S. Nevin: Military Leaders and Sacred Space in Classical Greek Warfare

Cover
Titel
Military Leaders and Sacred Space in Classical Greek Warfare. Temples, sanctuaries and conflict in antiquity


Autor(en)
Nevin, Sonya
Erschienen
London 2016: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
IX, 307 S.
Preis
£ 64.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lennart Gilhaus, Abt. Alte Geschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Geschichtswissenschaft

Sonya Nevin betrachtet in ihrer Studie zwei in der griechischen Antike eng miteinander verbundene Felder: Krieg und Religion. Insbesondere setzt sie sich mit dem Umgang von Feldherren mit Heiligtümern auseinander.

Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt. Zunächst behandelt Nevin die Vorstellungen der Griechen von heiligen Räumen und analysiert, wie man sich in ihnen verhalten soll, insbesondere als Feldherr oder Soldat (S. 5–18). Vor diesem Hintergrund betrachtet sie im umfangreichen zweiten Teil (S. 19–132) die verschiedenen Kontexte, in denen Heiligtümer in kriegerischen Auseinandersetzungen von Feldherren genutzt wurden. Thematisiert werden nacheinander die Nutzung von Heiligtümern als Festungen zur Verteidigungen vor Feinden, die Bedeutung von heiligen Gegenständen, den Zusammenhang zwischen Schlachten und Heiligtümern sowie das Tempelasyl. Im dritten Teil (S. 133–196) werden die einzelnen Beobachtungen zusammengeführt und die Beziehungen und Widersprüche zwischen religiösen und militärischen Ansprüchen ausgelotet. Zuletzt werden noch die Kämpfe um die Kontrolle der panhellenischen Heiligtümer behandelt. Abgeschlossen wird der Band von einem umfangreichen Literaturverzeichnis und einem Sachindex. Wünschenswert wäre sicher noch ein Quellenindex gewesen, zumal Nevin sich vor allem auf einzelne Episoden und deren Darstellungen bei den jeweiligen antiken Autoren konzentriert.

Insgesamt kann Nevin herausstellen, dass generell gefordert wurde, Heiligtümer aus militärischen Konflikten herauszuhalten und ihren heiligen Status zu bewahren. Gleichzeitig konnte es als legitim gelten, wenn die Besitzer der Heiligtümer sie zu militärischen Zwecken nutzten, wohingegen Fremden dies nicht zustand. Besitzansprüche waren eng mit der Diskussion um die Legitimität von Handlungen verbunden. Ob militärische Aktionen in Heiligtümern als Frevel oder gerechtfertigte Handlung galten, war also vor allem eine Frage der Perspektive. Gerade das Verhalten in Heiligtümern hatte großen Einfluss darauf, wie Feldherren, Staaten und Kriege in den Quellen bewertet wurden. Weil Heiligtümern und religiösen Gegenständen so große symbolische Bedeutung zugemessen wurde, war die Kontrolle über sie ein wichtiger Faktor, teilweise auch Auslöser und Ziel der Kriege in archaischer und klassischer Zeit.

Nevins Studie zeichnet sich durch eingehende Quellenanalysen aus und beleuchtetet dabei auch die jeweiligen Standpunkte der Autoren. An einzelnen Stellen bezieht sie auch archäologisches und epigraphisches Materialien mit ein, die das Bild der literarischen Quellen nuancieren. Ihre Ergebnisse basieren in erster Linie auf ausgearbeiteten Fallstudien zu einzelnen Episoden, was aufgrund der Quellenlage auch kaum anders möglich erscheint. Nichtsdestoweniger versäumt es die Autorin manchmal, ihre Einzelinterpretationen in einen weiteren Kontext einzuordnen. Die Analysen bleiben daher teilweise Stückwerk, was zweifelsohne auch daran liegt, dass sich Nevin zwar auf die neuste anglophone Forschungsliteratur stützt, sich im Literaturverzeichnis aber kein einziger anderssprachiger Titel findet. Dies ist umso bedauerlicher, zumal in den letzten Jahren mehrere kleinere und größere Arbeiten zur Verbindung von Krieg und Religion entstanden sind.1

Nevin gelingt es aufgrund ihrer Herangehensweise, die tendenziösen Narrative der verschiedenen Autoren zu dekonstruieren und die dahinterliegenden Motive der Akteure und Historiker in den konkreten Fällen zu ergründen; warum man aber sehr leichtfertig mit der Sakralität von Heiligtümern umging, erklärt sie kaum. Auch finden sich bei ihr kaum Bemerkungen zur historischen Entwicklung des Umgangs der Griechen mit ihren Heiligtümern. Die Quellennähe und die nuancierten Einzelbeobachtungen zeichnen Nevins Studie jedoch aus. Die Autorin hat eine wertvolle Studie vorgelegt, die zu weiteren Forschungen einlädt.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa Kai Trampedach, Politische Mantik. Die Kommunikation über Götterzeichen und Orakel im klassischen Griechenland, Heidelberg 2015; ders., Hierosylia. Gewalt in Heiligtümern, in: Günter Fischer / Sabine Moraw (Hrsg.), Die andere Seite der griechischen Klassik. Gewalt im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart 2005, S. 143–165; Anne Jacquemin, Guerre et violence dans le monde grec (490–322 av. J.-C.), Liège 2000.

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