W. Geiger: L'image de la France dans l'Allemagne nazie 1933-1945

Titel
L'image de la France dans l'Allemagne nazie 1933-1945.


Autor(en)
Geiger, Wolfgang
Anzahl Seiten
412 S.
Preis
€ 27,44
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Prof. Dr, Frank-Rutger Hausmann, Romanisches Seminar der Albert-Ludwigs-Universität

Die vorliegende Studie füllt eine von allen Frankreichforschern bereits häufig beklagte Lücke. Der Verfasser will die Frage beantworten: "Quelle fut l'image de la France et des Français sous le IIIe Reich?" (S. 9). Obwohl es eine schier unübersehbare Zahl einschlägiger Publikationen gibt, hat sich bisher noch niemand systematisch an dieses Thema herangewagt, wobei die Gründe von Scheu bis Abscheu reichen. Es sei vorweg gesagt, daß Geigers Arbeit eine Art Handbuch darstellt, das viele Werke bekannter Autoren bespricht (z.B. Friedrich Sieburg, Paul Diselbarth, Karl Epting, Friedrich Jünger, Edwin Erich Dwinger u.a.), aber noch mehr unbekanntes Material erschließt. Unverzeihlich ist allerdings das Fehlen eines Namensindex, was das Nachschlagen unnötig erschwert. Bei allem gebotenen Kosmopolitismus besteht ein weiterer Nachteil darin, daß das Buch, ursprünglich eine 1996 an der Université de Nantes eingereichte historische Dissertation, französisch geschrieben ist. Dies führt dazu, daß der Verfasser alle ursprünglich deutschen Zitate ins Französische übersetzt hat, inklusive der Buchtitel, die sich dann nur in den Fußnoten auch in der deutschen Originalversion mit französischer Übersetzung finden. In jedem Fall ist dem Buch eine Übersetzung ins Deutsche zu wünschen, die gleichzeitig zur Überarbeitung und Ergänzung genutzt werden könnte.

Die Untersuchung weist eine fast kartesianische Dreiteilung auf: Im I. Teil wird das auf Frankreich bezogene Schrifttum der Vorkriegszeit (1933-39), im II. das der Kriegszeit (1939-40) und im III. das der Besatzungszeit (1940-44) analysiert. Man könnte diese drei Abschnitte auch unter die Überschriften das `fremde', das `gegnerische' und das `kollaborierende' Frankreich stellen. Geiger bezieht in erster Linie Monographien ein, die das damals gegenwärtige Frankreich betreffen. Erst an zweiter Stelle folgen wichtige Zeitschriften wie die Cahiers franco-allemands / Deutsch-französische Monatshefte, Deutschland-Frankreich, Das Reich oder Volk und Reich. In der Zusammenstellung des ausgewerteten Textkorpus ist nicht immer eine klare Linie zu erkennen, denn gelegentlich werden auch Arbeiten besprochen, die historische Aspekte behandeln, z.B. im Falle von Carl Schmitt (s.u.). Die Verfasser all dieser Frankreichbücher und -artikel sind zunächst einmal Reisende, sodann Schriftsteller, Essayisten, Journalisten und Reporter, aber auch Deutschlektoren, Militärs, Professoren, Verwaltungsbeamte und Parteifunktionäre. So wird der Leser mit diversen Textsorten unterschiedlichen Niveaus konfrontiert. Doch da der Verfasser Historiker ist, interessiert ihn der ästhetische Gehalt seiner Quellen nicht besonders. Er referiert in chronologischer Reihenfolge im wesentlichen ihren Inhalt, bündelt zusammengehörige Titel und flicht gelegentlich ideologiekritische Bemerkungen ein.

