Equipe einen Probeband zum ersten Pontifikatsjahr Eugens IV. nach der Böhmerschen Regestierungsmethode herausgebracht, doch die Bearbeitung galt als zu aufwändig und wurde daher mitsamt dem Pontifikat fallen gelassen. Erst Hermann Diener nahm 1958 mit neuer Regestierungstechnik die Arbeiten wieder auf und beschäftigte unter seiner Ägide zahlreiche Hilfskräfte, die die Quellenerschließung auf sehr unterschiedlichem Niveau voranbrachten. Dieners Aufstieg zum stellvertretenden Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom 1976, die chronischen Probleme bei der Erstellung der Indices, die ersten Erfahrungen mit dem Einsatz der EDV bei der Erschließung und Verarbeitung der Daten sowie der frühzeitige Tod Dieners 1988 ließen die mannigfachen Anstrengungen unvollendet zurück. Erst der energische Einsatz von Brigide Schwarz und später Christoph Schöner brachte dieses ‚Jahrhundertwerk’ nunmehr zu einem glücklichen Ende. Ihnen gelang nicht nur weitgehend eine inhaltliche und redaktionelle Vereinheitlichung der zahlreichen Vorarbeiten, sie verfeinerten darüber hinaus die Instrumentarien der Erschließung weiter.

Allein der Umfang des 5. Bandes (6 Bände mit je 3 Teilbänden Text bzw. Indices) zeigt auf, dass hier Schwerstarbeit geleistet wurde, was einerseits am Umfang des Quellenmaterials angesichts eines sechszehnjährigen Pontifikats, andererseits an der feinanalytischen Durchdringung der Registereinträge mit Hilfe der immer detaillierter werdenden Indices liegt. Erstmalig sind wieder Identifizierungen von Orts- und Personennamen vorgenommen worden, da Arnold hier schon weitgehende Vorarbeiten geleistet hatte und die zeitlich benachbarten Bände bereits vorlagen. Schwarz unternahm es auch, den wichtigsten Ereignissen der Zeit (Basler Konzil, Reichstage von Frankfurt, Mainz und Nürnberg, Kaiserkrönung Sigismunds) und deren Protagonisten auch über die territorialen Bezugsgrenzen des Repertoriums hinaus eigene Lemmata in den Indices zu widmen. Der geografische Rahmen ist von ihr vor allem im frankophonen Bereich aus praktischen und historischen Gründen etwas weiter als üblich gezogen worden. Man kann somit im Textteil Eintragungen zu insgesamt 9.570 Petenten (Personen, Kirchen, Orte) abfragen und deren Begehren gegenüber dem Papst und ihren Erfolg an der Kurie ablesen. ‚Ablesen’ ist jedoch vielleicht ein etwas zweifelhafter Begriff in diesem Zusammenhang, denn die stark abgekürzten und in lateinisch verfassten Kurzregesten sind nicht so einfach zu erschließen und stehen deshalb immer wieder in der Kritik von Fachkollegen und Studenten. Es bedarf der genauen Lektüre der Einführung zu den jeweiligen Bänden (im hiesigen Fall der hilfreichen Quellenübersicht von Christiane Schuchard!), die generell als Einstieg in die im Vatikanischen Archiv vorhandene Überlieferung zu den jeweiligen Pontifikaten lesenswert sind, und des Gebrauchs des Abkürzungsverzeichnisses (am besten als Kopie neben den Eintrag gelegt), um den Sinn der einzelnen Regesten wirklich erschließen zu können. Es gibt natürlich gute Gründe für diese Art von Regesten: Einerseits lässt sich die Masse des in den seriellen Kanzlei- und Kammerbeständen der Kurie vorhandenen Quellenmaterials kaum anders vernünftig bearbeiten. Andererseits halten sich die Bearbeiter so eng wie möglich an die vorgegebene Struktur des Registereintrags und das Formular der jeweiligen Behörde, um – im Sinne eines Findmittels – möglichst wenig eigene Interpretation der Quelle vorzunehmen. Die Regesten können und sollen nicht die qualitative Auswertung und Interpretation der betreffenden Einträge selbst ersetzen. Doch jeder, der Zugang zu diesem Archiv erhalten hat und nach Informationen zu bestimmten Klerikern oder kirchlichen Institutionen außerhalb des Bearbeitungszeitraums des Repertoriums gesucht hat, weiß, wie wichtig und hilfreich eine solche erste Orientierung bereits sein kann.

