Mémorial de Verdun

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Mémorial de Verdun.
Veröffentlicht durch
Mémorial de Verdun: Fleury-devant-Douaumont, FR
Enthalten in
Von
Rainer Bendick

Die Schlacht von Verdun, die in der ersten Hälfte des Jahres 1916 etwa 500.000 Soldaten das Leben kostete, nimmt in der deutschen und französischen Erinnerung an den Ersten Weltkrieg einen überragenden Platz ein. Am Ort des Geschehens befindet sich heute das „Mémorial de Verdun“, eine museale Gedenkstätte, die einem breiten Publikum das kriegerische Geschehen vermitteln will und ihre Aktivitäten auf einer Web-Site vorstellt.

Die Web-Site des „Mémorial de Verdun“1 gibt umfassende Informationen zu den museumspädagogischen Angeboten der Gedenkstätte, sie informiert über Verlauf und Bedeutung der Schlacht von Verdun und vermittelt Einblicke in die französische Erinnerungskultur, die mit dem Ort verbunden ist. Sie ist ausschließlich in französischer Sprache verfasst und in drei große Abteilungen gegliedert: „mémorial“, „histoire – mémoire“ und „les carnets du mémorial“. Diese letzte Abteilung, die aktuelle Veranstaltungen ankündigen, thematische Dossiers bereitstellen und auf weitere Internet-Links verweisen soll, ist jedoch noch nicht (April 2004) online verfügbar. Die Navigation auf der Web-Site ist problemlos. Durch einfaches anklicken der einzelnen Themenfelder gelangt der Benutzer zu den weiterführenden Informationen. Über den Button „retour“ gelangt er zurück zur Ausgangsseite.

In der ersten Abteilung („mémorial“) werden Aufgabe und Zielsetzung der Gedenkstätte beschrieben. Die Besucher sollen am Beispiel der Schlacht von Verdun, dem „Resümee und Gipfelpunkt“ des Krieges, erfahren was der Erste Weltkrieg für die französischen und deutschen Soldaten bedeutete. Das „Mémorial“ versteht sich in erste Linie als „ein pädagogisches Werkzeug im Dienst der historischen Wahrheit“ indem es die Besucher zum Nachdenken über den Ersten Weltkrieg anregen und so auf das schwierige Verhältnis von Geschichte und Gedächtnis aufmerksam machen will. Das Angebot der Web-Site liefert hierzu wichtige Element, die allerdings fast ausschließlich die französische Perspektive betreffen.
Zunächst werden vielfältige Hinweise und Auskünfte geben, die einen Besuch der Gedenkstätte, des ehemaligen Schlachtfeldes und der näheren Umgebung vorbereiten helfen (Anfahrtswege, Öffnungszeiten, Eintrittspreise). Die Geschichte der Gedenkstätte wird kurz rekapituliert und die Gestaltung der dortigen Dauerausstellung unter Hinweis auf die verschiedenen Exponate und Medien beschrieben. Ein zentraler Link verweist auf die verschiedenen Örtlichkeiten im Departement Meuse, die mit dem Ersten Weltkrieg in Verbindung stehen. Hier werden Informationen vermittelt zu den auf dem ehemaligen Schlachtfeld heute noch sichtbaren Spuren der Kämpfe (z.B. zu den Forts Douaumont und Vaux, zur legendären „Tranchée des Baïonnettes“, zu den zerstörten Dörfern der Umgebung) und zu den Einrichtungen in der Stadt Verdun (das Weltfriedenszentrum und die Zitadelle). Eine Chronologie gibt eine Übersicht zum gesamten Kriegsverlauf im Department. Die verschiedenen Örtlichkeiten und Ereignisse (z.B. der Sektor von Saint-Mihiel, der Minenkrieg im Vauquois, die Höhen 304 und Toter Mann oder die amerikanischen Soldatenfriedhöfe) werden von weiterführenden Links erschlossen. Der Button „praktische Hinweise für Lehrer“ verweist auf diese Seite über den Depratement Meuse, so dass Lehrer einen selbständigen Besuch nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen planen können. Außerdem wird ein pädagogischer Fragebogen vorgestellt, der online allerdings nicht vollständig verfügbar ist. Er kann in Form einer Museums-Rallye von den Schülern vor Ort bearbeitet werden. Von besonderem Interesse ist das interdisziplinäre Projekt der „Classes Genevoix“. Hier wird am Beispiel der Kriegsschriften von Maurice Genevoix das Verhältnis von Geschichte, Zeitzeugenschaft und Gedächtnis bearbeitet. Schulklassen können die von Genevoix beschriebenen Örtlichkeiten aufsuchen. An den Orten des Geschehens sind Lektüre-Punkte eingerichtet, wo Auszüge aus den entsprechenden Kapiteln gelesen werden können. Ein online nicht verfügbarer (aber gegen 30 Euro bestellbarer) pädagogischer Führer unterstützt den Lehrer bei der Vor- und Nachbereitung des Projektes. Neben den Informationen über die pädagogischen Angebote gibt die erste Abteilung der Web-Site Auskünfte zum Dokumentationsdienst der Gedenkstätte. Hier werden die Bibliothek und die Sammlung, die Arbeitsmöglichkeiten für externe Forscher und die wissenschaftlichen Dienstleistungen kurz beschrieben.

