Cover
Titel
Die Japanesen in Berlin. Der Besuch der ersten japanischen Expedition von 1862 im Spiegel der Presse


Autor(en)
Zobel, Günter
Erschienen
München 2002: Iudicium-Verlag
Anzahl Seiten
108 S.
Preis
€ 6,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Wattenberg, Japanzentrum, Humboldt-Universität zu Berlin

Das schmale Bändchen öffnet mit seinem Titel ein Fenster in eine vergangen Zeit, in der man noch von „Japanesen“ sprach. Was machten diese 1862 in Berlin, wie kam es zu diesem Besuch überhaupt? Günter Zobel beschreibt im einleitenden Teil die politische und gesellschaftliche Lage Japans zu der Zeit, als Amerika mit Kriegsschiffen dem Land einen Vertrag abgerungen und damit die dort seit der Mitte des 17. Jahrhunderts praktizierte Abschließungspolitik beendete hatte. Diesem ersten Vertrag von 1854 folgten weitere Verträge, auch mit den anderen Großmächten, und schließlich zeigte sich Ende 1860 auch Preußen in Japan. Es erhielt Anfang 1861 einen Vertrag, allerdings in abgeschwächter Form. 1862 reiste nun eine japanische Delegation nach Europa, um seine Vertragspartner, also auch Preußen, zu besuchen und sich dabei über den Westen aus eigener Anschauung zu informieren.

Im Hauptteil stellt Zobel den Besuch der Gesandtschaft in Berlin dar, und zwar wie im Titel angegeben, im Spiegel der Presse. Das ist keine große Einschränkung, ging es doch in Berlin – anders als in London – nicht um Verhandlungen, sondern nur um eine Bestätigung des abgeschlossenen Vertrages. Die Japaner hatten so nach der Audienz bei König Wilhelm I. im Weißen Saal des Schlosses zwei Wochen Zeit, sich in Berlin umzusehen. Zobel stellt eine Fülle von Berichten aus einer umfangreichen Liste von Zeitungen und Zeitschriften zum Besuch vor, einiges davon ist als Text-Faksimile oder als Abbildung beigefügt. So wird das Programm, Besuche von Geschäften und Theatern, militärischer Einrichtungen, Schloss Babelsberg u.a. lebendig.

Die Gesandtschaft fuhr dann weiter nach Russland, übernachtete auf der Rückreise noch einmal in Berlin. Dass das deutsche Japan-Interesse nicht gleich wieder erlosch, belegt Zobel in dem mit Nachlese überschriebenen Teil, der Berichte allgemeiner Art enthält, die das Japan-Bild der Zeit deutlich machen. Ein gesonderter Teil ist dem Chefdolmetscher der Gesandtschaft gewidmet, der über eine Reihe von Jahren an den Verhandlungen Japans mit dem Ausland mitgewirkt hatte. Schließlich sind die Lebensdaten der wichtigsten Persönlichkeiten der Gesandtschaft, zu denen Zobel auch Fotos besorgt hat, beigegeben.

In der Beurteilung der Presseberichte wäre der Rezensent etwas milder als Zobel. Er hat recht, wenn er eurozentrische Züge in der Berichterstattung kritisiert, aber die Japaner in ihrer nationalen Tracht mussten damals exotisch wirken, ihren Schlurfschritt durfte man doch wohl belächeln. Einige Karikaturen zeigen zudem, dass die Presse sich durchaus des gegenseitigen Verwunderns bewusst war: auf der einen Seite die fremd wirkenden Japaner, auf der anderen Seite das für sie ebenso fremd wirkende Europa. Schon 11 Jahre später, als die japanische Gesandtschaft unter der Leitung von Fürst Iwakura Berlin – nun Hauptstadt des Kaiserreiches – besuchte 1, hatte sich vieles verändert: die deutsche Presse hatte sich an das außereuropäische Ausland gewöhnt und berichtete knapp und sachlich, die Japaner hatten sich zumindest der westlichen Kleidung angepasst.

Etwas milder wäre der Rezensent auch in der Beurteilung des Verhaltens der Japaner den Fremden gegenüber in ihrem eigenen Land. Dem kleinen Bändchen steht nicht genug Raum zur Verfügung, um auf alle Zusammenhänge der Zeit einzugehen, aber es sollte doch festgehalten werden: die militante Haltung vieler Japaner den Fremden gegenüber war ja eine Reaktion auf die von den USA mit militärischer Macht erzwungene Öffnung des Landes. In ihrer Ablehnung der ungebeten hereinströmenden, die Landessitten ignorierenden Fremden mit ihren Sonderrechten (die unter Druck abgeschlossenen „ungleichen Verträge“ hießen ja nicht nur so, sie waren es auch) waren sich alle Japaner einig. Das bedeutete nicht, dass die Japaner nichts vom Ausland wissen und lernen wollten. Seit 1720 das Importverbot ausländischer Bücher gemildert wurde, wurden die westlichen Wissenschaften studiert.2 So klingt es ein wenig zu undifferenziert, wenn Zobel bei der Darstellung des Wirkens des Japanforschers Siebold schreibt, „inzwischen hatte ein Prozeß der geistigen Öffnung eingesetzt“ (S.12), und das in die Mitte des 19. Jahrhunderts verlegt. Auch den Zwischenfall, in den Siebold verwickelt war, und der als Siebold-Affäre in die Geschichte eingegangen ist, muss man etwas anders sehen. Der Deutsche Philipp Franz von Siebold war 1828 am Ende seines Aufenthaltes verhaftet worden und schließlich auf Lebenszeit ausgewiesen worden, weil man bei ihm neuestes und wegen der Küstenverteidigung streng geheimes Kartenmaterial entdeckt hatte. Die Regierung war ihm bis zu dem Zwischenfall durchaus zugetan, hatte ihn als erstem Ausländer sogar erlaubt, außerhalb des holländischen Stützpunktes in Nagasaki eine eigene Schule einzurichten und dort die Ausbildung japanischer Mediziner und Naturwissenschaftler vorzunehmen. Erst seine Missachtung der Gesetze des Landes beendete die wohlwollende Haltung der Regierung.

Wie gesagt, die Zeit der Öffnung Japans ist eine Periode vielschichtiger Entwicklungen. Jemand, der tiefer in die Hintergründe eindringen will, wird zu weiteren Büchern greifen. Dabei könnten die Augenzeugenberichte 3 eine erste Ergänzung sein. Als Momentaufnahme der Japan-Rezeption in Deutschland ist das gut ausgestattete Büchlein Zobels auf jeden Fall empfehlenswert.

Anmerkungen:
1 Wattenberg, Ulrich, Germany, in: Nish, Ian (Hg.), The Iwakura Mission in America and Europe. A New Assessment, Meiji Japan Series 6, Richmond 1998, S.109-122.
2 Keene, Donald, The Japanese Discovery of Europe, 1720-1830, Stanford/California 1969.
3 Schwebell, Gertrude C. (Hg.), Die Geburt des modernen Japans in Augenzeugenberichten, München 1981.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension