Titel
Der schöne Mann. Zur Ästhetik eines unmöglichen Körpers


Autor(en)
Trapp, Wilhelm
Erschienen
Anzahl Seiten
196 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für Querelles-Net bei H-Soz-u-Kult von:
Britt Schlehahn

Der schöne Mann jenseits von Macht?

Wilhelm Trapp untersucht die Darstellung und Rezeption des schönen Mannes in literarischen, kunsttheoretischen und visuellen Beiträgen von der Frühen Neuzeit bis zu den gegenwärtigen Veränderungen von Männerdarstellungen auf dem Gebiet der Werbung. Den schönen Mann jenseits der Repräsentation von Macht versteht er dabei als blinden Fleck, der als Opfer oder schöner Verbrecher inszeniert wird.

Der monströse schöne Mann

Die Unmöglichkeit, ein schöner Mann zu sein, verwundert in Zeiten der Diskussionen um männliche Metrosexualität. Die Entdeckung des Mannes seitens der Kosmetikindustrie und die Diskussionen über die Krisenfigur Mann innerhalb der Kritischen Männlichkeitsforschung lassen vermuten, dass sich das maskuline Stereotyp jenseits von Omnipotenzphantasien auflöst und andere Varianten von Männlichkeit in den Vordergrund treten. Wilhelm Trapp allerdings interpretiert die gegenwärtigen Entwicklungen, die er auf dem Gebiet der Werbung verfolgt, als kommerziellen Entwurf, der auf das weibliche und homosexuelle Publikum ausgerichtet ist, da der schöne Mann als tiefe Störung innerhalb der symbolisch-geschlechtlichen Ordnung wirkt (S. 30). Trapp zufolge stellt der schöne, männliche Körper einen blinden Fleck jenseits der Repräsentation von Macht dar (S. 34). Männliche Schönheit erscheint als monströs, da sie "für die männlich-heterosexuelle Begehrensökonomie ein perverses Begehrensobjekt schafft" (S. 13). Auf der Suche nach den Gründen der Verleugnung des schönen Mannes untersucht er in seiner Studie, die als Dissertation im Rahmen des Münchner Graduiertenkollegs "Geschlechterdifferenz und Literatur" entstanden ist, die nachhaltige Feminisierung der ästhetischen Kategorie des Schönen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Dabei folgt er keiner chronologischen Darstellung. Trapp konzentriert sich in zehn Kapiteln auf ausgewählte Beispiele der Thematisierung des männlichen Körpers in philosophischen Traktaten des Neoplatonismus sowie in den Werken von Shakespeare und Henry Fielding, den Veränderungen im 18. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der Wissenschaftsdisziplin Ästhetik, über die Wiederentdeckung der antiken Schönheit bei Winckelmann, dessen Rezeption von Walter Pater bis zur Figur des Iokanaan in Oscar Wildes Drama Salome. Die Ausführungen zu den einzelnen Werken werden um deren Rezeptionsgeschichte ergänzt, um die Verstrickungen von Ästhetik, Medizin und gesellschaftlichen Anerkennungsstrategien aufzuzeigen. Daneben versucht Trapp, durch Exkurse auf das Gebiet der Kunsttheorie (Dürer und Hogarth) sowie auf das Gebiet der Malerei (Füssli) die visuellen Beiträge nach Darstellungsmöglichkeiten von männlicher Schönheit zu befragen.

Ästhetik und Geschlecht

Um "die geschlechterdefinierende Macht der ästhetischen Kategorien der Neuzeit zu beschreiben" (S. 29), steht zu Beginn der Analyse die Frage "Was das Schöne sei?" (S. 15-23). Unter Zuhilfenahme der an Lacan geschulten Subjekttheorie von Slavoj Žižek beschreibt Trapp Schönheit als Phantasma, welches dem subjektiven Begehren entspringt. Dieses werde von narzisstischen Ganzheits- und Vollkommenheitsvorstellungen genährt (S. 18 f.). Schön sei demnach dasjenige, was dem Begehren nächstmöglichst entspricht, d. h. die Definitionen und Kategorisierungen seien vom subjektiven Empfinden der Person, die die Sprecherposition einnimmt, grundlegend geprägt.

Die Entstehung der wissenschaftlichen Disziplin Ästhetik seit 1750 beeinflusst nach Trapp grundlegend die Verbreitung des Zwei-Geschlechter-Modells und die Konstituierung des modernen maskulinen Stereotyps. In deren Folge trete Schönheit als weibliche Eigenschaft zum erhabenen männlichen Geistwesen auf. Was geschieht jedoch, wenn männliche Körper als schöne Körper jenseits der Norm beschrieben werden?

