Titel
Bitte recht weiblich!. Frauenleitbilder in der deutschen Zeitschrift "BRIGITTE" 1949-1982


Autor(en)
Horvath, Dora
Erschienen
Zürich 2000: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
362 S.- 190 Abb.
Preis
€ 32,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lu Seegers, Historisches Seminar, Universität Hannover

"In allen Lebenslagen - BRIGITTE fragen!" lautete das Motto der Frauenzeitschrift nach ihrem Wechsel vom Ullstein- zum Constanze-Verlag im Jahr 1957. Optisch und inhaltlich verjüngt, präsentierte sich BRIGITTE als Ratgeberin und Freundin der Leserinnen in Sachen Mode, Konsum, Liebe und Partnerschaft. Hier setzt die Dissertation von Dora Horvath an, in der die Schweizer Historikerin die Veränderung von Frauenleitbildern in der Bundesrepublik am Beispiel der BRIGITTE analysiert.

Horvaths zentrale Forschungsfrage ist soziologisch angelegt. Sie möchte den "sozialen Wandel" in modernen Gesellschaften, den sie theoriegeleitet "als Zyklus von Aufbau und krisengenerierter Entwertung gesellschaftsübergreifender Deutungsmuster" (S.19) begreift, anhand der Frauenleitbilder in der BRIGITTE überprüfen. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre zwischen 1949 und 1982, welche die Autorin etwas willkürlich als Eckdaten des sozialmarktwirtschaftlichen Modells der Bundesrepublik markiert. Horvath bezeichnet die Frauenzeitschriften als "Propagandistinnen des modernen Lebensstils" und als Medium, "in dem private Themen, für die definitionsgemäß Frauen allein zuständig sind, reflektiert und öffentlich gemacht werden" (S.29). Demzufolge waren sie der Ort, an dem der "kulturelle Konservatismus" reproduziert wurde, den Horvath als konstitutiven Bestandteil und zentralen Kerngehalt der Nachkriegsgesellschaft bezeichnet. Basierend auf dem Konzept der Geschlechterdifferenz habe der "kulturelle Konservatismus" Frauen nach den Umbrüchen der Kriegs- und Nachkriegszeit auf den häuslichen Reproduktionsbereich verwiesen, der als stabile Gegenwelt zur öffentlichen Sphäre mit ihren rasanten Modernisierungsprozessen fungieren sollte. In dieser Konstruktion sei jedoch ein grundsätzlicher Widerspruch eingewoben gewesen: Das Ungleichheitsprinzip des "kulturellen Konservatismus" lief den Emanzipationsversprechungen zuwider, die das Nachkriegsmodell durch die Kodifizierung des Gleichheitsartikels und die Chancengleichheit in der Verfassung in Aussicht stellte. Die daraus resultierenden Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten begannen, mit der lebensweltlichen Fixierung der Frauen zu kollidieren. (S.23, 343). Anhand der Frauenzeitschrift BRIGITTE will Horvath zeigen, wie der "kulturelle Konservatismus in seiner Interdependenz zu Modernisierungsprozessen in den 50er Jahren in einem spezifischen öffentlichen Diskurs aufgebaut, reproduziert und dann sukzessive durch nichtintendierte Folgen kollektiver, deutungszentrierter Handlungsvollzüge am Ende der sechziger Jahre wieder entwertet wurde" (S.19).

Horvath untersucht diesen Prozess mit einer qualitativ ausgerichteten, "hermeneutisch-assoziativen" Methode anhand von zwei Diskurssträngen, die für Frauenzeitschriften konstitutiv waren und sind: des visuellen Diskurses der Modefotografie und des sprachlichen Diskurses über die Geschlechterdifferenz, vermittelt durch den Themenkomplex Liebe und Partnerschaft. Da Leitbilder im Vordergrund stehen, verzichtet Horvath auf die Analyse ihrer Produktion und Rezeption von BRIGITTE. Etwas pauschal geht sie davon aus, dass die Frauenzeitschrift auf die Bedürfnisse und Orientierungen einer breiten heterogenen Mittelschicht eingeht (S.30). Insgesamt wäre hier ein ausdrücklicher Verweis auf die Arbeiten von Lott-Almstadt zur BRIGITTE, die diese Punkte thematisiert, hilfreich gewesen.1

Die Studie ist in zwei kürzere Abschnitte und zwei Hauptteile gegliedert. Zunächst erfolgt eine Darlegung der Theorie des sozialen Wandels nach Kurt Imhof und Geatono Romano (S. 35-48). Der Nutzen dieses Theorievorschlags besteht darin, dass er auch die Funktion der Massenmedien bei krisenhaften Modernisierungsprozessen berücksichtigt.

