R. Grünewald: Medienordnung und Bundesstaat

Cover
Titel
Medienordnung und Bundesstaat. Zur Medienpolitik der CDU in der Konstituierungsphase der Bundesrepublik Deutschland 1949-1969


Autor(en)
Grünewald, Robert
Erschienen
Berlin 2005: Vistas Verlag
Anzahl Seiten
340 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Bösch, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Das bundesdeutsche Mediensystem wurde maßgeblich durch die Alliierten geprägt. Die Ausgestaltung dieser Vorgaben wurde jedoch in den folgenden Jahrzehnten zwischen Regierung, Opposition, Verfassungsgericht und Öffentlichkeit immer wieder neu verhandelt. Bemerkenswert erscheint, wie wenig Erfolg die ersten christdemokratischen Regierungen dabei hatten. Während sie in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein hohes Gestaltungspotential besaßen und insbesondere Adenauer durch seine informelle Öffentlichkeitsarbeit reüssierte, zeichnete sich die christdemokratische Medienpolitik durch ein vielfältiges Scheitern aus. Erinnert sei etwa an die fehlgeschlagene Einrichtung eines Informationsministeriums, die abgeblockte Zentralisierung des Rundfunks, an das Scheitern eines regierungsnahen zweiten Programms oder an die Spiegel-Affäre.

Eine Analyse der christdemokratischen Medienpolitik verspricht somit spannende Einsichten in Auseinandersetzungen, die die Grundstrukturen der Öffentlichkeit prägten. Bislang liegen vor allem zum berühmten „Fernsehstreit“ neuere Arbeiten vor, aber eine quellengestützte Monografie stand noch aus.1 Die grundlegenden älteren Studien zur Rundfunk- und Pressepolitik, wie die von Hans Bausch und Heinz-Dietrich Fischer, zeigen zwar Grundlinien auf, hatten aber noch keinen Archivzugang zu den Regierungsakten.2 Insofern betritt die kommunikationswissenschaftliche Dissertation von Robert Grünewald, die sich fast durchweg auf ein breites Korpus von Regierungs-, Ausschuss- und Parteiakten stützt, ein gut vorbereitetes, aber neues Feld.

Um es vorweg zu sagen: Die Erwartungen, die ein Historiker an einen derartigen Titel stellen mag, löst die Studie trotz ihrer breiten Quellenbasis nicht ein. Das mag im hohen Maße mit ihrer Fragestellung zusammenhängen. Grünewald setzt sich zum Ziel, die medienpolitischen Ordnungsansätze der CDU zu analysieren und deren Bedeutung für die Stärkung des Bundesstaates zu bewerten. Im Kern geht es ihm durchweg nur um die Frage, ob die Bundes-CDU und die Regierungen zwischen 1949 und 1969 eine unitarische oder eine föderalistische Medienpolitik verfolgten. Man kann es positiv wenden. Das Buch verfolgt konsequent einen roten Faden. Fortlaufend wird die Medienpolitik darauf abgeklopft, ob die Bundesebene ihre Machtstellung gegenüber den Ländern und den eigenen Landesparteien ausbauen wollte. Dementsprechend kommt Grünewald zu dem klaren, wenn auch nicht ganz überraschenden Ergebnis, die Bundes-CDU habe zwischen 1949 und 1969 durchgängig eine unitarisch-zentralistische Medienpolitik betrieben, die sie allerdings nicht immer umsetzen konnte. Adenauer habe sich dabei etwa des Kunstgriffes bedient, Rundfunkpolitik nicht als Teil der Kulturpolitik zu definieren, um sie so aus den Ansprüchen der Länder herauszuhalten. Selbst nach dem ersten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichtes 1961 habe die Bundes-CDU an der Leitungsfunktion für den Rundfunk festgehalten, bis sie erwartungsgemäß nach 1969 aus der Opposition heraus mehr medienpolitische Kompetenzen für die Länder forderte.

