S. Jordan: Einführung in das Geschichtsstudium

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Titel
Einführung in das Geschichtsstudium.


Autor(en)
Jordan, Stefan
Erschienen
Stuttgart 2005: Reclam
Anzahl Seiten
173 S.
Preis
€ 4,60
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Susanne Brandt, Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

An wen sich Stefan Jordan mit seiner „Einführung in das Geschichtsstudium“ wendet, formuliert er bereits in der Einleitung: Künftige und bereits eingeschriebene Studierende, aber auch die an dem Fach interessierten Laien sind seine Zielgruppen. Sie möchte er mit präzisen Informationen und nützlichen Tipps durch den Dschungel der Universität und des Geschichtsstudiums leiten. Wenn die Studierenden, so Jordans Überzeugung, „die formalen Grundkenntnisse und Tricks“ beherrschen, bleibt ihnen mehr Zeit, um sich mit den Inhalten des Studiums zu befassen (S. 10). Sein Wunschziel ist es, dass die Geschichtsstudierenden, wie es in seinem einleitenden Zedler-Zitat aus dem Jahr 1744 heißt, nach dem Abschluss „nützliche Dienste“ zu leisten in der Lage sind (S. 9). Jordan will seinen Lesern außerdem Mut machen, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zunächst zeigt er in seinem Buch unter anderem, wie Quellen entdeckt und interpretiert werden können, dass Referate und Hausarbeiten kein Hexenwerk sind und wie das korrekte Zitieren seinen Schrecken verliert. Er ist auch der Überzeugung, dass die Historie keine brotlose Kunst ist, sondern dass das Studium für zahlreiche Berufe qualifiziert und der Gesellschaft zu Gute kommt. „Historiker sind Alleskönner“, erklärt er selbstbewusst (S. 45).

Jordan hat das Buch in fünf Hauptkapitel gegliedert. Sie widmen sich den folgenden Themenkomplexen: „Die Universität als Arbeits- und Lebensraum“, „Geschichte als Wissenschaft“, „Das historische Material“, „Literaturrecherche im Internet und vor Ort“, „Wissenschaftliche Forschung und Darstellung“. Jordan scheut dabei auch die großen Fragen nicht: Auf weniger als acht Seiten umreißt er seine Antwort auf die Frage, was Geschichte überhaupt sei (S. 37-45). Er geht auch chronologisch vor und stellt seinen Lesern herausragende Historiker vor, die sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts um eine Lösung dieser Frage bemüht haben (S. 23ff.). Jordan trifft eine mutige Auswahl, welche Historiker er mit ihren Lebensdaten und Kernaussagen vorstellt. Generell lässt er nicht etwa am Ende eines jeden Kapitels ausführliche Literaturhinweise folgen, sondern empfiehlt punktuell einige weiterführende Titel. Diese Literaturtipps ermöglichen es auch AnfängerInnen, bei den jeweiligen Themen einen ersten Überblick zu gewinnen.

Die klare Gliederung erlaubt es, zielgenau auf einzelne Kapitel und Fragen zuzugreifen. Doch nicht nur ein häppchenweiser Konsum des Buches ist möglich. Gerade wenn man es von Anfang bis Ende liest, fallen die vielen anschaulichen Beispiele auf. Jordan erklärt an dem Thema „Die Geschichte der Waffenkunde von der Antike bis zur Gegenwart“, was Interpretation bedeutet (S. 116ff.). Einige Seiten später greift er dieses Beispiel erneut auf, um deutlich zu machen, wie dieses Thema für eine Hausarbeit zurechtgestutzt werden kann, um für den Studenten bearbeitbar zu sein (S. 123ff.).

Die abschließende Literaturliste konfrontiert den Leser nicht mit einer Fülle weiterführender Publikationen, sondern nennt lediglich gut 20 Konkurrenztitel, die Jordan sachlich unter dem Aspekt kommentiert, was der Leser von dem jeweiligen Buch erwarten darf und was nicht. Diese Liste verdeutlicht noch einmal sein eigenes Konzept, das sich vor allem der Verständlichkeit und der Alltagstauglichkeit verpflichtet sieht. Zugleich aber bietet Jordan allen, die nach der Lektüre seines Buches mehr wissen wollen, jede Menge Empfehlungen zur Intensivierung einzelner Aspekte.

