: Risorse femminili. Storia di donne nella società calabrese tra Settecento e Ottocento. Cosenza 2002 : Le Nuvole, ISBN 88-88343-10-5 126 S. € 13,00

Winter, Susanne (Hrsg.): Donne a Venezia. Vicende femminili fra trecento e settecento. Rom 2004 : Edizioni di storia e letteratura, ISBN 88-8498-163-8 223 S. € 21,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Elena Taddei, Institut für Geschichte, Universität Innsbruck

Ein Vortragszyklus von sowohl italienisch- als auch deutschsprachigen ReferentInnen im interdisziplinären Forschungszentrum Centro Tedesco di Studi Veneziani gab den Anstoß zu diesem ersten Band einer neuen viel versprechenden Serie. Allen Beiträgen gemeinsam ist der Bezug zur Serenissima auf der einen und die Geschichte der Frauen in jener Republik auf der anderen Seite. Der Schwerpunkt liegt dabei auf die Untersuchung der Bedeutung einzelner Frauen, weiblicher Gruppen und ganzer Gesellschaftsschichten für das soziale und kulturelle Leben der Stadt zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert.

Den Anfang macht Linda Guzzetti (Le donne nello spazio urbano della Venezia del Trecento), welche die vielzitierte, verallgemeinernde Behauptung, dass Frauen v.a. in Venedig selten ihr Haus verließen und kaum in der „Öffentlichkeit“ tätig wurden, endlich revidiert und nach einer Klärung der schwierigen Begriffe des „Öffentlichen“ und „Privaten“ jene Räume ausforscht, in denen sich Frauen sehr wohl aufhielten bzw. aufhalten durften und an die – wie auch immer definierte – Öffentlichkeit traten, um dort tätig zu sein.

Mit einer der vielen „Exotinnen“ in Venedig geht es im Beitrag von Silvia Ronchea (Un’aristocratica bizantina in fuga: Anna Notaras Paleologina) weiter: Anna Notaras Paleologina, die aus dem byzantinischen Hochadel stammende Tochter Luca Notaras, kommt beim Fall von Konstantinopel 1453 mit reicher Mitgift nach Venedig und findet schon bald in Kardinal Bessarion einen Beschützer und Gesinnungsgenossen. Mit ihrer Hilfe versuchte der Kirchenmann – erfolglos – in Venedig ein Byzanz des Westens zu gründen. Anna Notaras gelingt hingegen – auch dank ihrer finanziellen Mittel – die Ansiedelung von ca. 100 griechischen Familien in der Nähe von Siena. Hier leben byzantinische Kultur und Traditionen ebenso wie die griechische Sprache und die orthodoxe Liturgie auf italienischem Boden weiter. In Venedig selbst trug Anna Notaras eine überaus reiche griechische Bibliothek zusammen und unterstützte den auf griechische Werke spezialisierten Verleger und Drucker Zaccaria Kalliergis.

Auch die Dichterin Gaspara Stampa darf in diesem räumlichen und zeitlichen Kontext nicht fehlen. Ulrike Schneider (Gaspara Stampa e la questione dell’autenticità) untersucht die Bedeutung des Petrarchismus als einer Möglichkeit für Frauen, als Dichterinnen aufzutreten. Dabei macht die Autorin darauf aufmerksam, dass die von Salza betreute Edition der Werke von Gaspara Stampa ein wenig die Intentionen der Dichterin verzerrt haben, da sie keine Frau ist, die den petrachistischen Stil benutzt, um ihr (Liebes-)Leid auszudrücken, sondern eine „echte Dichterin“ (S. 50), die bewusst die Form des „Canzoniere“ wählt (S. 63), die Autobiografisches in ihre Lyrik hineinwebt, die eine genaue Struktur verfolgt und die nicht zuletzt – den Männern gleich – für „Ruhm und Ehre“ dichtet (S. 68).

Nach der Dichtkunst geht es weiter mit einer bemerkenswerten Vertreterin der darstellenden Kunst: Giovanna Garzoni. Diese aus Ascoli stammende und in Venedig sesshaft gewordene Miniaturmalerin wird von Francesca Bottacin (Giovanna Garzoni pittrice di ritratti „amorevoli“. Una proposta per il soggiorno veneziano) näher beleuchtet. Der ihr eigene Porträtstil ist in Venedig unter dem Name „pontillisme garzoniano“ zum Begriff geworden. Mit der Bemerkung, dass Garzoni die berühmtere Artemisia Gentileschi nicht nur kannte, sondern auch mit ihr Kontakt pflegte, bricht der Beitrag allerdings plötzlich ab, ohne weiter über den Werdegang der Hauptfigur zu berichten. Die in diesem Aufsatz geweckte Neugierde des/der Leser/in bleibt so leider ungestillt.