Die Anlage der Arbeit ist damit sicher nicht das, was Historiker gerne mit dem Wort „spannend“ umschreiben. In der Tat ist die Lektüre recht ermüdend, zumal auf eine weiterführende Interpretation der Befunde verzichtet wird. Dass die Studie kein Fazit bietet und ihre abschließenden vier Seiten eher einem Ausblick widmet, ist bezeichnend. Übergeordnete mediengeschichtliche Fragen jenseits der Quellen, wie die oft diskutierte Transformation von Öffentlichkeit, bleiben völlig unberücksichtigt. Historische Kontexte, selbst wenn sie medien- und kommunikationsgeschichtlich relevant sind, werden ausgeblendet. Selbst Hinweise zur Spiegelaffäre oder der faktischen Medien- und Öffentlichkeitspolitik der Regierungen finden sich lediglich in beiläufigen Nebensätzen – die umfangreiche Literatur hierzu nicht einmal im Literaturverzeichnis.3 Der Leser erfährt zwar in vielen Zitaten von den Forderungen der CDU-Bundespolitiker, aber wer eigentlich die medienpolitischen Akteure waren, bleibt unklar. Umgekehrt bietet das Buch keinen diskursgeschichtlichen Ansatz, der systematisch Deutungsmuster herausarbeitet. Etwas unverständlich bleiben schließlich die eher normativen Einschätzungen der Arbeit. So wendet sich Grünewald mehrfach gegen die Ansicht, Adenauer habe aus partei- und machtpolitischen Motiven ein zentrales und regierungsnahes Mediensystem etablieren wollen (S. 13, 199). Ein Blick in eine beliebige Adenauerbiografie, von denen es ebenfalls keine bis ins Literaturverzeichnis schaffte, hätte jedoch andeuten können, dass Adenauer politische Entscheidungen keineswegs ganz ohne Machtkalkül traf.

Aber auch aus kommunikations- und politikwissenschaftlicher Perspektive bleibt Grünewalds Zugang recht problematisch. So wäre es etwa denkbar, die Arbeit als Beitrag zur Parteiengeschichte zu verstehen. Immerhin entzündeten sich gerade an der Medienpolitik innerparteiliche Konflikte, bei denen Landesfürsten wie Peter Altmeier den Kanzler herausforderten. Was die postulierte Dominanz des Bundes für die Parteistruktur der CDU bedeutete, wird jedoch ebenfalls nicht herausgearbeitet, und neuere Arbeiten zur Parteienforschung werden ignoriert. Das Buch ist damit vor allem ein Beitrag zur Föderalismusdebatte. Es zeigt überzeugend, dass man auch die frühe CDU nicht per se als eine kulturpolitisch föderale Partei begreifen kann, sondern dass ihre Bonner Führung hier durchgängig machtpolitische Ambitionen gegenüber den Ländern hegte. Für Spezialisten im Feld der Medienpolitik bietet es zudem Hinweise auf einen breiten, wenn auch wenig geordnet präsentierten Quellenfundus, um Einschätzungen der CDU auszumachen. Der Erkenntnisgewinn für eine Mediengeschichte insgesamt, wie sie in den letzten Jahren auch Historiker verstärkt betreiben, bleibt jedoch leider relativ gering.

Anmerkungen:
1 Vgl. vor allem: Steinmetz, Rüdiger, Freies Fernsehen. Das erste privat-kommerzielle Fernsehprogramm in Deutschland, Konstanz 1996; Kain, Florian, Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Press. Die medienpolitische Debatte in den sechziger Jahren, Münster 2003; vgl. dazu die Rezension von Lu Seegers <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-179>.
2 Fischer, Heinz-Dietrich, Parteien und Presse in Deutschland seit 1945, Bremen 1971; Bausch, Hans, Rundfunkpolitik nach 1945, München 1980.
3 Man denke an Titel wie: Walker, Horst O., Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Eine Untersuchung zu Fragen der Organisation, Koordination und Kontrolle der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, Frankfurt am Main 1982; Walker, Johannes J., „Vorsicht und keine Indiskretionen!“ Zur Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung 1949-1955, Aachen 1995.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension