B. Chrubasik: Kings and Usurpers in the Seleukid Empire

Cover
Titel
Kings and Usurpers in the Seleukid Empire. The Men who would be King


Autor(en)
Chrubasik, Boris
Reihe
Oxford Classical Monographs
Erschienen
Anzahl Seiten
XXIV, 308 S.
Preis
£ 80,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Brüggemann, Seminar für Klassische Altertumswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

In der erweiterten Fassung seiner Oxforder Dissertation widmet sich Boris Chrubasik dem Wesen des Königtums und den Spielarten der Machtausübung im Seleukidenreich, dem größten und heterogensten der Diadochenreiche. Ausgehend von der Frage, welche Optionen der Thronfolge im Seleukidenreich existierten, untersucht er speziell Rolle und Funktion von Usurpatoren, also derjenigen, die außerhalb der traditionellen dynastischen Gewohnheiten der Seleukiden Könige werden wollten, und derjenigen, die sich Macht in Teilen des Seleukidenreiches aneigneten. Chrubasik vertritt die Auffassung, dass Herausforderer eines seleukidischen Königs mutmaßlich erst nach ihrem Scheitern retrospektiv in der Überlieferung zu Usurpatoren gestempelt wurden, von Zeitgenossen aber, nicht zuletzt vom herausgeforderten König selbst, als Konkurrenten auf Augenhöhe wahrgenommen wurden. Ihn interessieren zudem Fragen nach dem Umgang der Dynastie mit eigenen unkonventionellen Abweichlern und danach, wie parallele partikulare Machthaber im Seleukidenreich politisch und machtstrategisch zu fassen sind. Eine interessante Frage hätte in dieser Hinsicht sein können, ob es Regeln gab, von denen bei der seleukidischen Thronfolge abgewichen werden konnte, ob also alles, was sich jenseits einer linearen Erbfolge vom Vater auf den ältesten Sohn vollzog, bereits zeitgenössisch überhaupt als deviant wahrgenommen worden wäre. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über das 3. und 2. Jahrhundert v.Chr., über jenen Zeitraum, in dem das Seleukidenreich selbständig innen- und außenpolitisch agieren konnte.

Der Band umfasst fünf Kapitel, nach einer Einleitung (S. 1–21) befassen sich die ersten vier davon (Kapitel 1: „Central and Local Power in the Seleukid Empire“, S. 22–64) mit den vielschichtigen Spielarten sozialer Machtbeziehungen in den zum Teil geographisch (Kapitel 2: „Usurpers in Asia Minor: The Third Century“, S. 65–122) und chronologisch (Kapitel 3: „Usurpers in the Levant and Beyond: The Second Century“, S. 123–200) sehr disparaten Verhältnissen im Seleukidenreich (Kapitel 4: „Usurpers in the Seleucid Empire“, S. 201–225). Im fünften Kapitel („Kings in the Seleukid Empire: A Story of Usurpation, Monarchy, and Power“, S. 226–243) schließlich bündelt Chrubasik seine Erträge, indem er eine Synthese zum Wesen der seleukidischen Monarchie und ihrer Thronfolge vorlegt, die man gerade für die östlichen Reichsteile nicht in letzter Konsequenz teilen muss, die aber in sich schlüssig argumentiert ist sowie methodisch und hinsichtlich der Quellenbehandlung von großer Expertise zeugt. An Kapitel fünf schließen sich dann vier Appendices als Fallbeispiele konkreter Usurpationen an: Appendix A: „The Meydancikkale Hoard and the Recovery of Rough Kilikia under Seleukos II“ (S. 247–249), Appendix B: „Antiochus Hierax and the City of Magnesia“ (S. 250–252), Appendix C: „Alexanders Balas and the Eagle Coinage“ (S. 253f.) und Appendix D: „Usurpers and the Senate of Rome“ (S. 255–260). Diese Appendices zeigen bereits, dass es keine Muster oder Gesetzmäßigkeiten gab, nach denen Usurpationen im Seleukidenreich abliefen oder verhandelt wurden. Vielmehr dokumentieren diese Beispiele, dass Usurpationen die Ausnahme der Regel und immer unterschiedlichen Auslösern und Settings geschuldet, individuell und eben nicht strukturell begründet waren. Neben einer Bibliographie, die nicht zuletzt die breite Quellenbasis (Index of Primary Sources, S. 300–308) von Chrubasiks Untersuchung dokumentiert (Bibliography, S. 261–293), findet sich am Schluss ein allerdings etwas zu summarisch geratener, weil hauptsächlich Eigen- und Ortsnamen umfassender Index (S. 295–299).

Chrubasik zeichnet ein Bild des Seleukidenreiches, in dem Könige, Usurpatoren und andere Gruppen innerhalb des Reiches in ständiger Konkurrenz um eine überlegene Position im Staat waren und versuchten, Städte, Armeen und andere Gruppen zu überzeugen, dass sie die erfolgreichsten, überzeugendsten Machthaber und daher für den seleukidischen Thron die einzige Option waren. Daraus ergibt sich allerdings als naheliegende Frage, ob tatsächlich davon ausgegangen werden sollte, dass alle selbsternannten oder postulierten Thronprätendenten prinzipiell danach strebten, Könige des Gesamtreiches zu werden. Hatten diese Herren tatsächlich unisono immer überregionale Interessen oder waren sie, nicht zuletzt auf Grund ihrer individuell doch oft recht verschiedenartigen Lebensumstände, mit einer Stellung als lokale Vasallenkönige bzw. semiautonome Satrapen unter den Seleukiden zufrieden?1

Chrubasik legt mit diesem Band eine politische Geschichte des Seleukidenreiches vor, die das Konzept ‚sozialer Macht‘2 zum analytischen Fundament formt und zugleich die Position des Königs, den er für nur einen von mehreren Akteuren hält, innerhalb eines Netzwerks sozialer Beziehungen neu definiert. Damit entwickelt Chrubasik die von seinem akademischen Lehrer John Ma vorgelegte paradigmatische Studie zum sozialen Netzwerk Antiochos’ III. beim Umgang mit den Griechenpoleis Kleinasiens konsequent und kenntnisreich chronologisch und geographisch weiter.3 Er stellt zudem bewusst sowohl die opinio communis zu einem der wenigen unstrittigen Aspekte über das Seleukidenreich – der dynastischen Sukzession – als auch die eigentlich in den letzten Jahren akzeptierte Annahme infrage, dass das Seleukidenreich nicht zuletzt wegen seiner vielen individuell befähigten Könige nach vormodernen Maßstäben weit weniger instabil war als lange behauptet und auch nicht pauschal als strukturell schwach charakterisiert werden sollte.4

Usurpationen blieben die Ausnahme von der Thronfolgeregel. Wenn der rechtmäßige König mitunter doch herausgefordert oder verdrängt wurde, dann jeweils unter sehr verschiedenartigen Umständen und mit jeweils spezifischen Voraussetzungen. Außerdem sollte konzediert werden, dass jeder seleukidische König über einen universellen Machtanspruch und ein entsprechendes Selbstverständnis als Alleinherrscher auf seinem Hoheitsgebiet verfügte und seine Stellung daher eben nicht per se als prekär oder verhandelbar empfunden haben dürfte. Die Diskrepanz zwischen seinen persönlichen Machtansprüchen und der tatsächlichen Machtumsetzung bzw. praktischer Macht war ein Wesensmerkmal der Vormoderne und ist daher allein noch kein Hinweis auf individuelle oder strukturelle Schwäche.

Spätestens zur Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. war das Seleukidenreich, begünstigt durch innerdynastische Streitigkeiten nach dem Tod Antiochos’ II. (246 v.Chr.), in den östlichen Satrapien Parthien und Baktrien von Sezessionsbewegungen betroffen, die auf der Satrapieebene dadurch zusätzliche Sprengkraft entfalteten, dass Antiochos zu Lebzeiten keine eindeutige Nachfolgeregelung getroffen hatte. Allerdings vollzog sich der Thronwechsel auch ohne eine explizite lineare Nachfolgeregelung auf die dynastisch vorgeprägte Art und Weise gleichsam automatisiert – der älteste Sohn, Seleukos II., wurde neuer König. Erst die unmittelbar auf Seleukos’ II. Thronbesteigung folgende Auseinandersetzung mit den ptolemaiischen Verwandten (3. Syrischer Krieg) eröffnete den Satrapen Andragoras in Parthien und Diodotos in Baktrien Spielräume für eigene Machtambitionen. Somit nutzten beide also erst die Gunst der Stunde, ohne Seleukos II. freilich bei der Thronbesteigung selbst herausgefordert zu haben, die dynastische Sukzession infragezustellen oder überhaupt Anspruch auf Seleukos’ Position zu erheben. Auch Seleukos’ jüngerer Bruder und, der Tradition entsprechend, Mitregent in Kleinasien, Antiochos Hierax, verweigerte diesem erst dann die Gefolgschaft, als er nach der Niederlage gegen Ägypten geschwächt war; er hatte sich ebenfalls regelkonform verhalten.

Als Seleukos III. (223 v.Chr.) zu seinem Feldzug nach Kleinasien aufbrach, um gegen Attalos I. verlorengegangene Gebiete zurückzuerobern, war er bereits drei (!) Jahre unangefochten König, ebenfalls durch eine reibungslose Thronfolge. Dieser Zeitraum ist definitiv zu lang, um noch als prekäre Übergangsphase betrachtet werden zu können, in der ein neuer Seleukidenkönig bei offener Sukzession für Herausforderer besonders angreifbar gewesen sein könnte. Sein plötzlicher, unerwarteter Tod 223 v.Chr. stellte das Seleukidenreich erneut vor die Situation, dass die Thronfolge noch nicht geregelt war. Antiochos III. als potentieller Nachfolger, obwohl zu Lebzeiten des Seleukos bereits Mitregent, war noch viel zu unerfahren, um die damit verbundenen und an sich nicht existentiellen Herausforderungen schnell unter Kontrolle zu bringen. Der Bericht des Polybios zeigt aus Inkompetenz und Eigeninteressen erwachsende Fehlleistungen im Umfeld des jungen Antiochos’, denen dieser zunächst nichts entgegenzusetzen hatte. Wie bereits die Ereignisse Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. offenbart auch diese Episode zwar durchaus Defizite der Machthandhabung. Diese sind aber bei näherer Betrachtung erkennbar den handelnden Personen und sehr spezifischen Umständen anzulasten, erlauben also weder Aussagen über eine prinzipielle strukturelle Instabilität der seleukidischen Herrschaftsordnung, noch lassen sich Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Hasardeure von den Entscheidungsträgern im Umfeld eines (noch) schwachen Königs auch nur kurzfristig als strategische Reserve wenigstens in Erwägung gezogen worden sein könnten.