Die zweite Abteilung der Web-Site bietet unter dem Titel „histoire – mémoire“ zunächst einen Überblick zur Schlacht von Verdun. Innerhalb eines chronologischen Abrisses des Kriegs an der Westfront werden die Kampfhandlungen um Verdun von 1914 bis 1918 kurz beschrieben und eine Bilanz der Opfer der dort kämpfenden Armee gezogen. Die strategischen Absichten, welche die deutsche Heeresleitung mit dem Angriff auf Verdun verfolgte und die französischen Verteidigungsanstrengungen werden z.T. stichwortartig z.T. als Fließtext beschrieben. Die Ausführungen zu den deutschen Absichten folgen der traditionellen Ansicht über die angebliche „Weihnachtsdenkschrift“ von Falkenhayn, der die französische Armee in Verdun habe „ausbluten“ lassen wollen. Neuerdings geäußerte Zweifel (Gerd Krumeich) an dieser Deutung finden keine Beachtung. Links verweisen auf die Örtlichkeiten im Departement Meuse, an denen die Kampfhandlungen stattfanden. Darauf folgen ausführliche Informationen zum Gedenken an die Schlacht. Ein Text von Antoine Prost aus dem pädagogischen Führer für das Projekt „Classes Genevoix“ setzt sich mit der Frage auseinander, in wie weit Verdun ein Symbol für den Ersten Weltkrieg ist. Er spricht auch die aktuelle Debatte an, die in Frankreich über die Motive geführt wird, die die französischen Soldaten durchhalten ließen: patriotische Überzeugung oder der Druck einer unerbittlichen Militärjustiz? Prost vertritt hier die von ihm bekannte vermittelnde Position. Durch den Link „Die Erinnerungen an den Großen Krieg in Verdun“ werden die verschiedenen Etappen der französischen Erinnerungskultur an die Schlacht von Verdun aufgezeigt und mit den jeweils realen Vorgängen konfrontiert sowie die politische Instrumentalisierung angedeutet, ohne ausdrücklich auf den Pétain-Mythos und dessen Bedeutung für das Vichy-Régime und die Kollaboration hinzuweisen. Die Gegenüberstellung von Mythos und Realität ist besonders eindrucksvoll mit der „Tranchée des Baïonnettes“ gelungen. Es handelt sich um einen Schützengraben, in dem zahlreiche französische Soldaten verschüttet worden waren, der von den Deutschen nach der Eroberung als Massengrab genutzt und in Ermangelung von Kreuzen mit in den Erdboden steckten Gewehren kenntlich gemacht wurde. Nach dem Krieg wurde daraus die Legende, dass die französischen Soldaten zum Sturmangriff in ihrem Graben bereit standen als sie verschüttet wurden, so dass nur noch ihre Gewehre aus dem Erde hervorragten. Die Ausführungen betonen den Wandel des Erinnerungsortes Verdun von einer patriotischen Gedenkstätte, die den siegreichen Widerstand gegen Deutschland ehrte, zu einem Ort der deutsch-französischen Aussöhnung mit dem berühmten Händedruck des französischen Staatspräsidenten Mitterand und des deutschen Bundeskanzlers Kohl 1984. Hier wird allerdings nicht verschwiegen, dass diese oft gerühmte Begegnung auch eine Art „Kompensation“ für den Bundeskanzler darstellte, der nicht zu den Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Normandie eingeladen worden war.

Das Angebot der Web-Site richtet sich an ein französisches Publikum. Sie bietet ein pädagogisches Programm, das die realen Ereignisse und die unterschiedlichen Erinnerungen an sie an dem historischen Lernort Verdun greifbar macht. Von den rein praktischen Informationen zu den Örtlichkeiten können gewiss auch Benutzer profitieren, die nur über geringe französische Sprachkenntnisse verfügen. Jedoch machen die Einsprachigkeit der Web-Site und die gewählten Themen es Benutzern schwer, die nicht mit der französischen Sprache vertraut sind und kaum über Kenntnisse der genuin französischen Bedeutung der Schlacht von Verdun verfügen, das Angebot in all seinen Facetten zu nutzen. Die deutsche Perspektive findet sich im Angebot der Website nur andeutungsweise wieder. Es ist zu wünschen, dass bei der noch nicht online verfügbaren dritten Abteilung „les carnets du mémorial“ ein mehrsprachiges, binationales Angebot realisiert wird, das der Bedeutung der Schlacht von Verdun als ein deutsch-französischer Kampf entsprechen würde.

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