Titel
Terror und Politik. Die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939-1944


Autor(en)
Borodziej, Wlodzimierz
Erschienen
Anzahl Seiten
302 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für Neue Politische Literatur und H-Soz-u-Kult von:
Bogdan Musial, DHI Warschau

Polnischsprachige Arbeiten zur Geschichte der polnischen Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg füllen ganze Bibliotheken, sie werden aber im Westen kaum rezipiert. Dagegen gibt es nur wenige Studien zum Thema, die in einer westlichen Sprache zugänglich sind. Außerdem mangelt es an Arbeiten zu Struktur und Tätigkeit des deutschen Besatzungsapparates in Polen, insbesondere der Polizei. Die im Jahre 1999 in deutscher Sprache erschienene Arbeit des polnischen Historikers Wlodzimierz Borodziej verspricht, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen: Sie behandelt sowohl die Geschichte der polnischen Widerstandsbewegung als auch die des deutschen Sicherheitsapparates im Generalgouvernement am Beispiel des Distrikts Radom. Dabei stützt sich Borodziej vorwiegend auf deutsche Quellen.

Zunächst beschreibt Borodziej den organisatorischen Aufbau der deutschen Sicherheitskräfte und ihre Kompetenzverteilung im Generalgouvernement. Für die Bekämpfung des polnischen Widerstandes waren vor allem Sicherheitspolizei (Sipo) und Gestapo verantwortlich. Borodziej betont, daß die deutschen Sicherheitskräfte für diese Aufgabe schlecht vorbereitet waren. So konzentrierte man sich zunächst auf den polnischen Adel in der Überzeugung, er sei der Träger des polnischen Widerstandes. Dies entsprach jedoch kaum der tatsächlichen Entwicklung des polnischen Untergrundstaates im Zweiten Weltkrieg, der sich auf eine relativ breite gesellschaftliche Basis stützen konnte. Erst ab dem Frühjahr 1940 gelang es der deutschen Polizei, ein Informanten- und Agentennetz aufzubauen, um innerhalb der Widerstandbewegung an wichtige Informationen zu gelangen. Borodziej untersucht dabei die Methoden der Rekrutierung von Agenten und Informanten sowie die Problematik ihres Einsatzes bei der Bekämpfung des Widerstandes. Er analysiert nicht nur das Vorgehen der deutschen Polizei gegen die polnische Widerstandsbewegung, sondern auch ihre Erfolge und Mißerfolge.

Zugleich stellt der Autor den polnischen Untergrundstaat in seiner ganzen Bandbreite aus der Perspektive des deutschen Sicherheitsapparates dar. Zum Schluß befaßt er sich mit dem Schicksal einiger Angehöriger der Sicherheitsorgane nach 1945.

Im polnischen Original erschien die Arbeit im Jahre 1985. Für die deutsche Ausgabe, die 15 Jahre später veröffentlicht wurde, verzichtete der Autor allerdings darauf, den Forschungsstand zu aktualisieren, und begründet dies damit, daß sich seit 1985 die Forschungslage für die ihn interessierende Fragestellung höchstens mittelbar und punktuell verändert habe. Dies trifft allerdings nur teilweise zu. Beispielsweise änderte sich seit 1985 die historische Rezeption des kommunistischen und nichtkommunistischen Widerstandes in Polen - Themen, die im Buch behandelt werden. Insbesondere dieses Kapitel der polnischen Geschichte unterlag im kommunistischen Polen Manipulationen, Entstellungen und Verfälschungen. Tomasz Strzembosz, ein Experte auf dem Gebiet der polnischen Widerstandsbewegung, stellte 1997 fest, daß die Geschichte des kommunistischen Widerstandes erst neu geschrieben werden müsse: Dessen Führungselite bestand zumeist aus den in der Sowjetunion ausgebildeten Funktionären, die im besetzten Polen die damals beim NKWD üblichen Methoden anwandten, also Mord, Provokation und Denunziation. Kommunisten verrieten im Februar 1943 beispielsweise eine eigene illegale Druckerei an die Gestapo, weil sie dachten, es handele sich um eine Druckerei der nichtkommunistischen Heimatarmee. Hinzu kommt, daß viele Aktionen der kommunistischen Widerstandsgruppen, insbesondere auf dem Lande, kriminellen Motivationen entsprangen.

In nicht geringerem Maße wurde in der Vergangenheit die Geschichte des Verhältnisses zwischen der kommunistischen und nichtkommunistischen Widerstandsbewegung verfälscht.

In der deutschen Ausgabe seiner Dissertation aus den 80er Jahren verzichtet Borodziej darauf, auf diese komplizierte Überlieferungsgeschichte hinzuweisen. Dabei stützt sich seine Untersuchung u.a. auf Autoren wie Stefan Skwarek oder Ryszard Nazarewicz, deren Publikationen unwissenschaftlich sind. Auf solche Arbeiten im Jahre 1985 zurückzugreifen ist aufgrund der damals herrschenden politischen Umstände noch nachvollziehbar, heute jedoch erklärungsbedürftig.

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Rezension hervorgegangen aus der Kooperation mit der Zeitschrift Neue Politische Literatur (NPL), Darmstadt (Redaktionelle Betreuung: Simone Gruen). http://www.ifs.tu-darmstadt.de/npl/
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