Cover
Titel
Die Kreuzzüge.


Autor(en)
Jaspert, Nikolas
Reihe
Geschichte Kompakt - Mittelalter
Erschienen
Anzahl Seiten
180 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Clauss, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Universität Regensburg

Mit seinem Buch ‚Die Kreuzzüge’ legt Nikolas Jaspert einen weiteren Band der Reihe ‚Geschichte kompakt. Mittelalter’ und eine, dies sei vorweg gesagt, sehr interessante, gut lesbare und wohlstrukturierte Darstellung vor. Sie stellt seit einiger Zeit den ersten Versuch dar, einen deutschsprachigen knappen Überblick zu den Kreuzzügen zu bieten, und ist in dieser Bemühung wohl am ehesten mit dem Klassiker von Hans Eberhard Mayer zu vergleichen.1 In den wesentlichen Unterschieden zu Mayer zeigt sich denn auch, was Jasperts Buch auszeichnet und wo seine Stärken und Schwächen liegen: Anders als Mayer beschränkt sich Jaspert nicht auf die Kreuzzüge in die Levante, sondern fasst den Begriff wesentlich weiter und versteht unter Kreuzzügen „alle von Päpsten ausgerufenen und mit der Zusagen eines Ablasses ausgestatteten Kriegszüge gegen Feinde des Glaubens und der Kirche“ (S. IX); hiermit wird diejenige Richtung der Kreuzzugsforschung aufgegriffen, die Norman Housley in Abgrenzung von der auf den Orient konzentrierten Traditionalisten als ‚pluralistisch’ beschrieben hat.2 Die 163 Seiten Text erlauben es dann freilich nur, ausgewählte Beispiele in teilweise sehr kurzen Abrissen zu behandeln. Im Umfang liegt der zweite wesentliche Unterschied zu Mayer begründet; für dessen Darstellung der ‚klassischen’ Kreuzzüge ins heilige Land benötigt er beinahe doppelt so viele Druckseiten - inklusive Anmerkungen - wie Jaspert für seine breiter angelegte Darstellung, die gemäß den Vorgaben der Reihe - leider - gänzlich auf Anmerkungen verzichtet. Die Geschichte der Kreuzzüge wird hier eben sehr kompakt präsentiert.

Der Band gliedert sich wie folgt: In einem vergleichsweise langen ersten Kapitel werden zunächst die Vorbedingungen der Kreuzzüge geschildert (S. 1-32); hierbei stellt Jaspert die politische und geistesgeschichtliche Situation in den von den Kreuzzügen betroffenen Räumen und im Einzelnen die Phänomene heiliger Krieg, Rittertum, Pilgerfahrt, Papsttum, Frömmigkeit und Ablass vor. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den geistesgeschichtlichen Vorrausetzungen der Kreuzzüge. Die an manchen Stellen auftretenden Unklarheiten sind meist dem sehr begrenzten Raum der Darstellung geschuldet; so wird von der „Einteilung der Welt und ihrer Völker nach Ptolemäus (2. Jahrhundert)“ (S. 9) berichtet, ohne dass ersichtlich würde, um wen es sich handelt und worin seine Einteilung genau besteht. Der „berühmte Gang nach Canossa (1077)“ (S. 24) wird ohne weitere Ausführung erwähnt, was manche Leserin und Leser der von der Reihe anvisierten Zielgruppe - „Interessierte, Lehrende und Lernende“ - gerade bei der „ersten Begegnung“ (S. VII) mit dem Thema überfordern dürfte. Die Bezugnahme auf lateinische Termini ist an einer Stelle zumindest unglücklich, wenn es heißt: „[...] den so genannten Gottesfrieden (pax Dei) für ungeschützte Bevölkerungsgruppen zu propagieren. Außerdem legte er [der Klerus] bestimmte Perioden (treuga Dei) fest, in denen nicht gekämpft werden durfte.“ (S. 16)

Der zweite Teil des Buches (S. 33-77) ist den Kreuzzügen in den Vorderen Orient gewidmet; wegen der herausragenden Bedeutung dieser Kreuzzüge für die Zeitgenossen werden sie vergleichsweise ausführlich behandelt. Innerhalb dieses Abschnittes nimmt wiederum der erste Kreuzzug den meisten Platz ein (S. 34-44). Jaspert spricht sich explizit gegen die weithin übliche Bezeichnung der Kreuzzüge mit Ordnungszahlen aus, da diese den Blick auf die vielen vor allem spätmittelalterlichen Kreuzzüge ohne königliche Beteiligung verstellt. Auf den ersten Kreuzzug folgt eine kurze Darstellung ausgewählter Kriegszüge bis ins 15. Jahrhundert, die mit dem Untergang des Byzantinischen Reiches schließt. Anschließend werden die Praxis, Theorie und Kritik des Kreuzzugsgedankens (S. 58-67) und die islamischen Sicht auf die Kreuzzüge (S. 67-77) behandelt. Jaspert greift hier deutlich über die reine Faktengeschichte hinaus und berücksichtig den geistesgeschichtlichen Hintergrund und die Konsequenzen der Kreuzzüge.

Die Kreuzfahrerstaaten behandelt ein dritter Abschnitt (S. 78-108), in dem neben der politischen Geschichte und dem Herrschaftsaufbau auch der Handel, die Bevölkerungsstrukturen und der Aufbau der Kirche dargestellt wird. Wie in der ganzen Darstellung legt Jaspert Wert darauf, die jeweiligen Quellen vorzustellen und an einigen Stellen einen Einblick in Forschungskontroversen zu geben. Auch wenn dies mitunter sehr knapp ausfällt und etwa die Texte der Kairoer Genisa lediglich als „Urkunden des 10. bis 14. Jahrhunderts“ (S. 87) bezeichnet werden, wird hier doch ein Einblick in das Funktionieren geschichtswissenschaftlichen Arbeitens gewährt, der gerade für die bereits erwähnte Leserschaft von Interesse sein dürfte.

Das vierte Kapitel des Buches ist den europäischen Kreuzzügen (S. 109-137) gewidmet. Hier finden die Reconquista Spaniens, die Kriegszüge im Ostseeraum und die gegen „Feinde im Inneren“ (S. 129) - etwa die Albigenserkreuzzüge und die Hussitenkriege - Erwähnung. Diesem Abschnitt verdankt das Buch seine beeindruckende historische Breite: Es umfasst die Zeit von der Landung der Muslime in Spanien (S. 110) bis zur Säkularisierung Livlands 1561 (S. 125) und damit das ganze Mittelalter. Dies geht mit der schon mehrfach erwähnten Kürze der Darstellung einzelner Themen einher. So bleiben etwa für die Kämpfe der Päpste um Sizilien im 12. und 13. Jahrhundert ganze 17 Zeilen (S. 135f.). Dank der konzisen Darstellungsweise bietet dieses Kapitel dennoch einen gelungenen Überblick über die unterschiedlichen Phänomene, die sich unter dem Schlagwort ‚Kreuzzug’ zusammenfassen lassen und führt dessen - im damaligen Sinne weltumspannende - Dimension anschaulich vor Augen. Besonders hervorzuheben sind dabei Jasperts strukturellen Vergleiche der Geschehnisse im Orient mit den übrigen Kreuzzügen (so etwa S. 128).

Die Ritterorden stehen im Zentrum des fünftes Abschnittes (S. 138-157), wobei auch hier nicht die reine Faktengeschichte, sondern die Suche nach strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden der einzelnen Orden im Mittelpunkt steht. Jaspert beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf die drei großen Orden: Templer, Johanniter und Deutscher Orden.

Den Abschluss des Buches bildet im sechsten Kapitel (S. 158-163) die Darstellung der Folgen der Kreuzzüge. Hierbei geht es nicht um politisch-territoriale Konsequenzen; Jaspert konzentriert sich vielmehr auf Fragen nach Kulturtransfer und den Kreuzzügen als Mythos, womit er den Bogen vom mittelalterlichen Kriegszug hin zur Instrumentalisierung des Kreuzzugsbegriffes im 20. Jahrhundert schlägt und sehr anschaulich darlegt, wie aktuell es ist, sich mit den Kreuzzügen zu befassen: „Diese wenigen Worte dürften ausreichen, um zwei Punkte zu unerstreichen: zum einen die ungebrochene Aktualität des Kreuzzugsmythos, zum anderen aber dessen Vielschichtigkeit. Dieser Mythos dient auch heute noch den unterschiedlichsten Zwecken: als Sinnbild für Grausamkeit und Gewalt, als Symbol für Aufopferung und Idealismus, aber auch als Präfigurierung europäischer Arroganz und Expansion.“ (S. 163)

Drei Karten, eine sehr übersichtliche, kommentierte Auswahlbibliografie und ein Personen- und Sachregister beschließen den Band.

Das Buch verfügt über eine sehr klare und detaillierte Struktur und ermöglicht dadurch einen schnellen Zugriff zu den behandelten Themen; einzige Ausnahme ist die Darstellung der Bettelorden im Abschnitt ‚Vorbedingungen’ (S. 28f.). Die einzelnen Kapitel sind weitgehend auch ohne die Lektüre des ganzen Bandes verständlich und durch meist sinnvolle Querverweise miteinander verbunden. Der Fließtext der Darstellung wird durch knappe Quellentexte und durch mit ‚E’ gekennzeichnete kurze Definitionen zentraler Begriffe oder Biografien wichtiger Persönlichkeiten unterbrochen; wofür ‚E’ steht, bleibt freilich unerwähnt. Zeittafeln stehen am Anfang jedes Kapitels.

Im Ganzen richtet sich das Buch an solche Leserinnen und Leser, die sich einen ersten Einblick in die Geschichte der Kreuzzüge verschaffen wollen. Ihnen wird kompetent und klar der Stand der Forschung dargelegt, ohne die Thematik dabei auf die Faktengeschichte zu verengen. Sowohl Sprache als auch Inhalt sind auf diese Leserschaft abgestimmt. Zu bedauern ist die Entscheidung, ganz auf Anmerkungen und konkrete Hinweise auf Sekundärliteratur zu verzichten. Dies geht soweit, dass selbst bei einem direkten Zitat von Peter Moraw zu Jan Hus („Hus war kein Hussit“, S. 132) dessen Herkunftsort nicht angegeben wird. So kann man dieses Buch nur sehr bedingt als konkreten Ausgangspunkt für weitere Studien verwenden. Als erste Informationsquelle zu den Kreuzzügen ist dieser Band hingegen eine gute Wahl.

Anmerkungen:
1 Mayer, Hans Eberhard, Geschichte der Kreuzzüge, 9. verbesserte und erweiterte Aufl. Stuttgart 2000 (1. Aufl. =1965).
2 So etwa Housley, Norman, The Later Crusades, 1274-1580. From Lyons to Alcazar, Oxford 1992, S. 2f.

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