A. Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation

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Titel
Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert


Autor(en)
Sauter, Alexander
Reihe
Mittelalter-Forschungen 12
Erschienen
Stuttgart 2003: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
380 S.
Preis
€ 65,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Kriese, Geheimes Staatsarchiv - Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin

Alexander Sauter hat sich in seiner 2003 im Druck erschienenen, bei Jürgen Miethke in Heidelberg entstandenen Dissertation von 2001/2002 der „Fürstlichen Herrschaftsrepräsentation“ der Habsburger im 14. Jahrhundert gewidmet und damit die „rund hundertjährige Epoche des familiären Zusammenhalts“ (S. 14) der Dynastie zwischen 1282 und 1395 untersucht. Herrschaftsrepräsentation - dieser Theoriekomplex verweist den Leser zum einen auf das große Forschungsgebiet „Herrschaft und Legitimität“ des früh- und hochmittelalterlichen, insbesondere des ottonischen Königtums und steht dabei auch in Nachbarschaft zu den intensiv erforschten Phänomenen der Erinnerungskultur und des Rituals; zum anderen wird man als Leser von Sauters Arbeit an Untersuchungen zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hofkultur erinnert.

Nach einer knappen theoretischen Grundlegung in der Einleitung (S. 11-19) geht Sauter auf die Jahre Albrechts I. ein und untersucht (S. 21-36) die „Ankunft einer Dynastie“ in den ehemaligen babenbergischen Herzogtümern Österreich und Steier sowie in Kärnten, Krain und Mark. Als Zeichen dieser Ankunft begreift er die Klostergründung in Tulln. Sauters besondere Beachtung gehört dabei dem heute verlorenen Figurenprogramm des Tullner Chores mit Rudolf I. und Albrecht II. sowie deren Gemahlinnen. Er interpretiert die Statuen nicht als Stifterfiguren, sondern als Legitimationszwecken dienende Herrscherplastiken. Zudem suchten die Habsburger ihr Eintreffen durch Anknüpfungen an babenbergische Traditionen zu legitimieren (Zustiftungen für babenbergische Klostergründungen; Namenstraditionen). Im anschließenden Kapitel (S. 37-63) verzeichnet Sauter „eine allmähliche Schwerpunktverlagerung“ in der Generation von Albrechts Söhnen zu diesem neuen Herrschaftsbereich im Osten. Er beschreibt diese an Hand der habsburgischen Fundationen bzw. Zustiftungen für die Konvente in Mauerbach, Neuberg und Gaming, mit denen die drei Brüder sich und ihren Familien je eigene Memorialzentren schufen - eine für die Habsburger neuartige Aufspaltung des Familiengedächtnisses.

Nach weiteren Beobachtungen Sauters zur Schwerpunktverlagerung (durch eine Analyse der habsburgischen Stiftungspraxis an den Wiener Instituten der Minoriten, Klarissen und Augustinereremiten) folgen im nächsten Kapitel (S. 65-97) die „Urkunden der Habsburger im 14. Jahrhundert“, vorerst unter Ausschluss jener Rudolfs IV. Sauter behandelt Urkunden in Anlehnung an Fichtenau nicht allein als Quellen der Rechtssetzung, sondern auch als Herrschaftszeichen: Er betrachtet zuerst die Intitulationes, die seit Albrecht II. in einer großen, umfassenden und feierlichen sowie in einer kleinen, der weitaus häufigeren Ausformung (Nennung der Herzogtümer Österreich, Steier, Kärnten und Krain sowie der Grafschaft Tirol) Verwendung fanden; im Anschluss untersucht er die Arengen, die immer seltener Aufnahme in den Urkundentext fanden und damit für die Empfänger um so bedeutender wurden. Die Selbstaussagen der habsburgischen Arengen kennen als Begründungen für geistliche Werke vor allem das Seelenheil (auch das der Untertanen!) sowie die Unvereinbarkeit von irdischem und himmlischem Leben, das Vorbild von Vorgängern, die Berufung auf Pflichten eines Fürsten und den Hinweis auf göttliche Legitimation; schließlich sichtet Sauter die Siegel, die in der Regel als Reitersiegel gestaltet waren. Im folgenden Kapitel (S. 99-117) geht Sauter auf die habsburgischen Wappen ein.