Im Titel des Buchs wird der `Bild'-Begriff verwandt, und Geiger weiß natürlich, daß es eine literaturwissenschaftlich-komparatistische Untersuchungsmethode gibt, die `Imagologie' heißt (S. 9). Aber er läßt es bei diesem Hinweis bewenden und benutzt diese Untersuchungsweise nicht, obwohl sicherlich die Hälfte seiner Texte primär literarischer Natur sind. Die Imagologie will keine `völkisch' verankerten Sonderarten ausmachen, sie strebt vielmehr danach, "die jeweiligen Erscheinungsformen der images sowie ihr Zustandekommen und ihre Wirkung zu erfassen. Außerdem will sie auch dazu beitragen, die Rolle, die solche literarischen images bei der Begegnung der einzelnen Kulturen spielen, zu erhellen. Bei alledem lautet aber das oberste Prinzip: Imagologie ist nicht Teil eines ideologischen Denkens, sondern vielmehr ein Beitrag zur Entideologisierung" 1. Dieses Verfahren läßt sich natürlich auch auf andere Quellenarten übertragen, denn der Verfasser berücksichtigt außer großen Frankreichbüchern noch militärische, diplomatische und kulturpolitische Akten (vgl. die Übersicht auf S. 405; im wesentlichen handelt es sich um Dokumente aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn und der Bundesarchive in Koblenz bzw. des dazu gehörigen Militärarchivs in Freiburg), dazu wissenschaftliche Aufsätze von Historikern, Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern, Philosophen, Kunstkritikern und Romanisten. Diesbezüglich ist Geiger nicht ganz konsequent, denn zu Beginn hatte er den Eindruck erweckt, sich vorzugsweise auf unterschiedliche Berichte zum (damals) gegenwärtigen Frankreich zu beschränken. Nun soll hier nicht gesagt werden, daß Geiger keinen ideologiekritischen Standpunkt hätte - es ist der eines quellenkritisch geschulten Historikers, der auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates und der deutsch-französischen Aussöhnung steht -, aber es genügt bei den einzelnen Texten nicht, kurze Hinweise auf Ausbildung und Funktion des Verfassers zu geben, um die Stereotypen, Vorurteile und Klischees zu verdeutlichen, die nun einmal zur Tradition wesenskundlicher Arbeiten gehören und sehr stark durch das 'Feld', dem ein Verfasser zuzuordnen ist, konditioniert werden. Auch sind die gebotenen Angaben im allgemeinen sehr summarisch.

Offen bleibt weiterhin die Frage, wer eigentlich durch die Frankreichberichte informiert und beeinflußt werden sollte, wenn man berücksichtigt, daß die Publikationen im gleichgeschalteten Deutschland nur wenig Spielraum für eine differenzierte Meinungsbildung ließen. Zwar brachten die meisten Deutschen und somit auch die hier zu Wort kommenden Autoren französischer Kultur und Lebensart viel Sympathie entgegen, doch wirkte das Trauma der 'Schande von Versailles' bei den meisten immer noch nach. Insofern wurde der Sieg vom Mai-Juni 1940 als gerechte Vergeltung empfunden. Hinfort sollten sich die weltpolitischen Gewichte verschieben, nicht mehr Frankreich mit seiner Kultur auf dem europäischen Kontinent bestimmen, sondern Deutschland, das wiedergeborene 'Reich'. Diejenigen sahen sich endlich bestätigt, die in Frankreich längst eine 'verbrauchte Nation' erblickt hatten, die dem durch den Nationalsozialismus geeinten und gestählten Reich nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen hätte und dessen Armeen binnen kurzem von der effizienten deutschen Kriegsmaschine sozusagen zermalmt worden sei. Wenngleich sich nach dem Krieg die Abetz, Epting, Sieburg und wie sie alle hießen darauf beriefen, im Grunde genommen auch im NS-Staat im Sinne von Locarno für ein französisch-deutsches Miteinander eingetreten zu sein, entlarvt sich dies schnell als Notlüge oder Selbsttäuschung.

Nur einmal erwähnt Geiger Hitler (S. 41), der in Mein Kampf deutlich gemacht hatte, was er von Frankreich hielt. Und derartige Äußerungen, die um solche von Rosenberg, Goebbels und anderen Nazigrößen ergänzt werden können, gaben damals den Ton an. Hitlers Frankreichaversion war überdeutlich, und sie führte dazu, was von Geiger nicht erwähnt wird aber für das Verständnis der deutsch-französischen Beziehungen kapital ist, daß in den Schulen 1935 das Französische auf Platz 3 der Fremdsprachen zurückgestuft wurde, das in der Weimarer Zeit außerhalb der Humanistischen Gymnasien meist die erste erlernte Sprache gewesen war. Die allgemein verbindliche Deutsche Oberschule bot nur noch Unterricht in Englisch und Latein als Regelsprachen an, Französisch wurde Wahlfach. Englisch und Latein galten Hitler als 'imperiale Sprachen', Französisch hielt er für überflüssig. Man brauchte nur das jedermann zugängliche Programmpamphlet Mein Kampf zu lesen, von dem bis 1943 fast 10 Millionen Exemplare in 800 Auflagen verbreitet worden waren, um zu verstehen, warum. Ein einziger Satz Hitlers wie "Dieses an sich immer mehr der Vernegerung anheimfallende Volk [sc. die Franzosen] bedeutet in seiner Bindung an die Ziele der jüdischen Weltbeherrschung eine lauernde Gefahr für den Bestand der weißen Rasse Europas" (Mein Kampf, Volksausg. 1939, S. 704) genügte als Erklärung.