Eine weitere Hilfe können auch die immer vielfältiger und detaillierter werdenden Indices liefern. Mittlerweile gibt es zehn unterschiedliche Möglichkeiten der Recherche (Vornamen, Zunamen, Orte und sonstige geografische Bezeichnungen, Exekutoren und Mandatsempfänger (neu!), Patrozinien und Bezeichnungen von kirchlichen Einrichtungen, Orden und sonstige religiöse Gemeinschaften, Wörter und Sachen, Daten der Registereinträge, sonstige Kalenderdaten, Fundstellen). Die Indizierung der in den Texten vorkommenden Wörter und Sachen nach kirchenrechtlich relevanten Kriterien (z.B. bei den unterschiedlichen Formen von Expektativen) und die Verweise zwischen den Einträgen wurden stark ausgeweitet. Schließlich sind noch Angaben wie außergewöhnliche Bescheide des Papstes zu Suppliken oder bereits vorliegende Editionen bzw. Regestenwerke regelmäßig neu mit aufgenommen worden. Diese Erweiterung der Instrumentarien für eine qualitative Auswertung der Regesten geht allerdings z.T. zu Lasten der Übersichtlichkeit der Indices und der Möglichkeiten einer statistischen Auswertung, für die das Repertorium auch genutzt werden kann und wird.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, an welches Publikum man sich mit diesem Findmittel richten möchte. Neben den traditionellen Ansprechpartnern in der Orts-, Regional- und Landesgeschichte, die hier die Gegenüberlieferung zu den Archivbeständen vor Ort finden können, kommen auch die Kultur- und Kunsthistoriker auf ihre Kosten, wenn es z.B. um die Beschreibung des Bauzustands von kirchlichen Gebäuden im Rahmen von Ablassgewährungen geht, oder die Alltags- und Mentalitätsgeschichtler im Rahmen der meist ausführlichen Vorgeschichten bei der Entziehung von Pfründen bzw. Absolution von kirchenrechtlich relevanten Vergehen. Eine zentrale und mittlerweile auch nicht mehr unbekannte Bedeutung hat dieses Findmittel zur genaueren Rekonstruktion der Karrieren von Klerikern mit Hilfe der Kurie und zur Verflechtung bestimmter Personengruppen über die Kurie oder landsmannschaftliche Vereinigungen vor Ort, zu der Schwarz selbst die wesentlichen Forschungsergebnisse vorgelegt hat. Neben materiellem Besitz stehen universitäre Abschlüsse und die Beziehung zum Papst im Mittelpunkt des Interesses und werden in den Regesten detailliert aufgelistet. Diese Personen der zweiten oder dritten Reihe bilden den wichtigen Transmissionsriemen zwischen den Wünschen weltlicher und geistlicher Fürsten im Reich und der kurialen Verwaltung bzw. ihrer Nuntien, Gesandten, Kommissaren, Kollektoren etc. Die Begehrlichkeiten im Kampf um eine Pfründe sowie deren Schätzwerte geben einen Eindruck von ihrer ökonomischen Bedeutung, auch am meist fernen päpstlichen Hof. Brigide Schwarz gibt in ihrer Einführung einen Hinweis auf eine für die Reichsgeschichte relevante Beobachtung bei der Zusammenstellung ihrer Daten: der Bruch Eugens IV. mit dem Basler Konzil 1438/39 führt mit Ausnahme des papsttreu gebliebenen Nordwestens zu einem fast völligen Niedergang der Nachfrage von Petenten aus dem Reich. Im Gegensatz dazu steht der Kaiserzug Sigismunds 1433 mit seiner ungewöhnlichen Hausse an Privilegien und Pfründen für den Kaiser und seinen Hofstaat, alles bequem unter einem Lemma vereint.

So sollte man mit einer klaren Frage vor Augen, die Auseinandersetzung mit diesem Regestenwerk nicht scheuen. Die Mühe lohnt sich, erst recht für Band 5!

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