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Titel
Export um jeden Preis. Die deutsche Exportförderung von 1932-1938


Autor(en)
Ebi, Michael
Reihe
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte - Beih. 174,II
Erschienen
Stuttgart 2004: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
268 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ralf Ahrens, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik stand bereits 1933 vor einem grundlegenden außenwirtschaftlichen Problem, das sich in den folgenden Jahren weiter auswachsen sollte. Der konjunkturelle Aufschwung und die beginnende Aufrüstung verlangten nach wachsenden Importen, die mit Devisen bezahlt werden mussten. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise hatte jedoch ein massiver Abzug ausländischer Gelder eingesetzt, den auch die 1931 eingeführte Devisenbewirtschaftung nicht zum Stillstand bringen konnte. Eine Stärkung der Devisenbilanz durch Importreduzierung hätte nicht nur die konjunkturelle Erholung verlangsamt und dadurch die Glaubwürdigkeit der nationalsozialistischen Regierung in der Bevölkerung in Frage gestellt, sie stieß auch in einer hochgradig industrialisierten und entsprechend außenhandelsabhängigen Volkswirtschaft trotz aller autarkiepolitischen Bemühungen an Grenzen. Die Steigerung der deutschen Ausfuhrerlöse hatte deshalb eine zentrale gesamtwirtschaftliche und zugleich eine eminent politische Bedeutung.

Einzelne Aspekte der politischen Reaktionen tauchen zwar in der Literatur immer wieder auf, doch eine umfassende Darstellung für die Zeit bis zur sukzessiven Ausweitung des nationalsozialistischen Herrschaftsgebiets seit 1938, die der deutschen Wirtschaft schließlich den direkten Zugriff auf die Ressourcen anderer Länder eröffnete, fehlte bislang. Michael Ebis Dissertation hat es nun endlich unternommenen, die komplizierte und nicht gerade unterhaltsame Materie der Exportregulierung und -stimulierung im Zusammenhang darzulegen. Darüber hinaus fragt die Studie nach der Wirkung dieser Politik auf die betroffenen Unternehmen und damit zumindest indirekt auch auf die deutsche Volkswirtschaft, da eine Beseitigung der Devisenknappheit letztlich nur über eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit exportierender Unternehmen möglich war.

Die entsprechenden Fördermaßnahmen begannen nicht erst unter nationalsozialistischer Regie, sondern im Sommer 1932. Deutsche Exporteure, die zu Preisen unterhalb ihrer Kosten exportierten, erhielten im „Auslandsbondsverfahren“ die Möglichkeit, für ihre Devisenerlöse im Ausland deutsche Wertpapiere in ausländischer Währung aufzukaufen, die dort wegen der beschränkten deutschen Devisenausfuhr mit Abschlägen gehandelt wurden. Diese konnten sie zu einem höheren Kurs im Inland weiterveräußern und dadurch ihren Verlust aus dem Warenexport ausgleichen. Die Exportsubventionierung und die Reduzierung der deutschen Verschuldung in ausländischen Währungen sollten also gekoppelt, die Kosten auf die ausländischen Gläubiger abgewälzt werden. Auf einen ähnlichen Effekt zielten die 1933 ausgeweitete Möglichkeit, Register- und Sperrmark-Guthaben ausländischer Gläubiger in Deutschland zur Bezahlung deutscher Exporte zu benutzen, und der Einsatz von „Skrips“ – zinslosen Schuldscheinen auf die Zinsansprüche ausländischer Gläubiger, die zum halben Preis an das Reich zurückverkauft werden konnten – für den Verlustausgleich deutscher Exporteure.

