Titel
Geschichte Online. Neue Möglichkeiten für die historische Fachinformation


Autor(en)
Horvath, Peter
Reihe
Historical Social Research, Supplement 8
Anzahl Seiten
283 S.
Preis
DM 18,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ingo Runde, Fak. 1: Geschichte, Gerhard Mercator Universität Duisburg

Bei "Geschichte online" handelt es sich um eine geringfügig veränderte Dissertation, die Horvath im Februar 1997 an der Universität Hamburg unter dem Titel "Die Bedeutung von Online-Datenbanken für die Geschichtswissenschaft. Ein Beitrag zu Methode und Praxis historischer Forschung" eingereicht hat. Der ursprüngliche Titel macht noch deutlicher, worum es in diesem Buch geht. Es soll der stark veränderten Informationsstruktur Rechnung tragen, die mit der zunehmenden Nutzung der EDV eine neue Grundwissenschaft zur Erforschung der Geschichte geschaffen hat. Diese soll vor allem "bei der Bewältigung einer kaum noch zu überblickenden Publikationsmenge" (S.10) helfen. Das Kernstück der Arbeit bildet ein Überblick über die für Historiker relevanten Online-Datenbanken. 'Online' beschreibt dabei einen Zustand, "in dem Computer so miteinander verbunden sind, daß sie in der Lage sind, Daten auszutauschen" (S.8f.) - und zwar unabhängig von der zwischen ihnen liegenden Entfernung wie z.B. im WorldWideWeb, auch Internet genannt. Die dort verfügbaren Online-Datenbanken unterteilt Horvath in die Kategorien Elektronische Dienste, Datenbanken mit Software, mit Tönen, Bildern oder Videos, zahlenorientierte Datenbanken und solche, die textorientiert sind. Doch wie im Vorwort bereits richtig angemerkt, sind im schnellebigen WorldWideWeb drei Monate wie ein Jahr, so daß die "Halbwertzeit dieser Publikation" in der Tat "denkbar kurz" ist (S.VIII). Ihr Wert liegt jedoch nicht allein in der Zusammenstellung von z.T. bereits wieder verschwundenen, erweiterten oder unter neuen Adressen auffindbaren Online-Datenbanken - einmal ganz davon abgesehen, daß fast täglich neue hinzukommen, die zwangsläufig hier fehlen werden. "Geschichte online" will vielmehr dazu beitragen, die "neue virtuelle Realität wahrzunehmen und entsprechende Strukturen zu ihrer Bewältigung zu schaffen" (ebd.).

Die hier angekündigte Wahrnehmung der virtuellen Realität wird dem Historiker durch einen vorangestellten Abriß der Geschichte des Computers, der Datennetze und Online-Datenbanken erleichtert, dem unter der Überschrift "Paradigmenwechsel" eine kurze Diskussion der Geschichte als Wissenschaft und ihrer möglichen Veränderung durch den Einsatz des Computers folgt. Mit diesem theoretischen Rüstzeug ausgestattet, führt Horvath den Leser nun in die Beziehung zwischen Geschichtswissenschaft und Computer ein, indem er die Entwicklung und Anwendung quantifizierender Methoden nachzeichnet und schließlich die Aufnahme computergestützter Methoden in der bundesdeutschen Fachdiskussion beschreibt. Die nachfolgende Darstellung der Fachinformationspolitik in der BRD seit Mitte der sechziger Jahre und der Debatte um eine historische Fachdokumentation, in der bereits der Aufbau einer 'online' zur Verfügung gestellten elektronischen Datenbank zur Projekt-, Quellen- und Literaturdokumentation erörtert wurde, schließt den theoretischen Teil der Arbeit nach 86 Seiten ab. Auf gut 50 Seiten liefert Horvath nun die bereits erwähnte, äußerst differenziert gegliederte Bestandsaufnahme der Online-Datenbanken für Historiker. Ausgehend von dem durch die wachsende Datenfülle entstandenen Informationsproblem in nahezu allen Wissenschaftsdisziplinen, dem spezifischen Arbeitsprozeß des Historikers, seiner Veränderung durch die "digitale Revolution" (S.19) und der mit Revolutionen nicht selten einhergehenden chaotischen Strukturen plädiert Horvath abschließend für die Schaffung einer organisatorisch-juristischen Einheit, die er als "History Online (HO)" (S.167) bezeichnet. Bestehend aus auf sechs Ebenen hierarchisch geordneten und miteinander verknüpften Modulen - im einzelnen sind hier Lexika und andere Hilfsmittel (Wörterbücher etc.), Bibliographien, Zeitungen und Zeitschriften, Archivverzeichnisse, digitalisierte Quellen sowie die Bestellung von Büchern und Dokumenten zu nennen - soll sie das Ordnungsproblem auf dem bunten Markt der elektronischen Bibliotheken durch eine einheitliche Oberfläche und ein aktuelles Verzeichnis aller relevanten Datenbanken (online und offline), Datenarchive, Datensammlungen und Internet-Adressen lösen.
Mit einem solchen umfassenden historischen Informationsnetz könnte gewiß das Problem der fehlenden Aktualität und der Abhängigkeit von einer lokalen Präsenz gedruckter Bibliographien gelöst und zugleich eine gewisse Qualitätskontrolle, die im Internet momentan kaum in adäquater Weise stattfindet, gewährleistet werden. Bleibt die Frage nach der Realisierung bzw. der Finanzierung, die Horvath durch eine Mischfinanzierung aus staatlichen Mitteln und aus Geldern von Sponsoren, Stiftungen etc. zu lösen sucht. Ein solches Vorhaben ist zweifellos sinnvoll und notwendig. Allerdings sind vergleichbare Unternehmungen im Internet - z.B. die "Erlanger Historikerseite" (www.phil.uni-erlangen.de/~p1ges/home.html) oder die nicht zufällig ebenfalls dort angesiedelte "Virtual Library Geschichte" (www.phil.uni-erlangen.de/~p1ges/vl-dtld.html) sowie viele dort 'gelinkte' Seiten einzelner Institute - bislang vornehmlich durch ehrenamtliche Bemühungen geprägt, deren 'Professionalisierung' für die vom Autor geforderten Größenordnungen dringend geboten erscheint. 1

Anmerkung:
1 Vgl. dazu die auf H-Soz-u-Kult geführte Diskussion zu diesem Fragenkomplex. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/diskusio/histo.htm
Das Inhaltsverzeichnis ist online abrufbar unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/diskusio/histo/geonline.htm

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