In einem Werk zu den Frauen Venedigs kann natürlich auch die allseits bekannte erste Doktorin nicht fehlen, der sich Ruggero Rugolo (Sul mito di Elena Lucrezia Cornaro Piscopia) widmet. Dabei werden ausführlich der Mythos und der Antimythos der ersten in Padua doktorierten Frau Revue passiert, die – wie der Autor betont – anders als ein Mann Tugend, Keuschheit und fast den Ruf der Heiligkeit brauchte, um den Doktortitel und die damit verbundenen Ehren zu erreichen (S. 113).

Einen ähnlichen Vergleich auf der Basis der Geschichtsrezeption macht Volker Hunecke (Essere nobildonne nella Venezia del Sei e Settecento). Er beschäftigt sich dabei vor allem mit dem Ruf, den sich die venezianischen Frauen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts mehr oder weniger verdient haben (dass sie sich dem Laster und Luxus hingeben, die Erziehung der Kinder vernachlässigen, etc.) und versucht dieses einseitige, von der Geschichtsschreibung beeinflusste Bild einer so heterogenen Gruppe zu revidieren. Die erste und wichtigste Erkenntnis ist die, dass auch in Venedig wie in anderen großen und kleinen Fürstenhäusern Männer und Frauen zunächst die Pflicht ihrem Haus und – im weitesten Sinne – der Republik gegenüber zu erfüllen hatten und erst in einem zweiten Moment ihr persönliches Glück verfolgen durften, ohne Unterschied ob es sich dabei um das Hervorbringen von Nachwuchs („metter al mondo figli capaci al Maggior Consiglio“, S. 156) oder um den Eintritt ins Kloster und den Verzicht auf die Gründung einer Familie handelte. Spricht man in den europäischen Fürstenhäusern von „Staatsräson“, so bezeichnet der Autor dieselbe in Venedig als „Familienräson“ („ragione di familia“, S. 149).

Im Beitrag von Helen Geyer (Cantavano come usignoli: Le „putte“ e la loro influenza sulla musica dei quattro ospedali/conservatori veneziani) wird mit reichlichen Notenbeispielen, die oft den Rahmen des Beitrags zu sprengen drohen, der Einfluss einiger ausgewählter Virtuosinnen auf die Entwicklung neuer musikalischer Gattungen und auf die Schwerpunktverlagerung vom rein stimmlichen Können zu einer Inszenierung gezeigt, die sehr viel theatralisches Darstellungskönnen und Rezitationskapazität erforderte. Der Musik-Laie wird dabei anfangs mit einer Vielzahl von Namen von Sängerinnen und Komponisten konfrontiert, die manchmal einer eingehenderen Darstellung bedürften. Wünschenswert wären auch einige überblicksartige Erläuterungen zu den erwähnten Konservatorien, den so genannten „Ospedali“, gewesen.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet der Beitrag von Margarete Zimmermann (Reggenti – traduttrici – salonnières: La mediazione culturale al femminile), die sich mit den wichtigen Fragen der Möglichkeit des Kulturtransfers durch Frauen beschäftigt, und zwar v.a. durch jene, die in die Fremde verheiratet wurden. Mit Beispielen aus verschiedenen Bereichen versucht die Autorin den Kulturtransfer sichtbar zu machen. Leider wird „Venedig“ dabei nur spärlich tangiert und der Beitrag mutiert eher zu einer allgemeinen Darstellung der Frauen als Kulturvermittlerinnen und Förderinnen des Kulturaustausches. Dass Kulturtransfer präsent und verbreitet war, ist eine bereits belegte Tatsache; deshalb ist es wichtig, dass diese Thematik in einem Band zur Geschichte der Frauen aufgegriffen wird. Dieser Beitrag hätte aber auf jeden Fall ausgebaut werden sollen, denn in dieser Knappheit wird er seinem eingangs gesteckten Ziel leider nicht gerecht.

