Cover
Titel
Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Herausforderung


Autor(en)
Abelshauser, Werner
Erschienen
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Kleinschmidt, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, Ruhr-Universität Bochum

Autoren sind zumeist nicht verantwortlich für die Texte auf den Umschlagklappen ihrer Bücher. Und so lässt sich der Hinweis: „Werner Abelshauser hat die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik neu geschrieben“ (Die Zeit) auf der Rückseite des kleinen Bandes sicherlich als Werbung des Verlages verbuchen. Auf das Buch „Kulturkampf“ trifft er nicht zu. Angemessener erscheint da schon der Hinweis von Jörn Rüsen im Nachwort, es handele sich dabei um ein kleines lesbares Buch für ein breites Publikum, hervorgegangen aus einem Vortrag im Rahmen der „Pott-Vorlesungen zu Technik, Wirtschaft und Kultur“ des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. Dabei könnte man es belassen, würde der Titel nicht Größeres erwarten lassen, knüpft er doch nicht nur an die Geschehnisse des 19. Jahrhunderts an, die das Bismarcksche Reich in eine schwere Krise stürzten, sondern weckt auch bewusst Assoziationen an Huntingtons „clash of civilizations“. Der Untertitel lässt schließlich auch einen neuen Beitrag zur „Amerikanisierungs“-Diskussion vermuten. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch.

Die Ausarbeitung eines Vortrags zu einem Buch besteht hier jedoch vor allem darin, in Anknüpfung an Abelshausers eigene Forschungsergebnisse der 1980er- und 1990er-Jahre zu den Themenbereichen „Korporatismus“, Mitbestimmung und „fordistisches Produktionsregime“ – die ja schon immer einen impliziten Vergleich zu dem Modell der liberalen Marktwirtschaft beinhalteten – diese nun unter das Etikett „Kulturkampf“ zu subsumieren. Der Begriff steht für Divergenzen amerikanischer und deutscher Wirtschaftskulturen; er soll „den Wettbewerb um die Spielregeln des Wirtschaftslebens charakterisieren, der zwischen den wenigen historisch gewachsenen Wirtschafts- und Unternehmenskulturen entbrannt ist, die sich auf der weltwirtschaftlichen Bühne bis heute behaupten konnten“ (S. 8). Als antagonistische Modelle stehen sich die korporative und die liberale Marktwirtschaft gegenüber. Eine zentrale Rolle spielen dabei Institutionen, die ein hohes Maß an „Soziabilität“ sowie eine vertrauensvolle und kostensenkende Zusammenarbeit in der Wirtschaft ermöglichen. In seinen einleitenden Bemerkungen sowie im ersten Kapitel des Buches verknüpft Abelshauser somit den Korporatismusansatz mit institutionenökonomischen Überlegungen, die in den nachfolgenden drei Kapiteln anhand des empirischen Materials früherer Forschungsergebnisse analysiert werden.

Die wesentlichen Argumente des zweiten Kapitels („Das Kaiserreich – Treibhaus postindustrieller Institutionen“), in dem die Entwicklung korporatistischer Strukturen bis zum Ende der Weimarer Republik nachgezeichnet werden, hatte Abelshauser bereits in den 1980er-Jahren ausgearbeitet, freilich noch ohne die Begrifflichkeit der Neuen Institutionenökonomik zu bemühen. Im Mittelpunkt des Interesses standen seinerzeit die Darstellung Deutschlands als verspätete Industrienation und die dadurch bedingten Anpassungsprozesse im Zuge der Hochindustrialisierung, die Entstehung sozialstaatlicher Institutionen, Staatsinterventionismus, die Rolle von Kartellen, Verbänden und Gewerkschaften. „Neuer Most in alten Schläuchen?“ – so betitelte Abelshauser selber einen Aufsatz im Jahr 1990 über vorindustrielle Traditionen deutscher Wirtschaftsordnung im Vergleich zu England.1 Die Ergebnisse dieses Aufsatzes werden hier wieder aufgegriffen. Die Frage lässt sich gleichermaßen auf den Versuch anwenden, die Forschungsergebnisse der 1980er-Jahre nun nachträglich mit einer institutionenökonomischen Begrifflichkeit anzureichern. Der Erkenntnisfortschritt erscheint nicht sehr hoch.

