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Titel
Madame de Pompadour oder die Liebe an der Macht. Eine Biographie


Autor(en)
Schultz, Uwe
Erschienen
München 2004: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
299 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andrea Brill, Historisches Institut, Universität der Bundeswehr München

Uwe Schultz beginnt die Biografie über die wohl berühmteste und einflussreichste Mätresse der europäischen Frühen Neuzeit, Madame de Pompadour, mit einer Vorgeschichte über die Bedeutung und Stellung der Mätressen am französischen Hof seit dem 16. Jahrhundert und erläutert deren politischen Machtfaktor. Das Elternhaus, den Aufstieg des Vaters, die Heirat der geborenen Madame Poisson mit Charles Guillaume Le Normant d'Etiolles, die zahlreichen Liebschaften und der allmähliche Aufstieg in die Pariser Gesellschaft skizziert Schultz mit schnellen Strichen. Dieses Kapitel mit der Vorgeschichte zu ihrer Karriere rahmt der Biograf kunstvoll ein mit einem Bericht über den Maskenball in Versailles am 24. Februar 1745, der anlässlich der Heirat des Dauphin mit der spanischen Infantin veranstaltet wurde und die Madame d'Etiolles mit König Ludwig XV. zusammenführte. Es folgt der Beginn der Beziehung und die Ernennung der Madame d'Etiolles zur "maîtresse en titre" und schließlich die folgerichtige Standeserhebung zur Madame de Pompadour durch Schenkung des Titels. Schultz beschreibt nachfolgend minutiös die Zeremonie der ersten Vorstellung der Pompadour am Hof von Versailles am 14. September 1745 und die sich bereits abzeichnende Spannung zu den königlichen Familienmitgliedern, insbesondere zwischen der Königin und der neuen offiziellen Mätresse. Spätestens hier zeigt sich Schultz' Vermögen, Situation und Geschehen plastisch und differenziert auf mehreren Ebenen zu schildern. Nicht nur Hofzeremoniell und Etikette sondern auch die zwischenmenschliche Spannung kommen hier zum Tragen.

Für eine biografische Darstellung der Pompadour ist eine genaue Beleuchtung des höfischen Umfelds von großer Bedeutung. Auch hier gelingt es dem Autor, auf kurzweilige Art und Weise die notwendigen Informationen über Ludwigs Kindheit und Jugend, über seine Erziehung unter der vormundschaftlichen Regentschaft des Herzogs von Orleans sowie über die höfischen Strukturen und Vernetzungen zu liefern. Die detaillierten Beschreibungen der räumlichen Anlagen und der ganz bewussten Lokalisierung der Mätressengemächer erinnern an Norbert Elias' "höfische Gesellschaft"1, in der dieser den Wohnstrukturen eine besondere Bedeutung für die Repräsentation des französischen Adels einräumt.

Die neu ernannte Madame de Pompadour hält in ihrem eigenen Schloss in Crécy Hof, praktiziert sogar den Lever und zog sehr schnell einflussreiche Persönlichkeiten des Adels, Künstler und Kardinale an sich. Von Beginn an waren alle bemüht, so Schultz, von ihr empfangen zu werden. Madame de Pompadour stieg zur öffentlichen Instanz nicht wegen ihrer Schönheit oder ihrer brillanten Konversation auf, sondern wegen ihres großen Einflusses auf den König (S. 85). Dieser Einfluss zeigt sich beispielsweise in der Entlassung des Marineministers Maurepas, der gegen die Pompadour intrigierte. Schultz schildert hier aber nicht nur das kühle, strategische Vorgehen der "maîresse en titre" gegen ihre Feinde am Hofe, sondern auch ihre persönliche Befindlichkeit und ihre Enttäuschung über die Intrigen gegen sie. Anhand eines bewegenden Briefzitats der Pompadour veranschaulicht der Autor den Zweifel der Pompadour, ob es überhaupt richtig gewesen sei, als Maitresse an den Hof gegangen zu sein. Letztlich habe sie in Versailles kein Glück gefunden (S. 124f).

Ein zentrales Kapitel der Biografie stellen die Ausführungen über die Beziehungen zwischen Voltaire und Madame de Pompadour dar. Sie machen deutlich, inwieweit die Pompadour sich als Förderin der Intellektuellen und der Aufklärungsphilosophen stark gemacht hat. Voltaire war ihr Vertrauter seit ihren ersten Tagen am Hofe. Er ist der Autor der Oper "Princesse de Navarre", die bei der Hochzeit des Dauphins mit der spanischen Infantin aufgeführt worden war, sowie Verfasser des Theaterstücks "Temple de la Gloire", in dem er den siegreichen Feldzug Frankreichs in Flandern unter Moritz von Sachsen beschreibt. Voltaire wurde schließlich am 29. Mai 1746 in die Académie française aufgenommen, worauf er Jahre lang hingearbeitet hatte. Wegen Voltaires engen Beziehungen zu Friedrich II. kam es zum Bruch zwischen ihm und der Pompadour, aus "zelebrierter Verehrung wurde Mißachtung" (S. 145). Ein weiteres Projekt, das die Pompadour förderte, war die "Encyclopédie", das große Gemeinschaftsprojekt französischer Aufklärungsphilosophen wie d'Alembert, Diderot, Voltaire, Montesquieu und anderer, das zunächst verboten war und für dessen Veröffentlichung sie sich einsetzte. Ungeachtet der Spannungen zwischen der königlichen Autorität und den Philosophen der Aufklärung pflegte sie die Kontakte zu diesen und förderte deren Publikationen.

