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Titel
Die Verschwörung. Aufstieg und Fall der Medici im Florenz der Renaissance


Autor(en)
Martines, Lauro
Erschienen
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Barteleit, Weil am Rhein

Am 26. April 1478 fand im Dom zu Florenz ein Attentat auf Lorenzo de’ Medici und seinen Bruder Giuliano statt. Lorenzo überlebte verletzt, während sein Bruder und ein Medici-Partisan getötet wurden. Die Kerngruppe der für das Attentat verantwortlichen Verschwörer bildeten Francesco de’ Pazzi, sein Onkel Jacopo sowie Francesco Salviati, der Erzbischof von Pisa. Der sich anschließende Versuch, durch die Besetzung des Palazzo della Signoria (Palazzo Vecchio) die Regierungsgewalt zu übernehmen misslang, und in der darauffolgenden Abrechnung der Medici-treuen Regierung wurden innerhalb von wenigen Tagen zwischen 60 und 80 Personen hingerichtet. Zugleich setzte eine rücksichtslose Verfolgung der Pazzi sowie die Verwertung ihres Vermögens ein.

Diese bekannten Ereignisse werden durch Lauro Martines präzise geschildert, wobei ihm der Nachweis gelingt, dass, anders als in der Literatur dargestellt, das Volk den Medici erst nach einer gewissen Weile unterstützend zur Hilfe kam, so dass zunächst eine gewisse Konfusion über den Fortgang der Dinge vorherrschte. Wichtig ist auch der Befund, dass die Signoria für ihre Repressionspolitik gegenüber den Pazzi nur jeweils knapp die notwendigen Mehrheiten erhielt.

Darüber hinaus ordnet Martines diese Ereignisse in die Strafverfolgung von Kapitalverbrechen und die Verhängung der Todesstrafe in Italien einerseits sowie in die anderen politischen Attentate des 15. Jahrhunderts in Italien andererseits ein. Insbesondere das Kapitel über die Strafverfolgung ist bemerkenswert. Als Exkurs verfasst, zeigt es die unterschiedlichen Aspekte der körperlichen Bestrafungen, die im extremen Fall der Rache auch kannibalische Elemente mit einschließt. Für Florenz zeigt Martines auf, dass die durchschnittliche Rate der Todesurteile im republikanischen Florenz leicht über der Rate des fürstlichen Ferrara liegt, wenngleich die gebotenen Berechnungen falsch sind (S. 140f.; dies gilt auch für das englische Original, dort S. 145), stimmt doch der Befund. Des Weiteren überzeugt dieses Kapitel durch die Darlegungen körperlicher Brutalität in der Strafverfolgung. In Bezug auf die anderen Attentate ist insbesondere die Ermordung Girolamo Riarios 1488 in Forlì von Bedeutung, war Riario doch in die Pazzi-Verschwörung involviert und agierte im Gegenzug Lorenzo danach im Verborgenen, um mögliche Attentate gegen Riario zu unterstützen. Auch zeigt dieser Vergleich, dass selbst ein Erfolg des Attentates nicht notwendigerweise einen erfolgreichen Regimewechsel bedeutete.

Der Schilderung der Pazzi-Verschwörung vorangestellt, zeichnet Martines den Aufstieg der Familie Pazzi innerhalb des mediceischen Florenz nach. Die Pazzi waren als magnatische Familie über Generationen hinweg von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Nach 1434 wurde einem Teil der Pazzi der Zugang zu den politischen Ämtern ermöglicht, gleichzeitig stiegen sie durch Handels- und Bankgeschäfte zu einer der reichsten Familien in Florenz auf. Dieser Aufstieg geschah vor der Folie des zunehmenden Zugriffs der Medici auf Florenz. Die Medici übten ihren Einfluss indirekt aus. Zum einen betrieben sie über ihnen ergebene Amtsinhaber in den republikanischen Gremien die Exilierung der prominentesten Vertreter der Opposition in den Jahren 1434 und 1466. Zum anderen ließen sie Verfassungsänderungen beschließen, die vor allem eine Reduzierung der Kandidaten für die diversen politischen Ämter bedeuteten. Gleichzeitig begünstigten die Medici den Aufstieg von politisch nicht etablierten Familien, darunter befanden sich auch die Pazzi. Ebenso versuchten sie ihren Einfluss in der Gesellschaft durch die Einmischung in die üblichen Heiratsallianzen zu stärken, was bei Martines anschaulich geschildert wird.

Problematisch wurde das Verhältnis zwischen Pazzi und Medici als sich deren wirtschaftliche Interessen, zumal in Rom, gegenüberstanden. Als Sixtus IV. zur Durchsetzung der territorialen Ambitionen seines Neffen Girolamo Riario in der Romagna die Pazzi als Opposition zu Lorenzo de’ Medici aufbaute, war der Weg zur Katastrophe eingeschlagen, in deren Hintergrund neben Sixtus IV. auch König Ferrante von Neapel aktiv war. Nach dem Scheitern der Pazzi-Verschwörung und der blutigen Abrechnung in Florenz kam es zum Krieg zwischen Neapel und Rom einerseits und Florenz andererseits. Die für Florenz absehbare Niederlage konnte letztlich nur durch das überragende diplomatische Geschick Lorenzos vermieden werden. Auch hier führt Martines den Nachweis, dass zum Zeitpunkt der Reise Lorenzos nach Neapel die Stellung der Medici innerhalb der Oberschicht nicht gefestigt gewesen ist. Dieses führte dazu, dass Lorenzo nach seiner Rückkehr durch weitere Verfassungsänderungen die Entscheidungsstrukturen weiter einengte und sich endgültig als Herrscher hinter der republikanischen Fassade etablierte. Daneben festigte er sein Beziehungsgeflecht zu Herrschern außerhalb von Florenz, hierzu gehört auch der „Erwerb“ des Kardinalats für seinen Sohn Giovanni (später Papst Leo X.).