Dies gilt auch für das dritte Kapitel, in dem Abelshauser ebenfalls an vorangegangene Forschungen anknüpft. Das betrifft vor allem den für das Thema „Kulturkampf“ zentralen Abschnitt über die „amerikanische Herausforderung“ und die Orientierung deutscher Unternehmen wie etwa Krupp oder Volkswagen an der „fordistischen Produktionsweise“.2 Die Beispiele zeigen nach Abelshauser, dass deutsche Unternehmen „schon früh der Faszination der fordistischen Produktionsweise erlagen“ (S. 109). Hier stellt sich die Frage, worin denn dann der „Kulturkampf“ bestanden hat. Zumindest wären an dieser Stelle Überlegungen zur langjährigen – auch international geführten – Amerikanisierungs-, Interkulturalismus- und Konsumgesellschaftsdiskussion angebracht. Doch ein Großteil gerade auch der jüngsten Forschungen zu diesen Themen bleiben bei Abelshauser unberücksichtigt,3 weil er sich in erster Linie auf seine eigenen Untersuchungen der 1980er und 1990er-Jahre stützt.

Die Aussage, dass die Divergenz der beiden Produktionsregime weiter zunahm und dass zwar „amerikanische Werte, Institutionen und Organisationsformen von deutschen Unternehmern geschätzt und bewundert, gleichwohl aber in Deutschland weder auf breiter Front übernommen wurden, noch gar zum Umbau des eigenen Produktionsregimes führten“ (S. 170), sind in dieser Form schließlich nicht mehr haltbar bzw. stark in Frage zu stellen. In vielen Bereichen kam es zu Konvergenzen, Angleichungen und Orientierungen an amerikanischen Vorbildern. Auch wenn dies auf den Bereich der Mitbestimmung nicht zutrifft: Hier müsste verdeutlicht werden, wie der „Kulturkampf“ nun tatsächlich, etwa auf politischer und Unternehmensebene, ausgetragen wurde. Denn dies war ein Feld, auf dem in den 1950er-Jahren ja tatsächlich harte Auseinandersetzungen und Kämpfe stattfanden, nicht nur zwischen den deutschen Kontrahenten, sondern auch durch amerikanische Interventionsversuche. Hier wurde der „Kulturkampf“, der ja sonst kaum mit harten Worten ausgetragen wurde, manifest. Genau diese Perspektive bietet Abelshauser aber nicht, sondern zeichnet anhand früherer Forschungen die Geschichte der deutschen Mitbestimmung seit Ende des 19. Jahrhunderts nach und nimmt diese schließlich unter Hinzuziehung institutionenökonomischer Überlegungen als Beleg für effiziente, stabile und konfliktarme Arbeitsbeziehungen.4 Eine direkte Gegenüberstellung oder Vergleiche mit dem amerikanischen Modell geraten in diesem Kapitel zunehmend aus dem Blickfeld. Dabei war auf dem Gebiet der Industriellen Beziehungen das Modell der Deutschland AG spätestens seit den 1980er-Jahren in Auflösung begriffen, und es zeichnete sich eine zunehmende Liberalisierung der Unternehmenskontrolle ab.

Das sieht Abelshauser allerdings ganz anders. In Kapitel IV stellt er die Frage nach den „Stärken und Schwächen des deutschen Produktionsregimes“. Bei diesem Kapitel scheint es sich um den originären Beitrag der Vortragsreihe zu handeln. Und hier zeigt sich Abelshauser von einer Seite, die ihn in der Wirtschaftsgeschichte bislang ausgezeichnet hat: durch zugespitzte und provokante Thesen, die zu Auseinandersetzungen und Diskussionen anregen. Dabei geht er davon aus, dass bis in die 1990er-Jahre zentrale Bestandteile des deutschen Produktionsregimes bzw. des Korporatismus weitgehend unangetastet blieben, wie Abelshauser es ausdrückt: „Der Kulturkampf zeichnete sich ab, ließ die deutsche Wirtschaft aber nicht von ihrem Weg abkommen“ (S. 168). In den 1990er-Jahren kamen dann mit „shareholder value“ und neuen Corporate-Governance-Strukturen auch neue amerikanische Herausforderungen, doch hätten sich der deutsche Wohlfahrtsstaat, korporatistische Arbeitsbeziehungen und die nach wie vor zentrale Rolle des Staates bewährt und könnten dem amerikanischen Modell durchaus „Paroli bieten“ (S. 189).

Ob dies tatsächlich so ist, werden allerdings weniger die Wirtschaftshistoriker beurteilen, sondern vielmehr die Sozialwissenschaftler und Ökonomen. Neueste Studien gehen davon aus, dass im Zuge der Liberalisierung der Unternehmenskontrolle kaum noch von einem einheitlichen deutschen Modell der Unternehmensführung gesprochen werden kann. Zwar lösen sich die traditionellen Institutionen wie die Mitbestimmung nicht vollständig auf, aber es finden Konversionsprozesse in Richtung des amerikanischen Modells statt, die zu einer „Hybridisierung“ der Unternehmensverfassung führen.5

Es bleibt festzuhalten, dass Werner Abelshauser nicht die „Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik neu geschrieben“, sondern „ein kleines lesbares Buch“ (Jörn Rüsen) verfasst hat, mit dem sich die Wirtschaftsgeschichte in die Diskussion über den Erfolg des „Modells Deutschland“ einklinken kann, das insgesamt gesehen jedoch nur im letzten Kapitel originäre Überlegungen über die amerikanische Herausforderung an die deutsche Wirtschaft vermittelt.

Anmerkungen:
1 Abelshauser, Werner, Neuer Most in alten Schläuchen? Vorindustrielle Tradition deutscher Wirtschaftsordnung im Vergleich mit England, in: Petzina, Dietmar; Reulecke, Jürgen (Hgg.), Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft seit der Industrialisierung. Festschrift für Wolfgang Köllmann zum 65. Geburtstag, Dortmund 1990, S. 117-132.
2 Abelshauser, Werner, Rüstungsschmiede der Nation? Der Krupp-Konzern im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit 1933–1951, in: Gall, Lothar (Hg.), Krupp im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin 2002, Teil III, insbes. Kap. 5; Ders., Two Kinds of Fordism: On the differing Roles of the Automobile Industry in the Development of the two German States, in: Shiomi, Haruhito; Wada, Kazuo (Hgg.), Fordism Transformed. The Development of Production Methods in the Automobile Industry, Oxford 1995, S. 269-296.
3 Dies betrifft etwa sämtliche Forschungen Volker Berghahns, der mit seinem Buch Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main 1985 die neuere „Amerikanisierungs“-Forschung in der Bundesrepublik angestoßen hat. Siehe den Literaturüberblick bei Gassert, Philipp, Amerikanismus, Antiamerikanismus, Amerikanisierung, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 531-561. Unberücksichtigt bleibt auch die internationale Forschung zur „Amerikanisierung“ wie etwa Kipping, Matthias; Bjarnar, Ove (Hgg.), The Americanisation of European Business. The Marshall Plan and the transfer of US management models, London 1998, oder Zeitlin, Jonathan; Herrigel, Gary (Hgg.), Americanization and Its Limits: Reworking US Technology and Management in Postwar Europe and Japan, Oxford 2000, sowie jüngste Fallstudien zur deutschen Situation bei Kleinschmidt, Christian, Der produktive Blick. Wahrnehmung amerikanischer und japanischer management- und Produktionsmethoden durch deutsche Unternehmer 1950–1985, Berlin 2002. Auch die neueste Konsumgeschichtsforschung, die explizit den deutsch-amerikanischen Vergleich mit einbezieht (wie etwa König, Wolfgang, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000), bleibt unbeachtet.
4 Abelshauser, Werner, Vom wirtschaftlichen Wert der Mitbestimmung. Neue Perspektiven ihrer Geschichte in Deutschland, in: Streeck, Wolfgang; Kluge, Norbert (Hgg.), Mitbestimmung in Deutschland. Tradition und Effizienz, Frankfurt am Main 1999, S. 224-238.
5 Streeck, Wolfgang; Höpner, Martin (Hgg.), Alle Macht dem Markt? Fallstudien zur Abwicklung der Deutschland AG, Frankfurt am Main 2003; Höpner, Martin, Wer beherrscht die Unternehmen? Shareholder Value, Managerherrschaft und Mitbestimmung in Deutschland, Frankfurt am Main 2003.

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