M. Müller: Alte Geschichte online

Cover
Titel
Alte Geschichte online. Probleme und Perspektiven althistorischen Wissenstransfers im Internet


Autor(en)
Müller, Matthias
Reihe
Computer und Antike 6
Erschienen
St. Katharinen 2003: Scripta Mercaturae Verlag
Anzahl Seiten
X, 127 S.
Preis
€ 14,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Honorata Urban, Hannover

Das Internet wird für den Historiker zunehmend wichtiger, und so verwundert es nicht, dass die Publikationen zu diesem Thema immer zahlreicher werden. Matthias Müller versucht mit seiner Monografie, Historikern dabei zu helfen, sich in dem immer größer werdenden Angebot an historischen Themen im World Wide Web zurecht zu finden. Mit seiner Studie möchte Müller die Vor- und Nachteile des Internets ansprechen und Möglichkeiten für Informationsrecherche und -auswahl vorstellen. Durch die Erarbeitung eines Kriterienkataloges soll den historisch interessierten Internetnutzern zudem ein Arbeitsmittel an die Hand gegeben werden, mit dem sie nicht nur Internetseiten bewerten, sondern auch eigene Publikationen prüfen können, bevor sie sie ins Internet stellen.

Die Publikation ist in vier Kapitel eingeteilt. Das Erste beinhaltet eine allgemeine technische Einführung. Das Zweite beschäftigt sich mit den Recherche- und Evaluationsmöglichkeiten des Internets für Historiker, und Müller erarbeitet dort auch seinen Kriterienkatalog zur Bewertung von Webseiten. Im dritten Kapitel geht Müller auf die Probleme bei eigenen Online-Publikationen ein und gibt Lösungsvorschläge. Im Vierten spricht er die allgemeinen Probleme des Internets an.

Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Internets und der Hardwarevoraussetzungen geht Müller auf die Softwareausstattung ein, zu denen er etwas ausführlichere Erklärungen notwendiger Programme zur Text-, Bild-, Audio- und Videobearbeitung sowie zu HTML-Editoren gibt. Die Erläuterungen sind profund und auch für Computerlaien verständlich. Erklärt werden auch Begriffe wie „E-Mail“, „Mailinglisten“, „Newsgroups“ oder „FTP“. Etwas zu ausführlich geht Müller auf die Funktionalität von Suchmaschinen ein; auch sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, was eine URL ist.

Interessant ist aber wiederum das Kapitel „Internetressourcen für die Geschichtswissenschaft“. Hier stellt Müller Internetseiten speziell für Historiker, insbesondere für Altertumsforscher vor. So gibt er eine Einführung in einige Online-Kataloge oder Linksammlungen wie „KIRKE“, stellt aber auch Bibliografien, Bibliotheken, Online-Zeitschriften und ähnliches vor und erklärt anhand von Beispielen ihre Vor- und Nachteile. Für jeden Historiker interessant sind auch die Tipps zu Datenbanken und Textsammlungen sowie die Hinweise zu den Themen Epigrafik, Papyrologie und Numismatik. An diesen Beispielen werden die enormen Vorteile des Internets schnell deutlich, denn – abgesehen von der Menge an archiviertem Material und den dazu gehörigen Suchmasken – sind die Inschriften mit vielen zusätzlichen Informationen wie Bibliografien und Angaben zu den Inschriftträgern versehen. Kurz vorgestellt werden auch einige Seiten zu Ausstellungen, Ausgrabungen und Museen, darunter auch die vielfach ausgezeichnete Homepage der Universität Osnabrück zum Thema Kalkriese, aber auch Seiten, auf denen der interessierte Besucher virtuelle Rundgänge durch Rom und Pompeji machen kann.

Insgesamt sind die beiden ersten Kapitel sehr informativ und gut recherchiert. Die Einführung in die technische Seite ist vielleicht ein wenig zu ausführlich geraten, denn irgendwann sollte man davon ausgehen, dass die Leser eine gewisse Erfahrung mit dem Medium mitbringen. Es gibt sicherlich kaum noch Historiker, die gänzlich jungfräulich an das Thema Internet herangehen. Daher sollte vielleicht darauf verzichtet werden, alle Details in aller Ausführlichkeit zu wiederholen. Schließlich gibt es bereits diverse Einführungen ins Internet.1 Aber schließlich kann der Leser diese Seiten auch überblättern. In jedem Fall sind Müllers Erklärungen verständlich und unkompliziert, so dass jeder mit ihnen arbeiten kann.

Gut ist wiederum die Ausführlichkeit des zweiten Teils zur Recherche und Evaluation, da sich auf diesem Gebiet ständig Neuerungen ergeben, auf die man nicht immer sofort aufmerksam wird. Daher geben solche Einführungen wie die hier vorliegende jedem die Möglichkeit, seinen Horizont ein wenig zu erweitern und wieder auf den neuesten Stand zu kommen. Außerdem ist es immer hilfreich, einen ersten Anhaltspunkt zur Recherche zu haben. Im Rahmen der Thematisierung der Recherche und Evaluation erarbeitet Müller im zweiten Teil seiner Publikation Kriterien zur Bewertung von Internetseiten und Online-Publikationen. Diese unterteilt er in sechs Aspekte: die Mindestanforderungen, der Inhalt, die Aktualität, die Zielsetzung, die internet-spezifischen Kriterien und zuletzt die technischen Standards wie Navigation und Verfügbarkeit. Viele Kriterien ergeben sich schon aus der herkömmlichen Quellenedition, aber Müller versteht es auch, plausibel zu erklären, worauf es bei internet-spezifischen Kriterien wie Bildgrößen, Down- und Uploadzeiten und vielem anderen mehr ankommt. Sehr hilfreich ist insbesondere sein Hinweis, wie wichtig es ist, die Quelle zu überprüfen, also sowohl den Autor und die Institution als auch den Inhalt: Bei der Fülle an Informationen im Internet muss schon genau geprüft werden, ob die Quellen belegt sind. Dafür gibt er Indizien, die auf die Zuverlässigkeit des Autors hindeuten. Sehr nützlich sind zudem die Angaben zur Zugänglichkeit von Webseiten, insbesondere weil viele ausländische Seiten gebührenpflichtig sind und der Internetnutzer hier den Nutzen gegen die Kosten abwägen sollte.

Bei den internet- bzw. technikspezifischen Aspekten hebt Müller berechtigterweise die Wichtigkeit einer übersichtlichen Navigation und der Kompatibilität von alter und neuer Software hervor. Es fehlt allerdings der Hinweis auf den Textfluss. Das Lesen von Texten am Bildschirm ist anstrengend, daher sollten Texte nicht zu lang sein. Außerdem stört es, sich lange durch den Text scrollen zu müssen. Daher ist es besser, einen Text zum Download bereit zu stellen. Am Ende des Kapitels stellt Müller eine Checkliste für den Leser zusammen, in der noch einmal alle Kriterien aufgeführt sind. Außerdem stellt er einige Möglichkeiten zum Zitieren von Webseiten vor und weist auf damit in Zusammenhang stehende Probleme hin. Im Kapitel zur Publikation erklärt Müller, wie seine Kriterien auf die Veröffentlichung eigener Seiten anzuwenden sind. Er macht an Hand von Beispielseiten auf Probleme aufmerksam, wie z.B. den Umgang mit Fotomaterial. Sein Vorschlag, Bilder mit Thumbnails zu versehen, um die Ladezeit der Seiten zu verkürzen, ist sehr sinnvoll. Auch zur Benutzung der internen und externen Verlinkung von Texten macht Müller gute Vorschläge. So lassen sich Quelleneditionen durch eine Fülle von Informationen ergänzen, die der Leser je nach Bedarf nutzen kann.

Insgesamt stellt Müller hohe, aber gerechtfertigte Ansprüche an die Internetauftritte wissenschaftlicher Seiten, denn wenigstens auf universitären Webseiten sollte man sich auf Qualität der gebotenen Angaben verlassen können. Bei Beachtung aller von Müller genannten multimedialen, editorialen und technischen Kriterien wäre ein Internetauftritt nahezu perfekt. Auch andere Anregungen sind sehr nützlich, wie z.B. der Hinweis, dass bei Tondateien der Text für Nutzer ohne Soundkarte oder für gehörlose Menschen auch als Textdatei bereit stehen sollte. Müller macht außerdem einen Exkurs zur Darstellung von Sonderzeichen, wo er sich unter anderem mit dem für Althistoriker besonders interessanten Problem der griechischen Schriftarten befasst.

Im letzten Kapitel geht Müller noch einmal auf die Probleme ein, die das Internet mit sich bringt. Er hebt hervor, wie wichtig es ist, bald Bewertungsinstitutionen zur Auswahl und Evaluation von Beiträgen im Netz und damit auch eine international anerkannte Normierung zu schaffen, da jeder Zugang zum Netz hat und dort frei und ohne Kontrolle publizieren kann. Schlussfolgernd hebt er hervor, dass Historiker auch weiterhin auf das gedruckte Medium werden zurückgreifen müssen, sei es zur Quellenedition oder zur Überprüfung von Online-Inhalten. Gleichzeitig macht Müller darauf aufmerksam, dass sich das Internet in steter Entwicklung befindet und Probleme, wie die stark variierende Qualität der Beiträge, die technische Umsetzung und vor allem die EDV-Ausbildung der Historiker, daher auch schnell gelöst werden könnten.

Insgesamt ist Müllers Publikation hervorragend gelungen und sehr empfehlenswert für alle Historiker, Studenten und Interessierten, die viel mit dem Internet arbeiten. Müller hat den Nutzern ein gutes Werkzeug an die Hand gegeben, um damit die Tücken der Webpublikation in den Griff zu bekommen. Es empfiehlt sich, den Katalog selbst oder durch universitäre Seminare zu testen.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa Jenks, Stuart, Internet für Historiker. Eine praxisorientierte Einführung, Darmstadt 2000; vgl. auch Jenks, Stuart; Marra, Stephanie, Internet-Handbuch Geschichte, Köln 2001.

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