Cover
Titel
Lorenzo de' Medici and the Art of Magnificence.


Autor(en)
Kent, Francis William
Reihe
Johns Hopkins Symposia in Comparative History 24
Erschienen
Anzahl Seiten
XII,230 S., 28 Abb.
Preis
$36.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Barteleit, Gernsdorf

Der 500. Todestag Lorenzo de’ Medicis im Jahr 1992 hat zu einem verstärkten Interesse an einer der schillerndsten, aber auch umstrittensten Figuren der Republik Florenz geführt.1 Nun, in einigem Abstand zum runden Jahrestag, versiegen die Forschungsanstrengungen jedoch nicht. Francis Kent ist ein intimer Kenner der Gesellschaft des Florentiner Quattrocento und hat sich schon des Öfteren mit Lorenzo de’ Medici beschäftigt.

„Verglichen mit den vielen und guten Bauten Cosimos kann man sagen baute er [Lorenzo] nichts.“ 2 So das harte Urteil Francesco Guicciardinis obwohl er das „prächtigste Bauwerk“ Lorenzos in Poggio a Caiano durchaus berücksichtigte. Lorenzos Bedeutung für die Architektur in Florenz wurde und wird durchaus ambivalent gesehen. So muss man die Titulierung als bonus architectus zunächst einmal lediglich als ein verbreitetes humanistisches Herrscherlob verstehen. Auch herrscht momentan die Ansicht vor, dass die Interventionen Lorenzos in architektonischen Fragen in erster Linie dem Versuch geschuldet sind, seinen politischen Einfluss zu festigen und auszubauen. Lorenzo wird als ‚mastro della bottega’ gesehen, der sich in jede öffentliche, aber auch manche private Entscheidung einmischen muss.

Die Grundlage für Lorenzos Einfluss auf die Florentiner Architekturentwicklung wurde bereits im Rahmen seiner Erziehung und Bildung gelegt. Neben einer umfangreichen humanistischen Bildung genoss Lorenzo schon früh auch den Umgang mit einer Reihe der herausgehobensten bildenden Künstler seiner Zeit, die sich unter anderem auch im Medici-Garten bei San Marco trafen. So entwickelte Lorenzo ein eigenständiges Kunstinteresse, das im Bereich der Dichtkunst auch zu einem umfangreichen eigenen Werk führte.3 Auch für seine Expertise als Sammler war Lorenzo in Italien berühmt. Aus seiner Familie dürfte insbesondere sein Onkel Giovanni di Cosimo prägend gewesen sein, was sich auch in gestalterischen Ähnlichkeiten zwischen dessen Villa in Fiesole und Lorenzos späterem Villenprojekt in Poggio a Caiano ausdrückt. Ein weiterer Weg, auf dem Lorenzo architektonische Kenntnisse erwarb, waren seine politischen Ämter. Hier sind in erster Linie die Mitgliedschaften in verschiedenen Opere zu nennen, denen die Überwachung von Baumaßnahmen oblag. Diese Mitgliedschaften dienten Lorenzo nicht nur zur Pflege seiner Klientelnetzwerke, sondern hier kam er auch schon früh mit den technischen Problemen des Bauens, aber auch Fragen etwa der Bodenmelioration in Berührung. Insbesondere die Belagerung Volterras 1472 scheint eine wichtige Landmarke gewesen zu sein, da spätestens hier Lorenzo mit einer Reihe von Ingenieuren und Praktikern zusammentraf, die ihm künftig in anderen Projekten zur Seite standen.

Innerhalb der Stadt lag Lorenzos Bedeutung nicht nur in der ständigen Intervention in die Bauprojekte der Kommune oder gar anderer privater Bauherren. So übernahm er auch das Baupatronat für eine Reihe von Kirchen und Klosterbauten, darunter auch San Salvatore al Monte, das auf Grundlage einer Erbschaft Castello Quaratesis verwirklicht wurde, zu dessen Vollstreckern die Medici bestimmt waren. In einem anderen Projekt, dem Frauenkloster Le Murate in Santa Croce, band er auch eigene Kreaturen wie Antonio Miniati, seinen Mann im Monte Comune, als Patrone ein. Auffälligster Beleg dafür, dass Lorenzos Ambitionen nicht auf einzelne Baumaßnahmen beschränkt blieben, ist das Projekt der Via Laura, einer neuen Straße in der Nähe von Santa Annunziata, welches aber über die ersten kleinen Hausbauten nicht hinauskam.

Dass Lorenzo in architektonischen Fragen um Rat gefragt wurde, kann allerdings auch dahingehend erklärt werden, dass es weniger Lorenzos Expertise in diesen Fragen als vielmehr seine herausgehobene politische und soziale Stellung war, die es unmöglich machte, an ihm vorbeizukommen, ja sogar bei den Mitbürgern zu einem Wettstreit führte, Lorenzo mit Neubauprojekten am besten zu gefallen. Bekanntestes Beispiel dürfte der Entwurf für den Palazzo Strozzi sein, den Filippo Strozzi angeblich nur durch einen Trick von Lorenzo de’ Medici hatte absegnen lassen können. Entscheidend ist aber die Frage, ob die herausragende Stellung des Magnifico in architektonischen Belangen in erster Linie auf seiner politischen Macht oder nicht doch auf seinem Sachverstand beruhte. Eine schwierige Frage, die abschließend wohl nicht zu beantworten sein wird, da durch den frühen Tod Lorenzos Entwicklungslinien abrupt abgebrochen sind. Kents ambivalente Charakterisierung von Lorenzos sozialer Stellung trägt dem auch voll Rechnung: Lorenzo als „princely republican, the republican prince“ (S. 96f.). So ist es kein Zufall, dass die meisten Projekte Lorenzos vor allem in den 1480er-Jahren in Angriff genommen wurden, in einer Zeit, in der die politische Stellung Lorenzos nach der Pazzi-Verschwörung deutlich gefestigt war; allerdings dürfte auch die anziehende Baukonjunktur ihren Beitrag geleistet haben.

Abschließend betrachtet Kent das bedeutendste Bauwerk, welches von il Magnifico in Auftrag gegeben wurde: das Villenprojekt in Poggio a Caiano. Zunächst reiht es sich ein in eine Reihe von Landgütern, die Lorenzo erwarb und umbaute, so z.B. das Jagdgut Spedaletto bei Volterra, oder komplett neu baute wie das Gut Agnano bei Pisa. Poggio a Caiano, eine alte Strozzi-Besitzung, die er von seinem Schwiegersohn Bernardo Rucellai 1474 erwarb, wurde nach 1485 zielstrebig zu einer repräsentativen Villa ausgebaut. Welchen Anteil Lorenzo an den Entwürfen Giuliano da Sangallos hatte, muss dabei offen bleiben. Poggio a Caiano avancierte zu Lorenzos beliebtesten Landgut, schon bevor mit den Baumaßnahmen begonnen wurde. Lorenzo arrondierte den Grundbesitz und intensivierte die landwirtschaftliche Nutzung. Das Landgut war geografisch so günstig gelegen, dass nicht nur Prato und Pistoia, wichtige Städte des Florentiner Dominium und Basen der Medici-Klientel, überblickt werden konnten, sondern auch die Kapitale selbst. Architektonisch ist auffallend, dass der Entwurf für Poggio a Caiano nicht nur auf das Rustika-Mauerwerk der Palazzi Medici und Strozzi verzichtete, sondern auch auf eine Einfriedung des Grundstückes, obwohl die persönliche Sicherheit Lorenzos immer wieder bedroht war.

Kents zentrale These ist, dass Lorenzo nicht nur über einen ausgeprägten architektonischen Sachverstand verfügte, sondern darüber hinaus auch konkrete Vorstellungen für die Entwicklung der urbanen Gestalt von Florenz hatte. Sein früher Tod sorgte dafür, dass mit Ausnahme des Klosters San Gallo keines seiner Projekte vollendet wurde. Der weitere Erfolg von Lorenzos urbanistischer Vorstellungen wäre jedoch nicht nur von seinem politischen Status abhängig gewesen, sondern auch von seinen finanziellen Möglichkeiten. Hier bleibt Kent leider wage. Er erwähnt den schlechten finanziellen Zustand der Medici-Bank und verweist auch auf die aktuelle Diskussion, ob und wenn ja in welchem Umfang Lorenzo öffentliche Gelder in die eigene Tasche umlenkte. Substanzielle Ergebnisse kann er hier aber nicht vorlegen, so dass seine Behauptung, Geld wäre für Lorenzos Projekte ausreichend vorhanden gewesen (S. 83f.), doch besser untermauert werden müsste.

Kents Buch ist ein hochgradig stimulierender Beitrag zum „Problem Lorenzo“ und darüber hinaus zur Frage nach dem Verhältnis von Auftraggeber und Künstler. Man merkt ihm die meisterliche Beherrschung der archivalischen Quellen an, aus denen er eine große Zahl von Details schöpfen kann, die seine Thesen beeindruckend untermauern. Insofern darf man sehr gespannt sein auf die angekündigte zweibändige Biografie Lorenzo de’ Medicis.

Seine Darstellung stützt Kent über einen umfangreichen Anmerkungsapparat, der fast ein Drittel des gesamten Buches umfasst. Dieser ist allerdings auch notwendig, da Kent nicht nur die relevante Forschungsliteratur berücksichtigt sondern auch in großem Umfang auf nicht publizierte Quellen zurückgreift. Gerade wegen des Umfanges vermisst man jedoch ein abschließendes Literaturverzeichnis.

Anmerkungen:
1 Vgl. Böninger, Lorenz, Historische Forschungen anläßlich des 500. Todestages Lorenzo de’ Medicis. Eine Bilanz nach vier Jahren (1992-1994), in: Zeitschrift für historische Forschung 25 (1998), S. 261-282.
2 Guicciardini, Francesco, Storie Fiorentine, IX, in: Ders.: Opere, hg. von Vittorio de Caprariis, Mailand 1961, S. 198.
3 Vgl. die Einleitung zu: Medici, Lorenzo de’: Ausgewählte Werke/Opere scelte, hg. von Manfred Lentzen, Tübingen 1998, S. 5-18.

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