Machtfreie Schönheit

Mit dem Modell einer Ästhetik der Transgression beabsichtigt Trapp, den blinden Fleck zu überwinden und männlicher Schönheit innerhalb der ästhetischen Kategorien Geltung zu verschaffen, um die Einteilung in das schöne und das erhabene Geschlecht zugunsten der Verringerung der Geschlechterdifferenz aufzulösen. Doch gerade darin zeigt sich die Schwachstelle der Studie. Die Vorgabe – männliche Schönheit jenseits von Machtrepräsentation zu beschreiben – suggeriert, dass ein machtfreier Raum in gesellschaftlichen Verhältnissen existiert. Eine Annahme, die so sicherlich nur vorgeführt werden kann, da auf Standardliteratur zur Repräsentation von modernen Männlichkeiten und zu den vielfältigen Differenzierungsmodellen innerhalb der Gruppe von Männern verzichtet wird. Weder Klaus Theweleit noch Robert Connell oder die Überlegungen von Edgar J. Forster über die Ausnutzung von angeblich machtfreien Räumen zur Überwindung des maskulinen Stereotyps fanden Eingang in die Analyse. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass nach der Lektüre von Trapps Studie Klaus Theweleit zuzustimmen ist, der Modellen der Synthese die Verleugnung von Machtverhältnissen unterstellte – und darüber hinaus die isolierte Betrachtung von Geschlecht als typischen Gedanken des bürgerlichen Mann-Individuums entlarvte.

Kommentare

Von Trapp, Wilhelm20.07.2004

Zur Rezension meiner Studie „Der schöne Mann. Zur Ästhetik eines unmöglichen Körpers“ von Britt Schlehahn möchte ich mir einige Anmerkungen erlauben, um den ein oder anderen Eindruck zu korrigieren, den die Rezension von meinem Buch erweckt – worin ich es aber kaum wiederzuerkennen vermag. Es geht mir nicht darum, berechtigte Kritik und Diskussion zurückzuweisen – Thesen sind schließlich dafür da, diskutiert, bestritten oder auch verworfen zu werden – , sondern lediglich um einige sachliche Feststellungen.

Der erste Satz von Britt Schlehahn Rezension hinterfragt „verwundert“ die Unmöglichkeit, in heutigen Zeiten „ein schöner Mann zu sein“. Dazu ist zu sagen:
Lebendige schöne Männer, die hier durch den Infinitiv „zu sein“ als reale Subjekte ins Spiel kommen, sind nicht das Thema meiner Studie (in der es um literarische Figuren und künstleri-sche Repräsentationen geht). In keiner Weise bestreite ich die Existenz schöner bzw. „metro-sexueller“ (was dieses jedem wissenschaftlichen Diskurs zur Geschlechtlichkeit ferne Mode-wort auch bedeuten mag) Männer als „unmöglich“. Diese Männer müssen sich meinesteils also nicht über Ihre eigene Schönheit bzw. Unmöglichkeit wundern – wie der Anfangsssatz nahelegt.
Lediglich die letzen fünf Seiten meines Buchs beziehen sich auf unsere Zeit, dabei erkennen und analysieren sie sehr wohl die Existenz schöner Männlichkeit, am Beispiel der Werbung. Die vorangehenden 180 Seiten dagegen befassen sich mit der Vergangenheit und wollen die historische „Unmöglichkeit“ des schönen Mannes plausibel machen. Dass heute von jeder zweiten Plakatwand ein nackter Mann grinst, beschreibe ich nicht als „tiefe Störung“, sondern als schlagendes Indiz für die Veränderung der alten Ordnung. Die Rezension verschränkt in ihrer Einleitung also Zeitebenen, die mein Buch auseinanderhält. So verknüpft etwa der Satz: „da der schöne Mann als tiefe Störung innerhalb der symbolisch-geschlechtlichen Ordnung wirkt“ – die Gegenwart mit der Vergangenheit, insbesondere durch die Konjunktion und das Präsens-Verb.