Doch die platten Klischees der völlig unwissenschaftlichen Rassenkunde, die aufgrund ihrer unempirischen Beliebigkeit auch in einer Epoche, die noch nichts von Genetik wußte, zu Recht bloß als 'Kunde', nicht als Wissenschaft einzustufen war, wurden nur allzu gerne geglaubt. In diese Kerbe hieb auch Alfred Rosenberg mit seinem Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts (1930): "Wer heute auf das demokratisierte, von schlauen Rechtsanwälten mißregierte, von jüdischen Bankiers ausgeplünderte, geistreich schillernde und doch nur noch von einer Vergangenheit zehrende Frankreich blickt, der vermag sich kaum vorzustellen, daß dieses Land einst vom Norden bis zum tiefsten Süden im Brennpunkt heroischer Kämpfe gestanden hat, die über ein halbes Jahrtausend Gestalten kühnster Art erzeugten und die, umgekehrt, durch Männer heldischer Gesinnung immer wieder neu entfacht wurden. Wer unter den `Gebildeten' weiß heute wirklich etwas von dem gotischen Toulouse, dessen Ruinen noch jetzt vieles von einem stolzen Menschentum erzählen? [...] Als letztes Überbleibsel des Westgotentums liegt hier [= Südfrankreich, FRH] nur noch die einzige protestantische Hochschule Frankreichs: Montauban" (Ausg. München 125.-128 Aufl. 1938, S. 88f.). Geigers Textpanorama wirkt vor diesem Hintergrund allzu idyllisch, denn auch bezüglich Frankreichs kann man wieder von einer 'doppelten Buchführung' des Nationalsozialismus sprechen.

Es gab das Schrifttum à la Gott in Frankreich, das die französische Kultur bewunderte, aber auch politisches, das im positiven Fall Kollaboration einforderte, im negativen Frankreich für alle Zeiten klein und gedemütigt sehen wollte. Davon wird in der vorliegenden Untersuchung zu wenig einbezogen, da es sich meist in Zeitschriften findet.

Eine Schaltstelle für die deutsch-französischen Beziehungen war zweifellos das die meiste Kriegszeit über von Karl Epting geleitete Deutsche Institut (DI) in Paris. Von hier aus wurden Lektoren betreut, Gastvorträge organisiert, Übersetzungen in Auftrag gegeben, aber auch französische Intellektuelle nach Deutschland begleitet. Geiger kann hier an die Vorarbeiten von Barbara Unteutsch 2 und Eckard Michels 3 anschließen, die er um eigene Archivrecherchen ergänzt. Er zitiert (S. 255f.) ausführlich aus den Monats- und Arbeitsberichten der deutschen Lektoren in Angers, Besançon, Bordeaux, Nantes, Marseille, Nizza, Paris, Poitiers und Tours, die höchst willkommene Zustandsschilderungen des besetzten Frankreich enthalten.

Nun gibt es zwar Ansätze einer Epting-Forschung, aber mangels fehlender Korrespondenzen liegt vieles noch im dunkeln. So hat auch Geiger nur wenige der einschlägigen Titel der von Epting unter dem Pseudonym Mathias Schwabe edierten antifranzösischen Pamphlete (sog. Schwarze Reihe) ausgewertet (S. 139, 144, 171f., 186), die im Kontext gesehen werden müssen. Sie sollten in der `drôle de guerre' noch einmal richtig die Stimmung gegen Frankreich anheizen. Daß ihr Herausgeber eine der einflußreichsten Persönlichkeiten im Deutsch-Französischen Austausch war und sein sollte, wurde nur mühsam durch das Pseudonym Mathias Schwabe kaschiert. Der Mann mit dem Doppelnamen war Frankreich gegenüber genauso ambivalent. Mal schalt er es, mal lobte er es, je nachdem, was gerade opportun war. Allein die Lektüre der Titel - Frankreich, Zentrale des internationalen Mädchenhandels, Der Kreuzzug der französischen Kardinäle, Haßdichtung in Frankreich, Rauschgift und Verbrechen in Frankreich usw., macht schaudern 4.