Anschließend (S. 119-136) konzentriert er sich noch einmal auf Albrecht II. und beschreibt die „Einheit und Vereinheitlichung“ in dessen Regierungsjahren. Sauter beobachtet dabei propagandistische Einheitsbestrebungen für die östlichen Herzogtümer (ähnliches hatte er schon für die Urkundenformulare aus Albrechts Kanzlei konstatiert) und führt dabei vor allem Johann von Viktrings Liber certarum historiarum an. Johann beschreibe die drei Länder Österreich, Steier und Kärnten zwar als selbständige, aber einem Einheitsgedanken unterliegende Größen. Johanns Liber könne somit als früher Beleg für eine habsburgische Einheitspropaganda gelten, wobei eine entsprechende Einflussnahme Albrechts II. durchaus denkbar sei. In einem weiteren Kapitel (S. 137-156) untersucht Sauter die „Oberen Lande der Habsburger - Präsenz und Abwesenheit“ und betont das häufige Fehlen der Dynastie in ihren westlichen Landen, obgleich sie sich dort zwischen 1317 und 1364 durch ihre Grablege Königsfelden und deren Wohltäterin Agnes (Witwe König Andreas’ III. von Ungarn) wirkmächtig vertreten wussten.

In der Folge kommt Sauter zu seinem fast 100 Seiten starken Hauptkapitel „Rudolf IV. - quae decent principem“ (S. 157-237), das er durch vier Unterkapitel gliedert: „Die Fälschungen“ (S. 159-186), „Die Urkunden Rudolfs IV.“ (186-206), „Schwaben und der Tag von Zofingen 1361“ (S. 206-213) sowie „Wien“ (S. 213-237). Natürlich liest Sauter die Fälschungen als Ausdrucksmittel herrscherlicher Repräsentation: Rudolf habe in ihnen eine imitatio Karls IV. betrieben, habe das dominium Austriae gleich dem regnum Bohemiae der Goldenen Bulle propagieren lassen, maßte sich in den Fälschungen und nachfolgenden Urkunden, Siegeln oder Plastiken herzogliche, ja königsgleiche Insignien an (Krone - als Teil des Erzherzogshutes -, Zepter, blankes Schwert). Rudolf habe damit seine Königsfähigkeit betont (und Hoffnungen auf die Thronfolge - vor Geburt König Wenzels - artikuliert), seine Gleichheit mit den Kurfürsten proklamiert und doch mit Realitätssinn deren Sonderstellung akzeptiert (gemäß der im privilegium maius beschriebenen Sitzordnung auf Hoftagen zu Rechten des Reiches, den Kurfürsten nachgeordnet). Zugleich seien mit Hilfe der Fälschungen konkrete politische Ziele Rudolfs zeichenhaft verdeutlicht worden: insbesondere sein Mühen um die Reorganisation des schwäbischen Herzogtums (Rudolf als palatinus archidux). Insgesamt könne eine intensive „Verwendung von dominium Austriae im Sinne eines länderübergreifenden Gesamtbegriffs“ beobachtet werden (S. 186), so dass über diesen Bezug auf das Land nicht zuletzt babenbergische Rechte ‚habsburgisiert’ werden sollten.

Auch die regulären rudolfinischen Urkunden traten in bis dato ungewohnter Intensität in den Dienst der Repräsentation und setzten die mit den Fälschungen begründeten Ansprüche eines nahezu kurfürstlichen Erzherzogs und Teilhabers am Königtum fort, auch wenn der Herzog nach 1360/61 auf Druck Karls IV. so manche seiner ‚Titular-Usurpationen’ aufgeben musste. Im Anschluss beleuchtet Sauter den Tag von Zofingen 1361, den ersten Hoftag eines Habsburgers in den oberen Landen seit etwa 40 Jahren, den Rudolf gleich einem großen Lehnstag eines schwäbischen Herzogs inszenierte. Schließlich beschreibt Sauter Rudolfs Anstrengungen um eine Wertsteigerung Wiens (in Konkurrenz zu Prag) als Ausdruck des „Konkurrenzkampfes, den der Herzog mit dem Kaiser führte“ (S. 220) und als dessen besonderes Indiz er Rudolfs letztlich gescheiterte Wiener Bistumspläne für St. Stephan anführt (gotische Bauphasen - Langhaus und Neubau zweier Türme - sowie Einrichtung des Allerheiligen-Kollegiatstifts). Als imitatio zu Karls Prag begreift Sauter auch die erste Gründung der Wiener Universität durch Rudolf IV. und dessen Brüder Albrecht III. und Leopold III. - und zwar als „königs-, wenn nicht kaisergleiche“ (S. 230) Stellungnahme, die so erstmals von einem Nichtkönig propagiert wurde. Grundgelegt bereits in den Fälschungen bewegte sich das repräsentative Handeln Rudolfs also zwischen einer imitatio Karls IV. und den traditional-dynastischen Ansprüchen eines Reichsfürsten.