Die Entwicklung der Bundesrepublik seit ihrer Gründung bis zum Koalitionswechsel 1982 wird im zweiten Teil der Arbeit resümiert (S.49-65). Horvath beschreibt hier vornehmlich aus sozioökonomischer Perspektive, wie sich das Konzept der sozialen Marktwirtschaft ab 1948/49 als gesellschaftliches Leitmodell durchzusetzen begann und nach der Ölkrise 1973/74 von diffundierenden staatsminimalistischen Konzepten abgelöst wurde. Mit dem Koalitionswechsel von 1982 setzte sich demnach ein neoliberal orientierter Kurs in der Wirtschaftspolitik durch. Hier bleibt unklar, warum Horvath die soziale Marktwirtschaft mit der Wende von 1982 für beendet erklärt. Außerdem wird der Zusammenhang mit der Veränderung von Frauenleitbildern vor der Folie des sozialen Wandels nicht ausreichend deutlich gemacht.

Den ersten Hauptteil, die Analyse des visuellen Diskurses (S.67-190), eröffnet Horvath mit methodischen Vorüberlegungen. Mode wird in ihrer symbolischen Zeichenhaftigkeit diskursanalytisch als Indikator und sensibler Seismograph für den krisenhaften sozialen Wandel betrachtet. Bei der Analyse der Fotografien werden sämtliche Bildelemente einbezogen: die Körperhaltung des Fotomodells, die Kleidung und der Bildhintergrund. Mit der Gründung der Bundesrepublik erfolgte die Reaktivierung traditioneller Deutungen von Weiblichkeit, welche die Rücksicht zu bürgerlicher Harmonie und Sicherheit symbolisieren. Dementsprechend wurden die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale stark betont. Zugleich dominierte das Prinzip der Stiltreue und Stilharmonie, d.h. Sportliches darf nur mit Sportlichem, Elegantes nur mit Elegantem etc. kombiniert werden. Ab 1955/56 zeichnete sich eine klare Orientierung an der Moderne ab. Urbane Kulissen fungierten nun als Bildhintergrund - bunte Farben und beschwingte Kleider symbolisierten im Zeichen des "Wirtschaftswunders" ein optimistisches Lebensgefühl. Brust, Taille und Po wurden weiterhin betont - allerdings nicht so zugespitzt wie in der Periode zuvor. In den Jahren 1958-1961 wurde die Moderne dann in einer radikaleren und konsequenteren Weise präsentiert. Einfache, gerade Schnitte markierten die beispiellose Rationalisierungseuphorie - die Weichheit der Frisuren und ein entsprechendes Make-up bildeten als Substrate einer sanften Weiblichkeit dazu einen mildernden Kontrast.

Risse in der Modernisierungseuphorie macht Horvath am Rüschenbesatz und Blümchenmuster deutlich, die seit 1963 als verspieltere Formen die klaren Linien unterbrechen. Mimik und Körperhaltung der Fotomodelle lassen ab 1966 einen Rückzug in die Innerlichkeit und Besinnlichkeit erkennen. Um 1967/68 wurde der eigentliche Bruch mit der Fortschritts- und Wachstumsideologie deutlich, die Natur trat als Bildkulisse deutlich in den Vordergrund. BRIGITTE begann, aus der Hippie- und der ökologisch orientierten Alternativkultur zu zitieren. Nicht nur die Kleidung selbst, sondern auch die Körperhaltungen brachen mit alten Traditionen und Wertehaltungen. Sie waren nun natürlich, sinnlich, stark sexualisiert und betonten die hedonistischen Komponenten eines neuen Lebensgefühls. Allerdings wurden die subkulturellen Stile auf eine domestizierende, ästhetisierende Art und Weise präsentiert - es wurde keinerlei Subversion durch den Körper ausgedrückt. Gleiches galt für die Stilzitate an die außereuropäische Mode sowie für die Nostalgiebewegung ab den frühen siebziger Jahren. Insgesamt wurde der dominante Stil, wie Horvath mit Hilfe von zahlreichen Abbildungen plausibel schildert - nun von einem ausgesprochenen Stilpluralismus abgelöst, der sich an der Tatsache orientierte, dass sich die Lebensentwürfe der Leserinnen gegen Ende des Untersuchungszeitraums immer stärker differenzierten. Gegen Ende der siebziger Jahre wurden die Modelle wieder stärker im urbanen Setting präsentiert und die Punk-Kultur in ästhetisierender und entpolitisierender Weise integriert. Es zeichnete sich ab, dass die Mode wieder klassischer und die Alternativbewegung nicht mehr im breiten Maße thematisiert wurde. Auch wenn BRIGITTE Elemente der Wachstumskritik in ihren visuellen Diskurs aufnahm, hielt sie, so Horvaths wenig überraschendes Fazit, grundsätzlich am Konzept der Geschlechterdifferenz fest, das die Erfolgsstrategien weiblichen Handelns nach wie vor über Sexualität und Erotik reproduziert.