So bleibt festzuhalten, daß `Gemeinschaftswerke', die die NS-Wissenschaftsbürokratie an die Stelle von Individualforschung setzen wollte, im vorliegenden Band zu kurz kommen. Denn auch von den Kriegseinsatzschriften der sog. Aktion Ritterbusch werden nur Knauer, Leube und Neubert gewürdigt (S. 348f.). Zu diesem Einsatz gehört immerhin der von Karl Heinz Bremer für Deutschland-Frankreich (Heft 2, 1942) eingeworbene Beitrag von Carl Schmitt über "Die Formung des französischen Geistes durch die Juristen", den Geiger ausführlich würdigt (S. 271). Der romanistische Teil des `Kriegseinsatzes' stand unter dem Motto `Frankreich, sein Weltbild und Europa' und war das bedeutendste Unterfangen der deutschen Hochschulromanistik zum Frankreichbild im Dritten Reich überhaupt. Und auch der historische Teil der `Aktion Ritterbusch',`Das Reich und Europa', beinhaltete wichtige Frankreichpublikationen 5. Hinzuzufügen wären noch diverse Arbeiten der volksdeutschen Forschungsgemeinschaften, auf die jüngst Michael Fahlbusch hingewiesen hat 6, um nur die wichtigsten und umfassendsten Gemeinschaftswerke zu nennen. Fahlbusch geht davon aus, daß es unterschiedliche `Thinking tanks' gegeben habe, die die Nazis wissenschaftlich berieten. Diesbezüglich wäre im Hinblick auf Frankreich auch auf die von Franz Alfred Six ins Leben gerufene Auslandswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin hinzuweisen 7. In den Jahrgängen 1941-44 des von Six herausgegebenen Jahrbuch für Politik und Auslandskunde wird regelmäßig über alle selbständigen Länder berichtet, natürlich auch über Frankreich. Der Frankreich-Referent war der Direktor der Frankreichabteilung des Auslandswissenschaftlichen Instituts, Ernst Wilhelm Eschmann. An dieser Fakultät wurden Dolmetscher, Verwaltungsbeamte und NS-Funktionsträger ausgebildet, d.h. die zukünftigen mit dem Ausland befaßten Eliten. Während seiner Kaltstellung habilitierte sich Epting bei Six in französischer Landeskunde. Die von Eschmann verfaßten Berichte harren noch einer gründlichen Auswertung.

Sehr aufschlußreich sind last but not least auch die Ausführungen Geigers zur bretonischen Autonomie, die 1941 mit der Gründung eines Keltischen Instituts in Rennes ihren sichtbaren Ausdruck fanden. So sehr alle diejenigen, die über Frankreich schrieben, sich bemühten, die Autonomie seiner Kultur zu würdigen, auch wenn gelegentlich zumindest für den Norden eine rassisch-sprachliche Nähe zum Germanentum behauptet wurde, die Bretonen durften auf Autonomie hoffen und wurden viel besser behandelt als die übrigen Regionen, beispielsweise die Provence oder Burgund. Seit der Kaiserzeit erfreuten sich keltische Separatisten besonderer deutscher Aufmerksamkeit, und jüngst hat Lerchenmüller nachgewiesen, daß die Keltologie als akademische Speerspitze machtpolitisch-rassistisch motivierter Agression im Kriege diente 8. Seine Forschungen ergänzen sich gut mit denen Geigers, der durch seine berufliche Tätigkeit der Bretagne besonders verbunden ist.

Geiger bietet eine Fülle von Namen und zeichnet ein klar konturiertes Bild frankreichkundlicher Publikationen im Untersuchungszeitraum. Es versteht sich aber von selber, daß dieses Bild nicht vollständig sein kann, insbesondere nicht im Bereich der Zeitschriften oder des Fachschrifttums, stamme es nun von Romanisten, Kunsthistorikern, Juristen, Historikern oder Geographen. Ein Rezensent sollte sich zunächst mit dem auseinandersetzen, was der rezensierte Autor geleistet hat, und dies verdient hohe Anerkennung. Aber Geiger fordert Vorschläge zur Vervollständigung dadurch heraus, daß sein Textcorpus immer heterogener wird, je weiter das Buch voranschreitet. Und da zu erwarten ist, daß so bald kein neuer Versuch unternommen wird, das gestellte Thema zu behandeln, mögen für den kritischen Leser weitere Hinweise nicht unnütz sein.

