M. Giebel (Hrsg.): Julian Apostata. Das Kaiserbankett / Der Barthasser

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Titel
Julian Apostata. Das Kaiserbankett / Der Barthasser.


Herausgeber
Giebel, Marion
Erschienen
Wiesbaden 2016: Marix Verlag
Anzahl Seiten
127 S.
Preis
€ 15,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, München

Die hier zu besprechende Ausgabe bietet eine deutsche Übersetzung der beiden Satiren des Kaisers Julian von Marion Giebel: Bei den Caesares handelt es sich um eine Gesamtschau der kaiserlichen Vorgänger bei einem Götterbankett, die in einen Wettstreit zwischen Alexander dem Großen, Caesar, Augustus, Trajan, Marcus Aurelius und Konstantin mündet; der vorletzte ist klarer Sieger, letztgenannter wird dem allgemeinen Spott preisgegeben. Der von Giebel bereits für den Reclam-Verlag übersetzte Misopogon („Der Barthasser“)1 ist eine bissige Antwort auf das Verhalten der Antiochener während Julians Aufenthalt in der syrischen Metropole im Jahr 363, worin der bärtige Philosophenkaiser ironisch seine Prinzipien als Fehler dem zügellosen Lebensstil der Bürger Antiochias entgegenstellt.

In ihrer stark von julianfreundlichen Quellen und Forschungsbeiträgen beeinflussten Einleitung (S. 7–24) bietet Giebel einen Überblick zu Leben und Schrifttum Julians.2 Die beiden Satiren Julians kann man aber kaum als „Propaganda“ bezeichnen (S. 21); passender wäre wohl eher die Charakterisierung als kaiserliche „Selbstdarstellung“. Der gut lesbaren und trotz einzelner Einwände3 korrekten deutschen Übersetzung (S. 25–68: Caesares; S. 69–118: Misopogon), die ohne Originaltext geboten wird, ist kein Kommentar beigegeben, sondern lediglich Anmerkungen, die vor allem knappe Sacherklärungen zu Personen und Ereignissen, Quellenbelege und Querverweise enthalten. Sie bieten dem Leser aber dennoch einen verlässlichen Einstieg in das Verständnis des Texte; wenige Punkte sind hier zu korrigieren4 oder zu präzisieren.5 Angesichts der häufigen Verweise auf Bildquellen (S. 28, Anm. 22; S. 38, Anm. 53; S. 55, Anm. 91; S. 65, Anm. 114; S. 83, Anm. 155) wären einige Abbildungen sinnvoll gewesen. Auf die Texte folgen eine Zeittafel (S. 119f.) und Literaturhinweise (S. 121–127). Hier wären insbesondere zum Misopogon einige aktuelle Titel zu ergänzen.6

Eine ausführliche Diskussion der Edition nach wissenschaftlichen Kriterien würde diesem Werk kaum gerecht. Altertumswissenschaftler werden die Ausgabe wohl für drei Zwecke benutzen: als Textgrundlage für Lehrveranstaltungen, für einen schnellen Überblick zu den Inhalten der beiden Schriften Julians oder für eine Lektüre der beiden Satiren in einer griffigen deutschen Übersetzung, um so neue Ideen zu Julians Gedankenwelt zu erhalten. Letzteres war auch beim Rezensenten der Fall, so dass sich Anmerkungen zu einzelnen Passagen ergaben, die vielleicht für einen zu erhoffenden Kommentar zu den beiden Satiren nützlich sein könnten: In Caes. 10–11 (313B, S. 35) folgen auf Severus Alexander direkt Valerianus und Gallienus. Da dies die einzige relevante Lücke in der Kaiserfolge ist7, muss es dafür einen besonderen (bislang nicht ermittelten) Grund geben. Dieser dürfte wie im Fall der Lücke in der Historia Augusta aber nicht in ideologischen Motiven liegen. In Caes. 15 (315D, S. 39 mit Anm. 54) werden in Giebels Übersetzung „die beiden Maximiane“ (also Herculius und Galerius) abgewiesen. Herculius kann allerdings nicht gemeint sein, da er schon in Kapitel 14 (315C) entfernt wurde, und Galerius ist in Kapitel 14 (314A–B) mit Diokletian und den übrigen Herrschern der ersten Tetrarchie berücksichtigt. Allerdings spricht der Text auch nur von „den beiden“, so dass eine Verbindung mit den Maximiani nicht zwingend ist. Die konstantinische Propagandageschichte über das angebliche Bündnis zwischen Maximinus Daia und Maxentius wäre eine Erklärung dafür, dass diese beiden gemeint sind.8 In Caes. 15 (315D–316A, S. 39 mit Anm. 56) berichtet Julian von der Abweisung des Magnentius, da „vieles, was er getan hatte, dem Anschein nach gut war“, aber „sein Handeln nicht auf eine ehrenhafte Gesinnung zurückging“. Hier scheint Julian auf das in der Münzprägung fassbare Christentum des Magnentius anzuspielen. In Caes. 27 (326D, S. 54 mit Anm. 89) werden namentlich nicht genannte Personen kritisiert, die unnötigerweise Kriege führten und daher oft während Feldzügen starben; neben dem vom Kommentar genannten Trajan dürfte das vor allem auf die (negativer charakterisierten) Kaiser Septimius Severus und Caracalla abzielen.

In Mis. 18 (349B, S. 86) und Mis. 19 (349C, S. 86) findet sich ein Selbstbild Julians, das dem der Quellen direkt entgegensteht: An der ersten Stelle verweist Julian darauf, er ließe sich nicht leicht beeinflussen, wenn jemand etwas von ihm fordere, und strebe nicht nach Beifall; an der zweiten Stelle bemerkt er, er hätte sich durch einen Besuch bei einem Barbier „in einen Jüngling verwandeln können, wenn auch nicht an Jahren“. Allerdings kritisiert Eutropius (10,16,3) Julians übertriebene Freigiebigkeit gegenüber seinen Freunden, und Ammianus (25,4,18) rügt das übertriebene Streben des Kaisers nach Beliebtheit und Beifall und bezeichnet ihn in 25,4,25 als iuvenis. In Mis. 25 (354C, S. 93f.) verweist Julian auf sieben namentlich nicht genannte Personen, die Julians Wertekanon anerkennen und teilen. Laut Giebel (S. 94, Anm. 181) sind dies Libanios, Anatolios, Salutius, Oreibasios, Priskos, Himerios und Maximos von Ephesos. Der Text besagt aber, dass die Gruppe unter Einschluss von Julian sieben Personen umfasst (ebenso Mis. 37 [365B–C], S. 109f.: neben Anatolius hat Julian noch maximal fünf fähige Leute hinter sich), weswegen Himerios wohl zu streichen ist. In Mis. 43 (370D–371A, S. 117) erwähnt Julian einen Fall, in dem er brachliegendes Land den Kurialen zur Verfügung stellte, die es unter sich verteilten, er aber davon absah, Untersuchungen über die früheren Besitzer anzustellen, die dafür keine Steuern zahlten. Giebels Erklärung, es handele sich um zwischen städtischem und kaiserlichem Fiskus strittiges Land (S. 117, Anm. 222), ist damit nicht vereinbar. Eher ist eine Verbindung mit den Scheinverkäufen von Landbesitz durch Dekurionen, die durch andere Quellen belegt sind, anzunehmen.9

Zusammengefasst lässt sich festhalten: Die hilfreiche deutsche Übersetzung und der moderate Preis der Ausgabe machen die Ausgabe zu einer nützlichen Ergänzung für jeden Handapparat zu Julian.10

Anmerkungen:
1 Julian Apostata, Der Barthasser, Stuttgart 1999.
2 Lediglich einige Details wären zu korrigieren: Gregor von Nazianz wirft Julian nicht vor, „dass es unter ihm keine Märtyrer gegeben habe“ (S. 18, Anm. 7), sondern dass Julian versucht habe, die Christen zu verfolgen, ihnen aber das Martyrium missgönnt habe. Die angebliche öffentliche Aushängung des Misopogon (S. 22) geht nur auf eine fragwürdige Angabe des Malalas zurück.
3 Caes. 28 (328A, S. 56) heißt es in der Rede Trajans etwas missverständlich, er habe persönlich bei dem Feldzug gegen die Parther teilgenommen, „obwohl mir die Gesetze erlaubt hätten, den Dienst zu quittieren“; hier handelt es sich um den Militärdienst, nicht, wie die Formulierung nahelegt, um einen Rücktritt vom Kaisertum. Mis. 6 (340B, S. 73) wird umgangssprachlich mit „Schmalhans Küchenmeister“ übersetzt.
4 S. 30, Anm. 28 zu Caes. 6 (310C): Es ist keine klare Verbindung zwischen dem Inhalt der Anmerkung und dem Text feststellbar. Vindex wird nicht als Kaiser genannt, weil sein Aufstand den Sturz Neros einleitete (S. 30, Anm. 29), sondern die Nennung geht wohl auf lokale gallische Traditionen zurück. Die Epoche der Soldatenkaiser endet 284, nicht 305 (S. 34, Anm. 41). Die von Augustus in Caes. 27 (326D) erwähnten Vorgänger dürften nicht seine Nachfolger sein (S. 54, Anm. 88), sondern eher republikanische Persönlichkeiten mit (im Verhältnis) ähnlicher Machtfülle. Antinoos hat mit Trajan nichts zu tun (S. 63, Anm. 108). Sol invictus wurde von Diokletian nicht 307 (zwei Jahre nach seinem Rücktritt) zum Schutzgott erhoben (S. 68, Anm. 125). Die Stiermünzen Julians bilden keinen Apisstier ab (S. 96, Anm. 186).
5 S. 28 zu Caes. 4 (309A) wäre noch darauf zu verweisen, dass der „Charme Aphrodites“ des Augustus eine Anspielung auf die beanspruchte göttliche Abkunft der Iulier sein dürfte (siehe auch S. 66, Anm. 118). S. 35, Anm. 43 erfolgt eine Identifikation zu Caes. 27 (327A, S. 54), die an der Stelle selbst nicht angegeben wird. S. 36, Anm. 45 sollte präzisiert werden, dass die Abkunft der zweiten Flavier von Claudius II. eine Fiktion und ein politisches Manöver ist. S. 42, Anm. 63 zu Caes. 17 (317C) wäre zu ergänzen, dass neben dem Bart auch die anderen hier genannten Eigenschaften Marc Aurels von den Antiochenern an Julian verspottet wurden. Für die Mis. 28 (357C, S. 98) erwähnten Ereignisse in Emesa existieren Parallelbelege (dazu zuletzt Hans Carel Teitler, The last pagan emperor, New York 2017, S. 79 mit S. 177, Anm. 4). Mis. 29 (358D, S. 100) handelt es sich bei dem Mann aus Chaironeia um Plutarch. Das S. 108, Anm. 206 zu Mis. 37 (364C) genannte Gesetz des Valens ist Codex Theodosianus 9,34,7.
6 Lieve Van Hoof / Peter Van Nuffelen, Monarchy and mass communication. Antioch A.D. 362/3 revisited, in: Journal of Roman Studies 101 (2011), S. 166–184; Paul Ernst, L’arrivée de Caton le Jeune à Antioche dans les récits de Plutarque et de Julien, in: Revue des études grecques 125 (2012), S. 443–472 (zu 29, 358A–359A, S. 99f.); Lieve Van Hoof / Peter Van Nuffelen, ‚No stories for old men‘. Damophilos of Bithynia and Plutarch in Julian’s Misopogon, in: Alberto J. Quiroga Puertas (Hrsg.), The purpose of rhetoric in late antiquity, Tübingen 2013, S. 209–222 (zur selben Stelle). Demandts Handbuch zur Spätantike ist nicht nach der ersten (S. 124), sondern nach der überarbeiteten zweiten Auflage zu zitieren. Für Libanios hätte noch auf die deutsche Übersetzung der „Kaiserreden“ (Georgios Fatouros / Tilman Krischer / Werner Portmann, Stuttgart 2002) verwiesen werden können.
7 Es fehlen ebenfalls Didius Iulianus, Quintillus, Tacitus und Florianus, deren kurze Regierungszeit allerdings ihre Auslassung erklären würde.
8 Kay Ehling, Zu dem angeblichen Bündnis zwischen Maximinus Daia und Maxentius, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 63 (2013), S. 173–185. Julian übernimmt auch andere Elemente konstantinischer Propagandistik wie etwa die behauptete Abstammung von Claudius II. Dieselbe Identifikation ohne dieses Argument bei Helmut Castritius, Studien zu Maximinus Daia, Kallmünz 1969, S. 43–47.
9 Raphael Brendel, Kaiser Julians Gesetzgebungswerk und Reichsverwaltung, Hamburg 2017, S. 289.
10 Es finden sich nur wenige Druckfehler: S. 26, Anm. 19 „S. 4“ (richtig „S. 13“); S. 37 (Caes. 12, 314D) „ähnlich“ („ähnlich –“); S. 45, Anm. 67 „n. Chr.“ („v. Chr.“); S. 53, Anm. 86 „Atheondoros“ („Athenodoros“); S. 55, Anm. 91 „Anm. 23“ („Anm. 25“); S. 66, Anm. 117 „S. 2 f.“ („S. 10“); S. 96 (Mis. 27, 355D) „glücklicher daran“ („glücklicher dran“); S. 124 (Downey 1939) „Apostat“ („Apostate“).

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