Anders verhält es sich mit dem sprachlichen Diskurs über Liebe und Partnerschaft, den Horvath im zweiten Hauptteil untersucht (S.191-340), wobei sie allerdings versäumt, die Auswahl der Quellenbasis darzustellen. Anschaulich zeigt sie, wie in der Phase von 1949 bis 1952 die Moderne mit einem stark polar ausgerichteten Geschlechtermodell des späten 19. Jahrhunderts unterlegt wurde, das auf dem Konzept einer naturbedingten Geschlechterdifferenz gründete. Der Gleichberechtigungsartikel wurde als Gleichwertigkeit der Geschlechter in ihrer Verschiedenheit ausgelegt. Ästhetisches Empfinden, Emotionalität und der Hang zur Häuslichkeit galten wieder als genuin weibliche Eigenschaften. In der Phase zwischen 1953 und 1956 wurde die Geschlechterfrage nicht mehr konstitutiv diskutiert - Anzeichen dafür, dass die Festschreibung der Frau auf den Reproduktionsbereich breit akzeptiert war. Zwischen 1956 und 1959 nahm BRIGITTE im Frauenleitbild erste Anpassungsleistungen an einen modernen Lebensstil vor. Es war nun selbstverständlich, dass die emanzipierte, selbstbewusste Frau vor der Ehe berufstätig war. Gleichzeitig zementierte sie den "kulturellen Konservatismus". Die Erlangung der Ehe und ihr Erhalt galten weiterhin als oberstes Primat und konnten nur mit einer Mischung aus Klugheit, weiblichem Charme und Selbstdisziplin erreicht werden. Eine erste Zäsur macht Horvath 1959 aus. Nun zeigte sich die Verarbeitung des Modernisierungsschubs, an dem auch ein Individualisierungsschub gekoppelt war, der nun zum Tragen kam. Vor diesem Hintergrund wurde in der BRIGITTE erstmals das Hausfrauensyndrom problematisiert, die Isolation und Einsamkeit von Frauen, die ihre Berufstätigkeit mit der Ehe aufgeben mussten.2 Trotzdem hielt BRIGITTE an der Geschlechterdifferenz fest und versuchte, die Problemlagen auf individuelle Konfliktfelder zu reduzieren. Zwischen 1961 und 1968 begann sie, ihre Leserinnen zu einem selbstbewussten Verhalten ihren Männern gegenüber den Rücken zu stärken und diskutierte ihren Anspruch auf Selbstverwirklichung außerhalb der Familie. Den endgültigen Bruch mit dem Leitbild der Geschlechterdifferenz vollzieht sie jedoch erst am Ende der sechziger Jahre mit der zunehmenden öffentlichen Präsenz der neuen Frauenbewegung. Jetzt deklarierte BRIGITTE das Geschlechterverhältnis selbst zum gesellschaftlichen Problem und thematisierte die geschlechterspezifische Benachteiligung der Frau. BRIGITTE enttabuisierte die weibliche Sexualität, forderte die stärkere politische Partizipation von Frauen ein und engagierte sich für die berufliche Weiterqualifizierung verheirateter Frauen. Alternative Lebensentwürfe wurden akzeptiert und die Ehe als eindeutig partnerschaftlich gleichberechtigte, zweckgebundene Liebesgemeinschaft verstanden. Während Horvath auf die Phase bis Mitte der siebziger Jahre sehr ausführlich eingeht, gelingt es ihr am Ende des Untersuchungszeitraum nur partiell, den Zusammenhang zwischen der konservativen Wende und einer zunehmend privatisierenden Auslegung der Realität mit psychologisierenden Deutungsmustern zu begründen.

Dora Horvaths Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Feinstrukturierung der Geschichte der Bundesrepublik aus medien- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive. Als Nachteil erweist sich die Lesbarkeit des Buches. Die stetige Einbettung der Kernthesen - als Lektürehilfe gedacht - erweist sich streckenweise als redundant, und die zum Teil überlangen Fußnoten tragen nicht zur Übersichtlichkeit des Buches bei. Insgesamt ist Horvath jedoch eine verdienstvolle Studie gelungen, die sicherlich nicht nur bei Historikern und Historikerinnen, sondern auch bei vielen BRIGITTE-LeserInnen auf Interesse stoßen dürfte - Überschneidungen nicht ausgeschlossen!

Anmerkungen:
1 Sylvia Lott-Almstadt, Brigitte 1886-1986. Die ersten hundert Jahre. Chronik einer Frauenzeitschrift, Hamburg 1986.
2 Eine ähnliche Zäsur zeigt sich bei Christine von Oertzen, Teilzeitarbeit und die Lust am Zuverdienen. Geschlechterpolitik und gesellschaftlicher Wandel in Westdeutschland 1948-1969, Göttingen 1999 und bei der Ratgeberrubrik "Fragen Sie Frau Irene" der Rundfunk- und Familienzeitschrift HÖR ZU!: Lu Seegers, Rundfunk, Technik und Familie. Die Programmzeitschrift HÖR ZU! und ihre Vorläufer (1931-1965), (Veröffentlichungsreihe des Deutschen Rundfunkarchivs, Verlag für Berlin, Brandenburg 2001) i.E.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension