N. Trippen: Josef Kardinal Frings (1887 - 1978)

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Titel
Josef Kardinal Frings (1887-1978). Band I: Sein Wirken für das Erzbistum Köln und für die Kirche in Deutschland


Autor(en)
Trippen, Norbert
Reihe
Veröffentlichungen der Komission für Zeitgeschichte B, Forschungen 94
Erschienen
Paderborn 2003: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
676 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Voges, Westfälische-Wilhelms-Universität Münster

„Meine einzige Quelle war eigentlich mein Gedächtnis, da ich seit zehn Jahren so geschwächt bin, daß ich nichts mehr lesen kann.“ 1 Mit diesem Hinweis umreißt Josef Kardinal Frings im Vorwort seiner Erinnerungen deren Quellenbasis. Dieses autobiografische Dokument gibt auf rund 300 Seiten eine – notwendigerweise subjektiv geprägte – Lebensbeschreibung des bedeutenden Kölner Erzbischofs. Abgesehen von einem ersten biografischen Entwurf Konrad Repgens 2 und einem kursorischen Lebensbild 3 gab es dreißig Jahre lang keinen weiteren Zugang zur Person Frings’. Die Biografie des Kirchenhistorikers Norbert Trippen reagiert auf dieses Forschungsdesiderat. Trippen kann sich bei seiner Arbeit auf umfangreiches Quellenmaterial stützen, vor allem den riesigen Nachlass. Daraus ergibt sich auch der Umfang dieser Lebensbeschreibung: 633 Textseiten umfasst allein der erste Band über das Wirken Frings’ für das Erzbistum Köln und für die Kirche in Deutschland. Der zweite, im Manuskript bereits weit vorangeschrittene und vermutlich ebenso opulente Band wird die weltkirchlichen Initiativen der Erzdiözese Köln (Bistumspartnerschaft Köln-Tokio, Misereor, Adveniat) sowie die Rolle Frings’ auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zum Inhalt haben.

Die große Bedeutung von Frings für das kirchliche Leben in Deutschland wie für die katholische Kirche insgesamt rechtfertigt durchaus eine ausführliche Biografie. Der stattliche Umfang der von Trippen vorgelegten Darstellung ergibt sich aber auch aus deren Anlage. Über weite Strecken trägt die Lebensbeschreibung dokumentarischen Charakter. Trippen schreibt seine Biografie in traditioneller Weise, moderne Forschungsansätze wie die Milieutheorie spielen kaum eine Rolle. Gleichzeitig verfolgt er das Ziel, Frings in die Zeitgeschichte einzubetten. Am Kölner Erzbischof und langjährigen Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz wird dabei in pointierter Weise deutlich, dass die vielfach beklagte mangelnde Kenntnisnahme der Ergebnisse der Katholizismusforschung durch profanhistorische Disziplinen überwunden werden muss.

Trippen schildert zunächst die Herkunft und den Werdegang des aus Neuss stammenden Frings, seine Jahre als Kaplan und Pfarrer (1910-1922), sodann seine Zeit als Regens des Kölner Priesterseminars in Bensberg (1937-1942). Beschlagnahme und Enteignung des Seminargebäudes markieren die erste Begegnung mit dem Nationalsozialismus, in dessen Zeit auch die Wahl Frings’ zum Erzbischof von Köln fällt. Ausführlich berichtet Trippen über die näheren Umstände der Wahl, die nach langer Vakanz erfolgte. Die ersten Jahre als Erzbischof fielen zusammen mit den letzten Kriegsjahren, in denen ein ständiger, durch die Fliegerangriffe erzwungener Ortswechsel das Hineinfinden in die neue Aufgabe nicht gerade erleichterte. 1945 trat Frings die Nachfolge des Breslauer Fürstbischofs Adolf Kardinal Bertram als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz an, 1946 erhielt er in Rom den Kardinalshut. Damit waren die Weichen für die wirkmächtige Rolle von Frings in der Nachkriegszeit gestellt.

Die Jahre ab 1945 beschreibt Trippen in drei Perspektiven. Er schildert erstens die Notjahre bis 1949, in denen Frings als Seelsorger für die Menschen in seiner Diözese gefragt war. Mangels staatlicher Autorität fungierte der Kölner Erzbischof und Vertreter des deutschen Episkopats zweitens als „Anwalt der Bevölkerung bei den Besatzungsmächten“. Schließlich galt es drittens, sich neben diesen Anforderungen des Status quo auch der zukünftigen Neugestaltung von Staat und Gesellschaft zu stellen. Frings musste sich gegenüber Personen und Parteien, insbesondere Konrad Adenauer und der CDU, sowie in politischen Fragen, beispielsweise dem Ringen um die Bekenntnisschule und den Verfassungsentwürfen auf Landes- und Bundesebene, positionieren. Deutlich zeigt Trippen gerade in diesen Kapiteln die zeit- und situationsbedingte enge Verbindung von kirchlichem und neu entstehendem gesellschaftlichen Leben auf, in der Frings politisch klug und standfest auftrat. Noch eine andere Verhaltensweise des Erzbischofs trat in dieser Zeit zutage: In bestimmten Fragen suchte er sich treue und kompetente Berater und Vertreter. Als Verwaltungschef der Diözese übernahm Frings von seinem Vorgänger Schulte den bewährten Generalvikar Emmerich David. Bei der Einflussnahme auf die Entstehung und die Politik der frühen Bundesrepublik konnte er auf Prälat Wilhelm Böhler vertrauen.

Nach dieser Zeit, in der die Kirche und ihre Repräsentanten als Garanten der Kontinuität und Stabilität galten, wandelten sich die Anforderungen an den Oberhirten der Kölner Erzdiözese. Zunehmend rückte nun die Sorge um das eigene Bistum, seinen Wieder- und Neuaufbau und seine pastorale Neuordnung in den Blick. In dieser Zeit übernahm Joseph Teusch das Amt des Generalvikars; seine eigentliche Bedeutung sollte jedoch erst im Zusammenhang mit den weltkirchlichen Kölner Initiativen deutlich werden. Auch hier entfaltet Trippen, ausgehend von der Person des Erzbischofs, eine Beschreibung des zeitgenössischen Lebens mit dem Schwerpunkt auf der kirchlichen Situation, die besonders im Abschnitt über die „Höhepunkte kirchlichen Lebens in den fünfziger Jahren“, so dem „Marianischen Jahr 1954“ und dem Kölner Katholikentag 1956, deutlich wird.

Dem Verhältnis von Kardinal Frings zu Gremien der katholischen Laien widmet sich ein weiteres Kapitel, bevor Trippen auf das Verhältnis der christlichen Konfessionen zueinander in der frühen Bundesrepublik eingeht. Wiederum verknüpft er die Person Frings’ mit den gesellschaftlichen und kirchlichen Strömungen der Zeit. Zugleich löst Trippen gerade mit diesen Abschnitten den von der Theologie geforderten Gegenwartsbezug der Kirchengeschichtsschreibung ein, denn die an Frings exemplifizierten Themen sind immer noch bzw. wieder relevant. Mit organisatorischen Fragen der Priesterausbildung und der Gründung des Bistums Essen schildert Trippen eher kircheninterne Vorgänge. Im vorletzten Kapitel schließlich beschreibt er die Rolle Frings’ als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz. Sein darin eingebetteter Exkurs über die Entstehung der ostdeutschen Bischofskonferenz weist angesichts der aktuellen Forschungen zu diesem Gebiet einige Unklarheiten auf. Ein Blick auf „Geborgenheit, Muße und Erholung im Leben des Erzbischofs“ rundet die Darstellung ab.

In seiner Biografie des Kölner Erzbischofs lässt Trippen die Leser ausführlich an seinem reichen Quellenmaterial teilhaben. Dies führt einerseits zu stellenweise breiter Darstellung. Andererseits ermöglicht eine derartige Dokumentation eine hohe Transparenz für den historisch Interessierten. Sie erlaubt es dem Autor auch, auf allzu schnelle Schlüsse zu verzichten. Stattdessen kann er explizit Fragen an die Quellen stellen und auf bemerkenswerte Sachverhalte in den Akten aufmerksam machen.

Eine Schlussfolgerung aus seinen Recherchen spannt Norbert Trippen gewissermaßen als roten Faden durch die Lebensbeschreibung. Es ist eine „Gewissensängstlichkeit“, die er dem Kölner Erzbischof zuschreibt: „Die Neigung, angesichts seiner Verantwortung in Gewissensbedrängnisse zu geraten, hat dem Erzbischof bis zu seinem Tode immer wieder zu schaffen gemacht.“ (S. 78) Für diese psychologisierende Charakterisierung allerdings steht wiederum Frings selbst Pate. In seinen Erinnerungen schrieb er angesichts der ersten Zeit als Bischof „von dem Gedanken, daß ich nun Bischof dieser großen Diözese sein sollte. Das überkam mich so mächtig, dass ich am liebsten in den Boden verschwunden wäre. Es ging aber vorüber, der Zug ging weiter, und ich mußte meinen Dienst vollziehen.“4

Anmerkungen:
1 Frings, Josef Kardinal, Für die Menschen bestellt. Erinnerungen des Alterzbischofs von Köln, Köln 1973, S. 7.
2 Repgen, Konrad, Kardinal Frings im Rückblick. Zeitgeschichtliche Kontroverspunkte einer künftigen Biographie, in: HJb 100 (1980), S. 286-317.
3 Trippen, Norbert, Josef Kardinal Frings (1887-1978), in: Aretz, Jürgen; Morsey, Rudolf; Rauscher, Anton (Hgg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 7., Mainz 1994, S. 143-160.
4 Frings, Für die Menschen bestellt (wie Anm. 1), S. 21.

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