Nun sollte diese Rezension eigentlich von denjenigen geschrieben werden, für die Jordan sein Buch konzipiert hat. Aus diesem Grund habe ich das Buch einem Praxistest unterzogen: Ich habe Studenten – sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene – mit dem Buch arbeiten lassen. Ihre Reaktionen waren durchweg positiv: Sie lobten vor allem die anschauliche und präzise Sprache. Fremdworte und Fachtermini werden ganz selbstverständlich erklärt. Die Studierenden hatten nicht den Eindruck, als sei es eine Schande, nicht zu wissen, was man zum Beispiel unter „Historischem Materialismus“ oder unter „Intersubjektivität“ versteht. Sie fühlten sich von Jordan auch als Anfänger ernst genommen, weil er nicht von oben herab erklärt, sondern mit großer Sympathie für die angehenden Spezialisten.

Meine Testleser lobten auch die Tricks, die Jordan ihnen verrät – so zum Beispiel in einem Exkurs, der sich dem Lesen, Exzerpieren und Vervielfältigen widmet (S. 50-54). Jordan ermutigt seine Leser zum Querlesen, wenn sie sich rasch orientieren müssen, ob oder welche Teile eines Buches für sie nützlich sind. Kein erhobener Zeigefinger, der mahnt, nur ja alles und gründlich zu lesen, sondern viel Pragmatismus und Verständnis für den Zeitdruck im Studenten- und Berufsleben, der oftmals schnellen Wissenserwerb notwendig macht.

Als einen weiteren positiven Punkt hoben die Studierenden hervor, dass Jordan ihnen ausgewählte Historiker präsentiert und nahe bringt. Hans Mommsen wird mit einem wunderbaren Zitat vorgestellt: Er beneide die Studenten, weil sie noch Zeit zum Lesen hätten, während später im wissenschaftlichen Beruf nur noch gebastelt werde. „Basteln“, so erklärt Jordan seinen Lesern, bedeute bei Mommsen die „effektive Aneignung von Wissen“ (S. 50f.). Nicht nur im Studium, sondern auch im späteren Berufsleben sei dieses effektive Arbeiten gefragt.

Sokrates und Platon werden von Jordan herangezogen, um den Lesern zu erklären, was sekundäre Quellen sind und wie sie sich von den Primärquellen unterscheiden. Meinen Studierenden war durchaus bewusst, dass Jordan eine Auswahl getroffen hat. Aber sie betonten, dass gerade in der Auswahl und Anschaulichkeit eine große Stärke liege: Einige Namen ließen sich nun einmal besser erinnern als gleich eine Hundertschaft, besonders wenn sie mit anschaulichen Beispielen verknüpft seien. Sie könnten das neu erworbene Wissen als Gerüst nutzen, das sie mit neuen Erkenntnissen erweitern könnten. Die Studierenden erklärten auch, dass ihnen Jordan eine Waffe gegen alle diejenigen in die Hand gegeben habe, die Respekt erheischend mit Namen und Begriffen um sich werfen. Nach der Lektüre seines Buches ließen sie sich dadurch nicht mehr ins Bockshorn jagen.

Nach Meinung meiner Benutzer ist das Buch nicht nur für Studienanfänger hilfreich; auch ältere Semester können die Dinge nachschlagen, die sie in Lehrveranstaltungen verpasst (oder vermisst) haben. Den Praxistest hat Jordans „Einführung in das Geschichtsstudium“ also mit Bravour bestanden – nicht zuletzt deshalb, weil das handliche Reclam-Buch in nahezu jede Hosentasche und mit noch nicht einmal 5 Euro zu jedem Geldbeutel passt. Übrigens können auch ehemalige Studenten, die nun als Dozenten arbeiten, das Buch mit Gewinn in ihren Lehrveranstaltungen einsetzen.

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