Diese transaktionskostenträchtigen Maßnahmen verhinderten jedoch nicht, dass der deutsche Export zwischen 1932 und 1934 massiv Weltmarktanteile verlor. Das Ausfuhrvolumen sank entgegen dem internationalen Trend, was nicht nur durch Nachfrageverschiebungen, wechselseitigen Protektionismus und den Boykott deutscher Waren, sondern auch durch mangelnde Anreizfunktionen der Fördermaßnahmen zu erklären war. Die „liberale“ Lösung des Problems, eine offene Abwertung der Reichsmark, scheiterte vor allem an Reichsbankpräsident Schacht, der mit dem „Neuen Plan“ von 1934 einen Primat der Importkontrolle und der weiteren Bilateralisierung des Außenhandels zur Verhinderung von Devisenlücken etablierte. Die von Ebi ausführlich referierten Verhandlungen über Devisentransferregelungen mit den Gläubigerländern führten gleichzeitig dazu, dass eine Abwälzung der Exportsubventionierung auf ausländische Gläubiger an immer engere Grenzen stieß. Stattdessen ging man zur pauschalen Subventionierung nicht wettbewerbsfähiger Exporte über, die mittels der 1935 eingeführten „Ausfuhrförderumlage“ von der deutschen Industrie selbst finanziert werden sollte. Diese Methode förderte zwar den Export und verringerte auch die Möglichkeiten zur schlichten Mitnahme von Subventionen. Da die Umlage nicht auf die Inlandspreise abgewälzt werden durfte, schlug sie aber unmittelbar auf die Gewinne der gesamten Industrie durch und gefährdete deren Neuinvestitionen. Dies stieß auf den Protest der Unternehmen, während der Importbedarf für die Aufrüstung und damit auch die für die Exportförderung benötigten Summen weiter zunahmen. Letztlich blieb, wie in der Rüstungsfinanzierung, nur der Rückgriff auf den Staatshaushalt beziehungsweise die indirekte Verschuldung des Staates bei den Exporteuren über nicht eingelöste Reichsschatzwechsel. Die verschiedenen Ansätze der Exportförderung versuchten, ganz wie die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik insgesamt, die politisch forcierte Überdehnung der ökonomischen Ressourcen durch kurzfristige Eingriffe zu kaschieren.

Definitiv gescheitert waren diese Ansätze am Vorabend der nationalsozialistischen Expansion ins Ausland. Trotz einer massiven Zunahme der Subventionierung – Ausfuhrgeschäfte im Wert von 4 Milliarden Reichsmark wurden 1938 mit 1,5 Milliarden Reichsmark subventioniert – verschärfte sich das deutsche Devisenproblem drastisch. Bis Anfang 1938 war die deutsche Devisenreserve, die 1932 noch etwa 900 Millionen Reichsmark betragen hatte, auf 76 Millionen Reichsmark zurückgegangen. Eine Kürzung der Einfuhr unverzichtbarer Rohstoffe stand auf dem Plan des Reichswirtschaftsministeriums, als mit dem „Anschluss“ der wesentlich kleineren österreichischen Volkswirtschaft schlagartig ein fast fünfmal so hohes Devisenreservoir zur Verfügung stand. Eine „Lösung“ des deutschen Devisenproblems war gefunden, die in den folgenden Jahren auf die Ressourcen der besetzten Länder Europas ausgedehnt wurde.

Was Ebis Studie neben der detaillierten, durch Modellbeispiele nachvollziehbar gemachten Darstellung der verschiedenen Fördermaßnahmen und ihrer Probleme auszeichnet, ist die sorgsame Abwägung der potenziellen Ursachen des Scheiterns der Förderungspolitik. Dazu tragen auch zahlreiche Beispiele aus den betroffenen Unternehmen und Branchen bei. Zu den interessanten, aber leider kaum erklärten Ergebnissen gehört, dass diese in sehr unterschiedlichem Maße durch die Umlagen belastet wurden. Hier hätte man sich weitere Überlegungen über die politische Verhandlungsmacht größerer oder kleinerer Unternehmen gewünscht, die nur kurz angerissen wird. Gelegenheit zur Analyse der Machtverhältnisse im polykratischen Herrschaftsapparat des NS-Regimes hätten ebenso die Verhandlungen zwischen den politischen Instanzen über die Gestaltung der Fördermaßnahmen geboten, die weitgehend referiert werden. Ausführlicher hätte man sich mitunter auch die Einbettung in die allgemeine Wirtschaftspolitik und ihre machtpolitischen Hintergründe gewünscht. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht, dass Dietmar Petzinas klassische Studie zum Vierjahresplan nicht im Literaturverzeichnis auftaucht und die Beiträge Hans-Erich Volkmanns zum Zusammenhang von Außenwirtschaft und Kriegsvorbereitung nur peripher gestreift werden. Das verwundert auch deshalb, weil Ebi selbst zu dem prägnanten Schluss gelangt, dass dem NS-Regime nach dem Scheitern der Exportförderung und der annähernden Aufzehrung der Devisenreserven „nur noch der Raub und in letzter Konsequenz der Krieg“ blieben (S. 243). Ebis im doppelten Sinne „ökonomische“ Herangehensweise geht also zu Lasten der politikhistorischen Kontextualisierung, die vielleicht auch zu einer übersichtlicheren Darstellung der diversen Verhandlungen um Lösungsversuche des Exportproblems hätte beitragen können. Sein Zugang hat aber den unbestreitbaren Vorzug, kompakt, präzise und methodisch reflektiert über die Regulierung eines zentralen wirtschaftspolitischen Feldes und die wirtschaftlichen Auswirkungen zu informieren.

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