O. Kuhr: Die Macht des Bannes und der Buße

Titel
Die Macht des Bannes und der Buße. Kirchenzucht und Erneuerung der Kirche bei Johannes Oekolampad (1482 - 1531)


Autor(en)
Kuhr, Olaf
Reihe
Basler und Berner Studien zur historischen und systematischen Theologie, 68
Erschienen
Anzahl Seiten
316 S.
Preis
€ 53,20
Margarete Wittke

Die 1996 von der Theologischen Fakultät der Universität Basel angenommene Dissertation untersucht das Schrifttum des Basler Reformators Johannes Oekolampad. Im Mittelpunkt steht dabei dessen Bemühen um Etablierung eines ausschließlich in kirchlicher Verantwortung stehenden Kirchenbannes, der zum einen der Reinhaltung der Gemeinde dienen, zum anderen dieselbe aber auch gegenüber der weltlichen Obrigkeit stärken sollte.

Im ersten Teil der Arbeit konzentriert sich der Autor auf die Entwicklung der Einstellungen Oekolampads zur Kirchenzucht auf seinen Stationen als Pönitentiar in Basel, als Domprediger in Augsburg, als Mönch in Altomünster, als Pfarrer der Basler St. Martinskirche und als Professor an der dortigen Universität. Der zweite Teil handelt von Oekolampads Bestreben, seine Vorstellungen als erster Antistes nach dem Sieg der Reformation in Basel in die Praxis umzusetzen. Kuhr zeigt auf, daß der Kirchenbann als rein kirchliches Strafinstrument nicht verwirklicht werden konnte, obwohl er im Sinne Oekolampads in die Reformationsordnung von 1529 aufgenommen worden war. Versuche der Prädikanten, Bestrafungen durchzuführen, stießen auf den Widerstand in den Gemeinden, da man dort eine erneute "Pfaffenherrschaft" (S. 183) fürchtete.

Vor diesem Hintergrund stellt Oekolampads ausführlich dargestellte Rede an den Basler Rat aus dem Frühjahr 1530 über die wiedereinzuführende Exkommunkation einen wichtigen Wendepunkt dar. Sie verdeutlicht, daß der Reformator erstmals gezwungen war, konkrete Erfordernisse der Praxis mitzubedenken und zeugt von Oekolampads Erkenntnis darüber, daß die Bestrafung von Gemeindemitgliedern nicht ohne obrigkeitliche Unterstützung durchzusetzen war. Er schlug daher vor, ein zwölfköpfiges Gremium - vier Pfarrer, vier Gemeindeälteste und vier Ratsmitglieder - zur Ausführung des Kirchenbannes einzusetzen. Mit einem Vergleich der oekolampadischen Reden und Schriften mit den Basler Ratsmandaten zum Kirchenbann vom Dezember 1530 und einem Blick auf die Buß- und Bannpraxis in Basel über den Tod Oekolampads hinaus wird deutlich, daß der Magistrat auch Oekolampads modifizierte Vorstellungen nur ansatzweise aufgriff. Ein zentrales Basler Kirchenbanngremium in seinem Sinne wurde nicht geschaffen und auch Oekolampads Anspruch, nach dem der Kirchenbann keine weltliche Bestrafung zur Folge haben sollte, wurde nicht erfüllt. Im Gegenteil, mit dem Kirchenbann wurde generell die Stadtverweisung verbunden.

Schließlich, auch dies stand im Widerspruch zu Oekolampads Vorstellungen, disziplinierte der Kirchenbann nicht die sündigen Gemeindemitglieder, sondern bestrafte ausschließlich Alt- und Andersgläubige, die sich weigerten, am evangelischen Abendmahl teilzunehmen. Trotz seiner Mißerfolge bei der Umsetzung seiner Ideen in die Praxis stellt Kuhr heraus, daß Oekolampads Einfluß auf die weitere reformatorische Entwicklung nicht unterschätzt werden sollte: In dessen Vorschlag, ein aus Laien, Pfarrern und Rat bestehendes Kirchenbanngremium einzurichten, sieht er im "Ansatz die Einrichtung des reformierten Presbyteriums" vorweggedacht (S. 191).

Die Dissertation Olaf Kuhrs liefert einen breiten Einblick in das Lehrgebäude Oekolampads und zeichnet dessen Anpassung an politische und gemeindliche Notwendigkeiten in der Frühphase der Reformation gut nach. Was der Arbeit fehlt, ist jedoch eine gründlichere Auseinandersetzung mit der neueren historischen Konfessionsforschung. Das Thema "Kirchenzucht und Kirchenbann" hätte vor dem Hintergrund der Basler Verhältnisse durchaus eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten an die aktuelle Diskussion um die Begriffe der "Konfessionalisierung" und der "Sozialdisziplinierung" von oben geboten. Immerhin deutet sich in Kuhrs Arbeit an, daß in Basel der Wunsch nach der Exkommunikation von Kirchengebotsbrechern nicht aus den Gemeinden selbst, sondern von der Kirchen- und Stadtführung kam.

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