Schließlich widmet Sauter sich noch einmal „Tirol“ (S. 239-245): dem Erwerb des Landes von 1363/64 sowie der endgültigen Einigung mit den Wittelsbachern im Frieden von Schärding von 1369, dessen Folgen für die Habsburger er vor allem an Hand der Stifterbilder auf den Flügeln des Altars der Burgkapelle von Schloss Tirol (Rudolfs Brüder Leopold III. und Albrecht III. mit ihren Gemahlinnen) zu interpretieren sucht, die er zeitnah zu 1369 datiert. Über den Paaren finden sich links der Bindenschild sowie rechts der Tiroler Schild, wobei die heraldisch wertvollere Position den Bindenschild als „Familienzeichen der Habsburger“ (S. 243) kennzeichne und Tirol zugleich als gemeinsamen, gesamthabsburgischen Besitz der beiden verbliebenen Brüder ausweise. Im abschließenden Kapitel untersucht Sauter die „Politik im Zeichen der Teilung“ unter Albrecht III. (S. 247-262). Albrecht, der Neustifter der Universität, der princeps sapiens, wird in den Widmungen zweier hofnaher Übersetzungen im Zusammenhang mit der Universitätsgründung (Cassiodors Historia ecclesiatica tripartita und Guilelmus Durantis Rationale divinorum officiorum durch Leopold von Wien?) als Landesherr gespiegelt, dessen besondere Sorge dem Seelenheil seiner Untertanen galt. Die fürstliche Stellung Albrechts wird durch die Universitätsstiftung überhöht, und der Herzog erscheint als leuchtendes Glied einer stirps von Stiftern. Zum Ende schließt Sauter den Bogen und kehrt noch einmal zum Begriff Herrschaft zu Österreich zurück: In der so genannten Fabelfürstenreihe der 81 ersten, mythischen Regentschaften in der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften (die ebenfalls Albrecht gewidmet ist) erscheint Österreich als unpersönliches, rein geografisch verstandenes Land, das - Dynastiewechsel harmonisierend - als eigentlicher Träger der Kontinuität gilt. Im Gegensatz zum Österreich-Begriff der Fälschungen (das dominium Austriae als pars pro toto für das gesamte, zu vereinheitlichende Herrschaftskonglomerat der Habsburger) steht hier nur Österreich unter und ob der Enns zur Beschreibung: Albrechts III. Herrschaftsbereich nach der Teilung von 1379. Nach den hochgesteckten Zielen Rudolfs III. erhielt unter Albrecht III. offenbar die politische Realität wieder ein stärkeres Gewicht.

Im Anhang finden sich neben einer Stammtafel (S. 272-273) inventarartige Angaben zu den bildlichen Darstellungen der Habsburger des 14. Jahrhunderts (S. 274-292) und zu den Grablegen (S. 293-299) sowie eine Wiedergabe der verwendeten Titulaturen (S. 300-303) und von 89 Arengen (S. 304-323). Schließlich folgt eine katalogartige Beschreibung der Siegel (S. 324-330).

Sauter hat ein enormes Maß an zumeist gut bekannten Quellen unterschiedlicher Gattungen erneut gesichtet, hat diese immer wieder auf Relevanz für die angewandte Theorie geprüft und dabei den breiten Strom landesgeschichtlicher Literatur zu Detailfragen der habsburgischen Herrschaftspraxis und Liturgie ausgewertet. Die Stärke seiner Arbeit liegt jedoch nicht in dieser Leistung. Die besondere Qualität besteht viel mehr darin, die habsburgische Überlieferung des 14. Jahrhunderts erstmals systematisch in das Licht der Herrschaftsrepräsentation gestellt zu haben. Dadurch ist es ihm gelungen, wichtige Aspekte habsburgischen Handelns im 14. Jahrhundert in ihren Motiven, Konstanzen und Wandlungen herauszuarbeiten. Dank seiner bleibt ein Bild haften, das die intensive Anwendung der Repräsentation zur Sicherung errungener Herrschaft durch eine landfremde Dynastie zeigt, das den starken Bezug der Dynastie auf das Land als Träger von Tradition und Recht als Mittel zur Harmonisierung dynastischer Wechsel erklärt und das die (imitierenden) Usurpationen Rudolfs IV. als Ausdruck seiner Hoffnungen um Thronfolge und Gleichstellung mit den Kurfürsten verständlich macht. Und nicht zuletzt: Sauters sprachliche Klarheit macht die Lektüre zu einem Vergnügen!

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