Greifen wir eine der Schlüsselfiguren der deutsch-französischen Beziehungen heraus, der Geiger mehrfach längere Abschnitte widmet. Es handelt sich um Karl Heinz Bremer (1911-1942), bis zu seinem Tod an der Ostfront ab 1940 stellvertretender Leiter des Deutschen Instituts in Paris und nach Epting der `zweite Mann' des DI. Ab 1936 schrieb er als Frankreichspezialist regelmäßig in Deutsches Volkstum (ab 1939 wurde der Untertitel `Zeitung aus der wissenschaftlichen Welt' zum Haupttitel), pro Heft etwa fünf Beiträge. Es handelte sich um eine regimenahe Zeitschrift, die mit einem festen Leserkreis rechnen konnte, da sie viele allgemein interessierende Aspekte aus Literatur, Politik, Geschichte, Film, Musik, Philosophie, Religion und Tagesgeschehen behandelte. Die Lektüre der Bremerschen Artikel lehrt, was ein durch den Nationalsozialismus geformter Intellektueller von Frankreich dachte und weitergab.

Bremer, von dem wir nicht wissen, wer oder was ihn für den Nationalsozialismus warb, war militanter Antisemit, Antidemokrat, Pangermanist und Verteidiger des Führerprinzips. Mit anderen Worten: Juden, Republikaner, Sozialisten jeglicher Couleur, vor allem die sog. Bolschewisten, sowie Gegner Großdeutschlands und seiner Ausdehnungsgelüste standen im Kreuzfeuer seiner Kritik. Seine Artikel, die immer um Frankreich und sein Verhältnis zu Deutschland, vor allem um die Kriegsschuldfrage, kreisten, belegen eine profunde Kenntnis der französischen Gegenwartsliteratur, der Presse und der Politik, dazu Vertrautheit mit Land und Leuten, aber keine wirkliche Liebe zum Nachbarland. Bremer, ein sehr gut informierter und überzeugter NS-Parteigänger und Agitator, kannte alle journalistischen Finten und Tricks, schrieb knapp, plakativ und klar. Er beherrschte mehrere journalistische Genres: Reisebericht, Rezension, Pamphlet und Essay. Das bekamen vor allem André Gide, André Malraux, Léon Blum und die französischen Juden zu spüren, deren angebliche internationale Verschwörung er geißelte und dabei Edouard Drumont, Henry de Montherlant oder Louis-Ferdinand Céline und sein schreckliches Werk Bagatelles pour un Massacre hochleben ließ. Gide wurde immerhin als Suchendem, wenngleich als Irrendem und Entwurzeltem, ein gewisses Verständnis entgegengebracht.

Bremer trat für einen neuen Typus der gegenwartsbezogenen Frankreichkunde ein, die sich mit Geschichte, Politik, Erziehung, Literatur und Kunst unter Einbeziehung aller Medien befaßte 9.

Zahlreiche der `kleinen Bremers', mit deren Schriften uns Geiger vertraut macht, waren nach dem Krieg wieder in der westdeutschen Nachkriegspresse präsent. In diesem Kontext sei der Hinweis erlaubt, daß auch Geiger, ohne darauf näher einzugehen, einen wichtigen Beitrag zur Kontinuitätsfrage zwischen `Drittem Reich' und der Bundesrepublik liefert. Diejenigen, die Frankreich eher kritisch gesehen hatten, mutierten jetzt zu angesehenen Journalisten, Pädagogen oder Professoren und wurden gar zu Protagonisten der neuen viel beschworenen deutsch-französischen Freundschaft. Die Fälle Friedrich Sieburg und Karl Epting sind bekannt, zumindest zu Sieburg gibt es eine umfangreiche Literatur. Von den allein für Das Reich schreibenden und vom Verfasser vorgestellten Autoren (S. 303f.) Eugen Mündler, Karl Korn, Otto Philipp Häfner, Werner Stephan, Kurt Pritzkoleit, Erwin Mohr, Hubert Neun, Hans Schwarz van Berk, Ilse Urbach, Frans Rodens, Karl Frahm, Joachim Freyburg, Albert Buesche und Alfred Rapp waren die mit einem Asterisken gekennzeichneten gleich nach dem Krieg wieder bei der jetzt `demokratischen' Presse tätig 10.

