A. Hopmann: Tagebücher, 1901-1920

Titel
Das ereignisreiche Leben eines "Wilhelminers". Tagebücher, Briefe, Aufzeichnungen 1901 bis 1920


Autor(en)
Hopman, Albert
Herausgeber
Epkenhans, Michael
Reihe
Beiträge zur Militärgeschichte 62
Erschienen
München 2004: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
1231 S.
Preis
€ 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jürgen Angelow, Historisches Institut, Universität Potsdam

Albert Hopmann (1865-1942) zählte zu jenen Marineoffizieren der zweiten Reihe, deren Biografie Aufstieg, Krise und Zerfall des wilhelminischen Kaiserreiches gleichermaßen spiegelte. Aufgewachsen und sozialisiert in der Reichsgründungszeit bildeten für ihn wie für die meisten anderen Offiziere seiner Generation die machtstaatliche Entfaltung der Nation und der Wunsch ihrer Entwicklung zu einer Weltmacht die wichtigsten Koordinaten des polischen Denkens und Handelns. Im Rausch der weltpolitischen Perspektive hielt Hopmann den Aufbau mächtiger Überwasserstreitkräfte für notwendig und verband diese Einsicht mit seiner eigenen Karriereplanung. 1884 in die Marine eingetreten, versah er seinen Dienst als Marineoffizier ab 1887 abwechselnd auf See und in Stabsverwendungen und erhielt in verschiedenen, z.T. herausgehobenen Dienststellungen wichtige Einblicke in die deutsche Marinepolitik.

Gebildet und kulturell interessiert, von angenehmen Umgangsformen und mit einer Analysefähigkeit ausgestattet, die über das normale Maß vieler seiner Kameraden und Vorgesetzten hinausging, hatte er bereits vor 1914 Einsicht in die komplexe wie vertrackte sicherheitspolitische Lage des Reiches und fand sich sogar widerstrebend bereit, die Juniorpartnerrolle hinter Großbritannien zu akzeptieren, um dem Heer den Primat der Rüstung zu überlassen. Diese bemerkenswerte Einsicht in das Unvermeidliche und die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion unterschied ihn u.a. von Großadmiral Alfred von Tirpitz, dessen rechte Hand er war, und vermutlich fast allen anderen Marineoffizieren seiner Zeit. Sie führte zu abweichenden Reaktionsmustern im Vergleich zu jenen Zeitgenossen, die durch die desolate Situation in eine fatalistisch-morbide Grundverfassung versetzt worden waren.

Der Wert der Edition der Hopmann-Papiere lässt sich in dreierlei Hinsicht festmachen: Zunächst bereitet sie viele bisher unbekannte Informationen zur deutschen Marinegeschichte auf, beschreibt Hintergründe und Tatsachen, die die marinegeschichtliche Forschung ganz eindeutig bereichern: So werden u.a. mancherlei Einzelheiten des dienstlichen Routinebetriebes aufgeführt, die immerhin die Atmosphäre jener Zeit und die Umstände des militärischen Handelns beleuchten. So erfährt der Leser Neuigkeiten über den Alltag Hopmanns als Militärberater im türkischen Marineministerium oder als Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte in der Ostsee.

Daneben stellt die Edition Aussagen zum politischen und militärischen Entscheidungshandeln zusammen, die weit über den engeren Rahmen der Marinegeschichte hinausgehen und forschungsrelevante Zusammenhänge zum Verhältnis von Staatskunst und Kriegshandwerk verdeutlichen. Die Papiere spiegeln Anfänge, Höhepunkte und Scheitern der deutschen See- und Weltmachtprojektionen und geben uns einen Einblick von der Dramatik des Geschehens. Vizeadmiral Albert Hopmann war Beobachter und Akteur zugleich. Zum einen war er ein kühl sezierender Zeuge der politisch-militärischen Szenerie, der handelnden Hauptpersonen, ihrer Konflikte, Rivalitäten und psychischen Defekte und kommentierte die europäischen Krisenszenarien vor 1914, das Kriegsgeschehen und die Verhältnisse innerhalb der kriegführenden Staaten bis zum Ausbruch der Novemberrevolution von 1918. Zum anderen war er als Mitverantwortlicher selbst Gefangener politischer Zerrbilder und Wahnvorstellungen, etwa wenn er die Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges als „Erlösung“ begrüßte oder das Eingreifen der USA in den Krieg als Belanglosigkeit bagatellisierte.

Aufgrund ihrer Dichte und Authentizität, aber auch wegen ihrer durchaus subjektiven und privatdienstlichen Sichtweise stellt die Edition schließlich einen wertvollen Beitrag für wünschenswerte vergleichende Forschungen zur militärischen Elite des wilhelminischen Kaiserreichs auf der Grundlage der im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg im Breisgau zahlreich vorhandenen Nachlässe und Aufzeichnungen dar. Sie weist zahlreiche mentalitäts- und sozialgeschichtlich relevante Bezüge auf und wäre besonders auch für übergreifende kultur- und alltagsgeschichtliche Fragestellungen und Perspektiven kompatibel.

Zu loben ist die gründliche, sachkundige und unprätentiöse Kommentierungen durch den Herausgeber einschließlich der weiterführenden Literaturhinweise und des instruktiven Personenregisters.

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