Es heißt in der Rezension weiter: „Trapp zufolge stellt der schöne, männliche Körper einen blinden Fleck jenseits der Repräsentation von Macht dar (S. 34).“
Meines Erachtens möchte dieser Satz irgendetwas anderes beschreiben als meine Studie. Denn er wirft Fragen auch: Repräsentiert der schöne Mann keine Macht? Oder ist er mächtig ohne Repräsentation? Steht er „jenseits“ der Macht, „jenseits“ ihrer Repräsentation, oder „jen-seits“ von beidem? Wie nun aber dergleichen, wo er doch ein blinder Fleck ist?
Solche Komplexe will mein Text nicht erörtern. Auf meiner Seite 34 heißt es schlicht, dass die Figur in der Forschung ein „blinder Fleck“, also unerforscht ist. Es wird weiter unten noch bedeutsam sein, dass der Begriff „Macht“ hier nicht fällt.

Die Rezension lautet weiter: „Männliche Schönheit erscheint als monströs, da sie `für die männlich-heterosexuelle Begehrensökonomie ein perverses Begehrensobjekt schafft´ (S. 13)“ In dieser allgemeinen Formulierung fühle ich mich missverstanden, da ich keinesfalls die drastische Ansicht vertrete, dass grundsätzlich immer jeder schöne Mann „monströs“ und „pervers“ sei. Hiervon ist auf der Seite 13 ausschließlich im Fall einer ganz speziellen, klar umrissenen Gruppe literarischer Kunstfiguren die Rede, nämlich der schönen Verbrecher, Mörder und Dämonen- und Teufelsgestalten.

Weiter heißt es, die Studie folge „keiner chronologischen Darstellung“. Dass meine Studie aber sehr wohl chronologisch aufgebaut ist (von kleinen, offenkundig thematisch begründeten Überschneidungen abgesehen), sowohl in der inhaltlichen Entwicklung als auch in der An-ordnung der Kapitel, demonstriert die Rezension glücklicherweise selbst: Indem sie die Kapi-tel in der richtigen, chronologischen Reihenfolge anführt.

Der zweite Teil der Rezension endet mit der Frage: „Was geschieht jedoch, wenn männliche Körper als schöne Körper jenseits der Norm beschrieben werden?“ Diese Frage trifft exakt mein Hauptanliegen, sie leitet gewissermaßen die ganze Studie.
Umso bedauerlicher ist, dass Britt Schlehahns Rezension sie nicht einmal ansatzweise beant-wortet. So kommt überraschenderweise das Hauptanliegen meiner Studie, der Beleg der „Unmöglichkeit“, allenfalls indirekt zur Sprache. Die Rezension redet sehr allgemein bspw. von der „visuellen Darstellung männlicher Schönheit“, kein einziges Mal wird aber eine kon-krete Argumentation eines zentralen, analysierenden Kapitel nachvollzogen, die doch gewis-sermaßen das Fleisch zu den Thesen, den eigentlichen Beweis liefern. Mithin macht die Re-zension also in keiner Weise plausibel, wie und warum denn der schöne Mann überhaupt „unmöglich“ sein soll. (Meine Studie dagegen zeigt in sehr vielen Beispielen „was geschieht“: der „männliche schöne Körper“ wird feminisiert, verunglimpft, dämonisiert, verleugnet etc. Er wird in der ästhetischen Theorie marginalisiert und ausgeschlossen. In Kunst und Literatur wird der schöne Mann zum Opfer oder Verbrecher stilisiert, etc. Die Ästhetik Edmund Burkes kann sich nicht einmal die Möglichkeit männlicher Schönheit vorstellen. Henry Fielding muss seinen Helden Joseph Andrews im Verlauf des gleichnamigen Romans regelrecht seiner Schönheit entkleidet, erst danach stellt er ihn als autonomes maskulines Subjekt dar. Usw.)

Weitere basale Befund der Studie, etwa die extreme Seltenheit schöner Männerfiguren, kom-men in der Rezension gar nicht zur Sprache – was selbstverständlich in der Freiheit der Re-zensentin liegt. Verblüffend ist allerdings, dass stattdessen ein anderer Aspekt als eminent auftritt, der in meinem Buch überhaupt keine Rolle spielt:

Neunmal, darunter prominent in der Überschrift, im Vortext und in einer Zwischenüberschrift der Rezension fällt das Wort „Macht“. Das suggeriert, dass „Macht“ in meiner Studie überaus wichtig ist. Selbstverständlich befasst sich diese mit der Unausweichlichkeit sozialer, ästheti-scher und anderer Diskurse, die man „machtvoll“ nennen kann. Das Wort von der „Macht“ als zentraler Begriff, Analysekategorie oder dgl. spielt allerdings in meinem Buch keine Rolle.

Verblüffend ist deshalb umso mehr Britt Schlehahns vehementer Einwand gegen meine an-gebliche „Vorgabe, männliche Schönheit jenseits von Machtrepräsentation zu beschreiben“. Das ist in keiner Weise die „Vorgabe“, auch nicht das Ziel, noch nicht mal ein zufälliges Er-gebnis des Buchs. Schon der bereits erwähnte „blinde Fleck“ hat nichts mit „Macht“ zu tun. Er bezeichnet eine Aporie in der Forschung, welche männliche Schönheit bislang kaum the-matisiert hat, sondern allenfalls weibliche Schönheit bzw. männliche Subjektivität (deshalb steuern Theweleit etc. hier wenig bei).

Als nächstes bringt die Rezensentin dann den Begriff vom „Modell einer Ästhetik der Transgression“ ins Spiel. Damit, so heißt es, „beabsichtigt Trapp, den blinden Fleck zu über-winden“. Hierzu stelle ich fest, dass das Gegenteil der Fall ist:
Die „transgressive Ästhetik“ ist keinesfalls meine Erlösungsfigur für die schöne Männlichkeit, sondern lediglich ein Hilfsbegriff, mit dem ich versuche, eine einzige, ganz bestimmte Ästhe-tik zu erfassen: die Johann Joachim Winckelmanns. Die Pointe meines Winckelmann-Kapitels ist dessen dritter Teil („8.2. Opfer eines Engels. Winckelmann als literarische Figur“, S. 126-133). Er behandelt die literarische Rezeptionsgeschichte Winckelmanns, dessen Schicksal oft belletristisch verarbeitet wurde. Dabei wurde seine „transgressive Ästhetik“ teils völlig igno-riert, teils, was interessanter ist, gegen ihn selbst gerichtet: Wickelmann wird in Winckel-mann-Romanen auffällig oft mit dem Tod „bestraft“ (metaphorisch gemeint) – dafür, dass er eine sozusagen alternative Ästhetik entwarf. Er wird nämlich ermordet durch die zentrale Fi-gur dieser Ästhetik: Von einem schönen Mann (was den realen, historischen Umständen in keiner Weise entspricht). Ich führe Winckelmanns (nicht Trapps!) rein literarisches „Modell der Synthese“ also als ein in der Rezeption brachial verworfenes vor. Die letzten Sätze des Kapitels lauten:

„Das Subjekt, das sich in Winckelmanns Ästhetik spiegelt, realisiert sich als eine von der regulären Ordnung verworfene Möglichkeit. Was diese Verwerfung bedeutet, zeigt die Winckelmann-Belletristik: Sie lässt Winckelmann den Apoll berühren, um vorzu-führen, dass der Tod die einzige Konsequenz dieser Berührung sein kann. Dadurch ist der ideale männliche Körper wieder in unüberbrückbare Distanz gerückt, das Erhabene ist restituiert.“ (S. 132)

Wie Britt Schlehahn aus dieser Lektüre folgert, ich postulierte einen „machtfreien Raum in gesellschaftlichen Verhältnissen“, feiere gar ein „Modell der Synthese“, ist unklar. Schließlich ist doch das wichtigste, das häufigst durchgespielte Anliegen meiner Studie, die Konstruktion des „schönen Mannes“ als völlig von den machtvollen Diskursen der ästhetischen, symboli-schen und gesellschaftlichen Ordnung durchdrungen zu zeigen, welche lange Zeit die Schön-heit als weiblich, die Erhabenheit als männlich definiert haben. Die deshalb den schönen Mann keinesfalls als Ausnahme im „machtfreien Raum“ duldeten, sondern ihn von vornher-ein als Verstoß, als die „unmögliche“ Figur bestimmten, die sich in literarischen Beispielen des feminisierten, verweichlichten, bösen, unmännlichen schönen Mann manifestiert. Wie schon der Titel verrät.

Ein Wort noch zum Schlussverdikt der Rezension, in dem Britt Schlehahn Klaus Theweleit zitiert, der „die isolierte Betrachtung von Geschlecht als typischen Gedanken des bürgerlichen Mann-Individuums entlarvte“. Theweleits Aussage bestätigt sich zunächst in zirkelhafter Weise selbst: hier betrachtet ein Mann ganz isoliert das „Typische“ des eigenen Geschlechts. Diese Logik wird nun freilich aufgebrochen, indem sich Britt Schlehahn den Satz aneignet: Damit beweist die Rezensentin in schlagender Weise selbst, dass auch Frauen der isolierten Geschlechts-Typologisierung fähig sind.


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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit der Rezensionszeitschrift Querelles-Net/ZE zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung. (Redaktionelle Betreuung: Dr. Ulla Bock). http://www.querelles-net.de/
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