So stellt sich als eigentliches Thema von „Die Verschwörung“ die Entwicklung der Medici-Dominanz heraus, mit den Problemen der Medici, andere mächtige Familien einzubinden und als politische Partner zu akzeptieren. Konflikte mit den großen Familien in der Stadt waren keine Einzelfälle, auch der blutigen Konfrontation mit den Pazzi liegen gleichsam paradigmatische Konfliktlinien zugrunde.

Verstreut über das Buch liefert Martines drei Profile von bedeutenden Persönlichkeiten der Florentiner Gesellschaft des 15. Jahrhunderts: Giannozzo Manetti, Tommaso Soderini, Alamanno Rinuccini. Der Sinn dieser Profile erschließt sich zunächst nur schwer, da keine dieser Personen in die Pazzi-Verschwörung involviert war. Allen dreien gemeinsam ist, dass sie aufgrund ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung in Konflikt zu den Medici gerieten, ohne dass es allerdings zu einer offenen Konfrontation gekommen wäre. Manetti ging freiwillig nach Neapel, während Soderini und Rinuccini Zeit ihres Lebens Ämter in Florenz einnahmen. Tommaso Soderini half zudem Lorenzo de’ Medici maßgeblich, die Florentiner Oberschicht beim Tod seines Vaters Piero hinter sich zu sammeln. So dienen diese drei Profile wohl dazu die Probleme und individuellen Strategien der Medici aufzuzeigen, um die Florentiner Oberschicht politisch zu domestizieren. In dieser Hinsicht vermisst der Leser gleichsam ein Profil Filippo Strozzis, der zwar im Rahmen des Heiratsmarktes Erwähnung findet, dessen Rückkehr aus dem Exil und schrittweise Annäherung an die Medici man gerne in die Argumentationslinie eingeordnet gesehen hätte.

Martines ist zu Recht der Ansicht, dass die Pazzi-Verschwörung bei dem Tode beider Medici-Brüder, oder wenigstens der erfolgreichen Besetzung des Palazzo della Signoria hätte erfolgreich sein können. Diese Feststellung evoziert eigentlich die Frage, ob sich nicht auch Lorenzo dieser möglichen Entwicklung bewusst gewesen ist. Die daraus resultierende Bedeutung der Pazzi-Verschwörung für die weitere Einschränkungen der republikanischen Entscheidungsstrukturen, hätte aber deutlicher herausgestellt werden können. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Schilderung der willkürlichen und tyrannischen Aspekte der laurenzianischen Machtausübung, wie sie die aktuelle Forschung gerne betont. Dieses wirft auch die Frage auf, ob die Pazzi-Verschwörung wirklich einen „Wendepunkt [turning point] auf Lorenzos Weg zur absoluten Herrschaft“ (S. 248) darstellt, oder doch nur eine Beschleunigung eines Prozesses ist, der schon unter Cosimo begann.

Martines schreibt für ein breiteres Publikum, was der Verständlichkeit zugute kommt, ohne jedoch auf inhaltliche Differenzierungen zu verzichten. Die Übersetzung von Eva Dempewolf setzt diesen Stil gut um. Nur der Untertitel des Buches verspricht in der deutschen Übersetzung doch weit mehr als das Buch hält und eigentlich halten will. Aufstieg und Fall der Medici umfasst doch mehr als Martines mit seiner Beschreibung der Herschaftsstrukturen Lorenzo de’ Medicis zeigen will.

Der große Vorzug dieses Buches ist, dass es Martines gelingt, nicht nur die eigentliche Pazzi-Verschwörung zu schildern, sondern auch die Umstände die hierzu führten in den großen Entwicklungsrahmen der Medici-Dominanz einzubinden. Für die Person Lorenzo de’ Medici wird durchaus eine beachtliche Charakterisierung geboten; der Leser wird aber trotz der umfangreichen Würdigung auf eine eigenständige Biografie, wie sie z.B. von Ingeborg Walter 1 vorgelegt wurde, zurückgreifen müssen. Mehr noch gilt dies für die Verfassungsänderungen, die die Medici fortlaufend vorgenommen haben. Hier greift letztlich auch Lauro Martines, genau wie der interessierte Leser, auf das unabdingbare Grundlagenwerk von Nicolai Rubinstein 2 zurück.

Anmerkungen:
1 Walter, Ingeborg, Der Prächtige. Lorenzo de’ Medici und seine Zeit, München 2003.
2 Rubinstein, Nicolai, The Government of Florence under the Medici, Oxford 1966, Oxford 1997.

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