Greifen wir noch einen anderen Namen heraus, Otto Weise (hier S. 186), der an der `Schwarzen Reihe' mitwirkte und Frankreich und der deutsche Geist - Französische Bekenntnisse (Berlin 1940) dazu beisteuerte, immerhin das einzige Buch aus Geigers Korpus, das kurz vor Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen dem deutsch-französischen Verhältnis auch positive Aspekte abgewann. Der Verfasser ist bekannt. Er studierte in Paris und Heidelberg und promovierte 1934 in Jena, war nach dem Zweiten Staatsexamen bis Kriegsbeginn Lektor in Bordeaux, ab September 1939 im Frankreichreferat der Informationsstelle I des von Prof. Fritz Berber geleiteten Deutschen Instituts, das dem AA unterstand, nahm auch am romanistischen Kriegseinsatz teil, war dann Soldat und lebte im Ruhestand in den achtziger Jahren in Stuttgart. Der aufmerksame Leser der Klemperer-Tagebücher wird ihn jedoch 1948 als Verlagslektor und Prokurist bei Teubner in Leipzig, also in der SBZ, wiederfinden, als er versucht, Klemperer als Autor zu gewinnen: "Nachm. gegen 18 h (1.X.) Von 12 - gegen 17 war Dr Weise hier, um meinetwillen herübergekommen. Romanist, Dolmetscher, vor dem 2 Weltkrieg Lektor an der Univ. Bordeaux, Schüler Voßlers, Hatzfelds, promoviert bei Gelzer, jetzt Prokurist bei Teubner" 11.

Auch Weise ist ein typischer Vertreter einer Elite, die jedem Regime dient, heiße es nun Weimarer Republik, NS-Staat, SBZ oder BRD, und der die jeweils angesagte Frankreich-Politik mühelos vertrat. Der Punkt kann hier nicht vertieft werden, wäre aber weitere Recherchen wert. Nicht von ungefähr hat es mehr als ein halbes Jahrhundert gedauert, bis solche Arbeiten wie die vorliegende geschrieben werden konnten und wurden.

Deutschland und Frankreich rücken räumlich immer näher, aber ihre Bevölkerungen wissen nicht viel voneinander oder meist nur Oberflächliches. Den unterschiedlichen Berichterstattern kommt dabei eine tragende Rolle zu. Das vorliegende Buch schilderd aspektreich und zielorientiert eine der schwierigsten Phasen des Miteinander. Aufgrund der Vielschichtigkeit zwischenstaatlicher Beziehungen, werden die Beziehungen häufig von Vorurteilen überschattet. Das vorliegende Buch unternimmt einen wichtigen Ansatz zur Aufhellung. Es liefert aber nicht nur viele wichtige Informationen, es kann und sollte auch als als Ausgangspunkt für weitere Recherchen genutzt werden.

 

Anmerkungen:
1 Hugo Dyserinck, Komparatistik. Eine Einführung, Bonn: Bouvier 2. Aufl. 1981, S. 125-133, hier S. 131.
2 Barbara Unteutsch, Vom Sohlbergkreis zur Gruppe Collaboration. Ein Beitrag zur Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen anhand der Cahier franco-allemands / Deutsch-französische Monatshefte 1931-1944, Münster: Kleinheinrich 1990 (Münstersche Beiträge zur romanischen Philologie, 7).
3 Eckard Michels, Das Deutsche Institut in Paris 1940-1944. Ein Beitrag zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen und zur auswärtigen Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart: Steiner 1993 (Studien zur modernen Geschichte, 46)
4 Auflistung bei Hausmann (Anm. 5), S. 313-317.
5 Einzelheiten zu dem von Fritz Neubert, Romanistikordinarius in Breslau (ab 1943 in Berlin) geleiteten romanistischen Kriegseinsatz, an dem immerhin 50 Romanisten und Vertreter anderer Disziplinen beteiligt waren, jetzt bei Frank-Rutger Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg. Die »Aktion Ritterbusch« (1940-1945), Dresden-München: DUP 1998, passim.
6 Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die »Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften« von 1931-1945, Baden-Baden: Nomos 1999, insbes. S. 399f., 700f. u. passim.
7 Lutz Hachmeister, Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München: Beck 1998, S. 123f., 128f. (Eschmann).
8 Joachim Lerchenmueller, »Keltischer Sprengstoff«. Eine wissenschaftsgeschichtliche Studie über die deutsche Keltologie von 1900 bis 1945. Tübingen: Niemeyer 1997, bes. zum vorliegenden Thema S. 400f.
9 Dazu demnächst ausführlich meine Untersuchung »Vom Strudel der Ereignisse verschlungen«. Deutsche Romanistik im NS-Staat.
10 Peter Köpf, Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse, Berlin 1995, ad Indicem.
11 Victor Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945-1949, Berlin: Aufbau 1999, Bd. I, S. 440 u.ö.

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