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Titel
Hitler. Die Deutschen und ihr Führer


Autor(en)
Seligmann, Rafael
Erschienen
Berlin 2004: Ullstein Verlag
Anzahl Seiten
336 S.
Preis
€ 22,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Weitkamp, Institut für Geschichte, Universität Osnabrück

Noch eine Hitler-Biographie? Rafael Seligmann hat sich wie viele vor ihm der historischen Person Adolfs Hitlers angenommen, und doch verspricht der Verlag Innovation und provozierende Erkenntnisse. So möchte Seligmann die tiefe Bindung des deutschen Volkes an den „Führer“ in den Mittelpunkt rücken und die Tatsache hinterfragen, warum Hitler viele Deutsche zu Mördern werden ließ. Die Grundthese lautet, eine gemeinsame Furcht vor der Moderne hätte die Deutschen mit Hitler vereint und seinen Aufstieg ermöglicht. Diese Sicht ist nicht unbedingt neu, verspricht aber eine interessante Auseinandersetzung.

Die Arbeit ist chronologisch aufgebaut und schildert Hitler und seine Zeit von 1889 bis 1945 in achtundzwanzig Kapiteln. Seligmann hat mit Rücksicht auf die Lesbarkeit auf einen wissenschaftlichen Apparat vollkommen verzichtet. Der Leser solle nicht in einer „Flut aus Fußnoten und Anmerkungen zur Fachliteratur“ ertrinken. Doch Anmerkungen, zumindest eine Auswahlbibliographie und ein resümierendes Schlußwort hätten dem publizistischen Text gut getan, um das zugrunde liegende Quellen- und Ideengerüst besser fassen zu können. Lediglich ein Personenregister beschließt den Band.

Eine anfangs dringend notwendige Moderne-Definition bleibt Seligmann schuldig. Zu Beginn zieht er undifferenziert alte Klischees heran: „Die Juden waren ihren deutschen Landsleuten im Durchschnitt weit überlegen“ (S. 20) oder „[...], dass die Mehrheit der Deutschen einen ähnlichen Bildungsstand wie der Buchautor [Hitler, d.V.] besaß“ (S. 64). Politiker wie der jüdische Walther Rathenau hätten ihre „intellektuelle Überlegenheit“ (S. 22) nicht ablegen können und sich deshalb unbeliebt gemacht. Im Umkehrschluß konstatiert Seligmann eine „Unterlegenheit der nichtjüdischen deutschen Gesellschaft gegenüber den Juden“ (S. 23). Daraus habe sich nach dem Ersten Weltkrieg ein deutsch-jüdischer Krieg entwickelt, in dem es Hitler geschafft habe, den „schlummernden Antisemitismus“ (S. 15) in Deutschland zu wecken. Eine tiefere Auseinandersetzung mit derart gewichtigen Aussagen erfolgt nicht, und Seligmanns stark simplifizierende Ansichten gehen an der Komplexität eines vielschichtigen Problems um Längen vorbei.

In der Schilderung politischer Zeitläufte verliert sich der eigentliche Themenschwerpunkt nach der Frage der Bindung von Hitler und dem deutschen Volk. Es hat den Anschein, als habe Seligmann die historischen Fakten durch eine Schablone gepresst, um sich bestätigt zu sehen. Der Erkenntnisgewinn bleibt so sehr gering. Die vereinfachende Darstellung, die zwar lesbar und kunstfertig geschrieben ist, zitiert altbekannte Dokumente und greift häufig auf alte Thesen zurück. Die vollmundigen Verlagsversprechungen können dabei nicht eingehalten werden. Eine äußerst interessante Fragestellung ist leider nicht allzu kritisch und tiefgreifend behandelt worden. Um nach der Bindung von Volk und „Führer“ zu suchen, muss man weiter zu den scharfsinnigen und innovativen Werken Sebastian Haffners greifen. Ein grosser Wurf ist es nicht geworden.

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