Am anderen Ende des italienischen Stiefels ist die Arbeit von Renata Ciaccio angesiedelt, die sich die Frage stellt, inwieweit süditalienische Frauen imstande waren, selbstständig Entscheidungen zu treffen, und inwieweit sie daran von ihren Familien und von der Gesellschaft gehindert wurden. Dafür sollen die Beziehungen innerhalb der eigenen vier Wände und zwischen den einzelnen Familienmitgliedern untersucht werden. Für dieses schwierige Unterfangen stützt sich die Autorin auf jene Quellen, die u.a. die Weitergabe des Familienerbes und der damit verbundenen Privilegien belegen. In diesem Bereich des Privaten sucht die Autorin nach Spuren von Frauen im kleinen geografischen Raum der Stadt Cosenza für den Zeitraum 1750-1850, einer Zeit komplizierter und sich oft wandelnder Rechtsprechung. Die benutzten Quellen sind demnach v.a. Notariatsakten, aus denen man Wünsche, Wille und Erwartungen von Personen, die den Weg zum Notar machten, herauslesen kann, also Testamente, Inventare und Eheverträge. Weitere Quellen sind Prozessakten aus der Zeit von 1837 bis 1846, die einiges über Nachbarschaftsverhältnisse, Ehrgefühl, Geschäfts- und Arbeitsverträge sowie Geldverleih aussagen.

Die Mitgift spielt bei der Untersuchung der Möglichkeiten der Frau eine wichtige Rolle, bedenkt man, dass dank der in die Ehe mitgebrachten Geldsummen und Besitzungen nicht wenige Familienbesitze gerettet und Schulden getilgt werden konnten. Allerdings, so betont die Autorin zu Recht, darf nicht vergessen werden, dass die Mitgift eine Möglichkeit war, jegliche Ansprüche auf Erbfolge in der Herkunftsfamilie zu ersticken. Überdies war sie auch nicht Besitz der Frau, die ohne die Zustimmung des Mannes weder ein Teil von ihr verschenken noch mit ihrer Hilfe etwas erwerben konnte. Nur über selbst erwirtschaftetes Kapital durfte sie frei verfügen (S. 16).

Eine Möglichkeit von Frauen, die Benachteiligung ihres Geschlechts bei Erbansprüchen ein wenig wett zu machen, war die Bevorzugung von weiblichen Erben bzw. die Wahl von Frauen als Vollstreckerinnen ihrer Testamente. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts kann die Autorin vor allem anhand der Notariatsakten eine Trendwende erkennen: Nicht mehr ausschließlich adlige und großbürgerliche Frauen testieren jetzt, sondern immer mehr mittel- und kleinbürgerliche sowie vor allem auch Frauen aus dem bäuerlichen Milieu. Diese sind weniger darauf bedacht, dass das Erbe in einer Hand bleibt, als vielmehr darauf, jene zu „belohnen“, die sich zeitlebens um sie gekümmert und sie umsorgt haben; darunter sind meist weibliche und nicht selten familienfremde Personen zu finden (S. 59). Die Untersuchung der Testamente ergab, dass Frauen und vor allem Witwen die rechtliche Benachteiligung von Töchtern und Mägden linderten, indem sie sie testamentarisch bedachten.

Im Kapitel über die Frauen im Kloster greift die Autorin bereits Bekanntes auf – etwa die Möglichkeit des Studierens oder die geringere Höhe der Mitgift bei der Wahl des Klosterlebens. Unter der Überschrift „Körper und Sexualität“ bringt sie Beispiele jener florierenden Literaturgattung des 19. Jahrhunderts zur Sprache, die in der Form von Handbüchern für die perfekte Hausfrau, Ehefrau und Mutter den Schutz der Frau vor einer moralisch immer dekadenter werdenden Gesellschaft zum Ziel hatte. In diesem Zusammenhang geht Ciaccio auch auf die Möglichkeit ein, sich mittels Mordes an den Ehegatten von einer unglücklichen Beziehung zu lösen. Hierbei werden die Prozessakten untersucht, die nicht nur zahlreiche Vergewaltigungsfälle an den Tag bringen, sondern auch die Rechtsprechung mit ominösen Todesfällen von Ehepartnern konfrontierten.

Den Abschluss der quellenreichen Arbeit bildet ein Kapitel über die weibliche Arbeitswelt und die Rolle der Frau als Oberhaupt und Erhalterin der Familie während der durch Kriege, Arbeitslosigkeit oder Saisonarbeit oftmals bedingten Abwesenheit der Männer. Ein zusammenfassendes Schlusswort hätte diese interessante Arbeit über verschiedene Aspekte des weiblichen Lebens und Wirkens im Süditalien des 18. und 19. Jahrhunderts allerdings besser abgerundet als nur die ausgewählte Bibliografie und das Namensregister.

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