Neben den geistesgeschichtlichen Aspekten öffnet Schultz auch kunstgeschichtliche Perspektiven. Der Autor stellt die berühmten Gemälde von François Boucher oder Maurice Quentin de la Tour vor, auf denen die Pompadour sich als Bücherfreundin präsentieren lässt. Aufschlussreich sind auch die Ausführungen über das halbprofessionelle Privat-Theater der Pompadour, das Ludwig der XV. mit Vorliebe besuchte und unterstützte. Dort studierten von der Maitresse eigens ausgewählten Schauspieler Werke zeitgenössischer Autoren wie Molière und Rousseau ein. Die Pompadour ließ es sich nicht nehmen, selbst als Tänzerin und Schauspielerin aufzutreten.

Ende 1749 erlosch die Liebesbeziehung zwischen Ludwig XV und Madame de Pompadour und wurde in einer engen freundschaftlichen Beziehung fortgesetzt. Sie zog sich zunächst nach Crécy zurück und erwarb andere Schlösser, die sie aufwendig ausstattete. Schultz gelingt hier wiederum durch detaillierte architektonische Beschreibungen eine plastische Darstellung. Die Verleihung der Herzogswürde 1752 symbolisiert die große Gunst Ludwigs auch nach dem Ende der eigentlichen Mätressenaufgabe.

Madame de Pompadour genoss auch Einfluss auf dem politischen Parkett. Das bedeutende Treffen zwischen Frankreich und Österreich am 22. September 1755, dem "renversement des alliances", das die Hinwendung Frankreichs zu Österreich markiert, fand nicht nur auf ihrem Schloss Bellevue statt, sondern sie war auch als Gesprächspartner neben dem österreichischen Botschafter von Starhemberg und dem französischen Außenminister Abbé de Bernis anwesend. Ein halbes Jahr später, am 1. Mai 1756, folgte der Erste Versailler Vertrag, das Defensivbündnis zwischen Österreich und Frankreich, das besonders vor dem Hintergrund der französisch-englischen Auseinandersetzungen in Amerika Bedeutung erlangte. Am 18. Juni 1756 erklärte England Frankreich den Krieg. Die Pompadour war Schultz zufolge zu diesem Zeitpunkt zur politischen Mitgestalterin geworden, die mit hohem Einsatz das soziale Ansehen des Königs geschickt und zielstrebig zu fördern verstand (S. 213). Ein Lieblingsprojekt der Pompadour war seit 1750 die Errichtung einer Militärschule, die schließlich 1756 gegründet wurde, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges also, wo der Bedarf an militärischem Nachwuchs groß war. Nach der Niederlage von Roßbach und der Absetzung des Außenministers Abbé de Bernis war die Pompadour selbst "zum geheimen Außenminister Frankreichs geworden" (S. 247). Sie spielte nicht nur einen aktiven Part bei der Ablösung de Bernis', sondern auch bei der neuen Allianz mit Maria Theresia und der Distanzierung von Friedrich II. Obwohl Maria Theresia eine enge Beziehung zur Pompadour leugnete, so Schultz, sah Österreich 1756 in der ehemaligen Mätresse den wichtigsten diplomatischen Partner am Hofe von Versailles. Diese politische Machtstellung markierte den Höhepunkt in der Karriere der Madame de Pompadour.

Uwe Schultz hat für seine Darstellung wichtige Quelleneditionen, wie die Briefe der Pompadour2 oder die Memoiren ihrer Kammerdienerin3, sowie französische Biografien ausgewertet. Ihm ist mit seiner Biografie der Pompadour eine differenzierte und zugleich lebendige, sehr gut lesbare Darstellung nicht nur der engeren Personengeschichte gelungen, sondern auch der mit ihrem Lebenslauf verbundenen politischen, kulturellen und geistesgeschichtlichen Strukturen.

Anmerkungen:
1 Elias, Norbert, Die höfische Gesellschaft, Frankfurt am Main 1983, S. 75ff.
2 In deutscher Übersetzung von Pleschinski, Hans, "Ich werde niemals vergessen, Sie zärtlich zu lieben". Madame de Pompadours Briefe, München 1999; Adler, M., Die Briefe der Marquise de Pompadour, Dresden 1922.
3 Madame du Hausset, Mémoires de Madame de Hausset, femme de chambre de Madame de Pompadour, Paris 1867.

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