B. Haunfelder: Die liberalen Abgeordneten

Titel
Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags 1871-1918. Ein biographisches Handbuch


Autor(en)
Haunfelder, Bernd
Erschienen
Münster 2004: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
512 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Biefang, Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bonn

Ein biografisches Handbuch für den Deutschen Reichstag, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügen kann, existiert bislang nicht. Wohl aber liegen Nachschlagewerke für die Abgeordneten einzelner politischer Parteien vor: für die Sozialdemokratische Partei von 1867 bis 1933 (einschließlich der Landtage) 1 und für die Zentrumspartei von 1871 bis 1933. 2 Für die liberalen Fraktionen des Reichstags hat Bernd Haunfelder nun einen umfangreichen Band erarbeitet, der in Anlage und Gestaltung bis ins Detail dem der Zentrumspartei gewidmeten Vorgänger folgt.

Wegen der verwickelten, von zahlreichen Abspaltungen, Neu- und Umgründungen geprägten liberalen Fraktionsgeschichte hat sich Haunfelder dazu entschlossen, die Abgeordneten sämtlicher liberaler Gruppierungen zu berücksichtigen. Mit seinen 979 biografischen Einträgen bietet der Band die bislang umfassendste Zusammenschau der liberalen politischen Elite des Kaiserreichs. Die Daten sind im Wesentlichen aus den verschiedenen offiziösen und (seit 1890) offiziellen Reichstagshandbüchern kompiliert, die auf Selbstangaben der Abgeordneten beruhen. Ferner wurde eine umfangreiche biografische Literatur herangezogen. Ergänzende Informationen, vor allem zu den wenig oder gar nicht bekannten Abgeordneten, ließen sich durch Archivanfragen ermitteln. Insgesamt handelt es sich um eine beeindruckende Fleißarbeit, die der Verfasser auf sich genommen hat.

Die Einträge enthalten, soweit die Daten verfügbar waren, Informationen über Bildungsgang, Berufstätigkeit, Parlamentsmandate und politische Ämter. Zudem hat Haunfelder versucht, die Funktion der Abgeordneten innerhalb der liberalen Fraktionen und in den liberalen Parteigliederungen, Parteien und Komitees zu dokumentieren. Hier dürfte die Fehlerquote sehr hoch sein, was man jedoch angesichts des organisatorischen Durcheinanders und der ungünstigen Quellenlage nicht dem Autor anlasten kann. Stärker fällt demgegenüber ins Gewicht, dass Haunfelder die biografischen Einträge gelegentlich mit wertenden Urteilen und Einordnungen versieht, die bestreitbar und in einem Nachschlagewerk dieser Art eigentlich überflüssig sind. Um nur ein Beispiel zu nennen: zu Rudolf von Bennigsen, dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden, heißt es (S. 65): „Schwächte durch erfolglose Gespräche mit Bismarck, aber auch durch grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über dessen Wirtschaftspolitik, das politische Gewicht seiner Partei, wie er das taktische Spiel des Kanzlers in Sachen Freihandel seiner Partei gegenüber nicht durchschaute.“

Die kurze, eher impressionistische Einleitung liefert einige Bemerkungen zum Sozialprofil und zur Geschichte der liberalen Fraktionen sowie einige interessante Einzelbeobachtungen zur Selbstdarstellung der Abgeordneten in den Parlamentshandbüchern – so enthielten die Einträge so gut wie nie Hinweise auf Ämter in Partei oder Fraktion. Das beigefügte Bildmaterial (im Wesentlichen 69 cartes-de visite-Porträts aus Privatbesitz) wird lediglich illustrativ verwendet und als eigenständige Quelle nicht ernst genommen. Die im Vergleich zum Zentrumsband spärliche Bebilderung begründet Haunfelder damit, dass für die liberalen Parteien nur wenige Abgeordnetenalben oder fotografische Quellen von Rang überliefert seien (S. 19). Das ist definitiv falsch. Im Gegenteil ist die bildliche Überlieferung für keine andere politische Richtung mit Ausnahme der Sozialdemokratie ab 1900 so dicht wie für die liberalen Fraktionen. Ungeachtet dieser Einwände handelt es sich bei dem Band um ein nützliches Nachschlagewerk, das auf absehbare Zeit maßgeblich bleiben wird.

Anmerkungen:
1 Schröder, Wilhelm H., Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933. Biographien – Chronik – Wahldokumentation. Ein Handbuch, Düsseldorf 1995.
2 Haunfelder, Bernd, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1871–1933. Biographisches Handbuch und historische Photographien, Düsseldorf 1999.

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