Die Gründe für die Einsetzung von Satrapen, von quasi-autonomen Avataren des Herrschers5, die Größe des Reiches, die damit verbundenen Entfernungen des königlichen Hoheitsgebietes und die wiederum daraus resultierende – physische – Abwesenheit des Königs waren in achaimenidischer und seleukidischer Zeit gleichermaßen immer Usurpationen begünstigende Faktoren. Die unbedingte Loyalität und Unterordnung der Satrapen war für das Funktionieren des Systems unerlässlich, weswegen Achaimeniden und nach ihnen die Seleukiden oft Angehörige der Dynastie als Satrapen oder Mitregenten benannten. Waren Satrapen auch de facto ‚Nebenkönige‘, zeigt die Berufung von nahen Verwandten bzw. Vertrauten des Königs doch zweifelsfrei, dass sie es de iure eben nicht sein sollten. Dass Chrubasik sich in diesem Zusammenhang kaum näher mit dem Amt des Satrapen und seiner Rolle innerhalb des Machtgefüges und der politischen Geschichte des Seleukidenreiches, insondere auch hinsichtlich damit einhergehender sozialer Machtbeziehungen, befasst, ist bedauerlich. Dadurch schöpft er das Potential seines Ansatzes nicht voll aus, da besonders hinsichtlich des zivilisatorischen, kulturellen und demographischen Charakters der Oberen Satrapien individuellen sozialen Machtbeziehungen besondere Bedeutung zukam.6

An den Reaktionen, die seleukidische Könige über die Zeit gegenüber Nebenbuhlern zeigten – und die Chrubasik in Kapitel 4.2 („Royal Reaction: Punishment, Pardon, and Adaptation“, S. 214–225) beschreibt – wird deutlich, dass es keine Usurpatoren-Regel im Seleukidenreich gab, sondern immer ausgehend vom konkreten Einzelfall jeweils sehr spezifisch reagiert wurde: Die ganze Bandbreite königlicher Optionen ist vertreten, ein Muster oder eine Norm ist nicht erkennbar. Der Machanspruch antiker Herrscher war ebenso umfassend wie der moderner; ihnen staatsrechtlich weitgehend gleichrangige Herrscher auf dem eigenen Hoheitsgebiet dürften auch sie daher immer nur dann anerkannt – oder besser: geduldet – haben, wenn sie machtpolitisch keine andere Wahl hatten. Dies begann sich ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. allmählich zu ändern, als die außenpolitische Schwäche auf die innenpolitischen Verhältnisse abfärbte. Wann aber wurde aus einem Usurpator ein seleukidischer König? Sollte er schon dann als König angesprochen werden, wenn er lediglich einen Teil des Reichsterritoriums beanspruchte? Wenn er die Hegemonie eines weiteren seleukidischen Königs – und sei es nur formal – anerkannte, gab es dann zwei seleukidische Könige oder war einer der beiden dann nicht doch eher nur ein Usurpator? Galt man in der zeitgenössischen, auch seleukidischen Wahrnehmung vielleicht dann als ein ebenbürtiger Nebenkönig, wenn man eine eigene Dynastie gründen wollte?

Wer ‚machte‘ schließlich einen seleukidischen König – Städte, Tempel, Satrapen, Stämme, Truppenteile, der agonale Wettstreit mehrerer Konkurrenten, die philoi oder die herrschende Gesellschaft? Eines dieser Elemente allein war wohl kaum einflussreich genug. Außerdem sollte nicht unterschätzt werden, dass die Objekte königlicher Machtansprüche und damit potentielle Königsmacher in Kleinasien gänzliche andere waren als in der Persis oder in Baktrien. Wenn aber die gesamte Bandbreite dieser über das Hoheitsgebiet verteilter Elemente mindestens repräsentativ beteiligt sein mussten, dann musste es auch einen etwas umfassenderen Konsensprozess über die Voraussetzungen eines Königs und die Bedingungen für die Gewährung seiner Würde geben. Welche Rolle für die Sukzession spielte dann die seleukidische Dynastie, welche Rolle überhaupt verwandtschaftliche Verhältnisse und welche sodann die progonoi? Es fällt auf, dass tatsächlich nur in Ausnahmefällen Akteure von außerhalb der Dynastie auf den Gesamtthron gelangten und dann oft auch nur, wenn auswärtige Mächte im 2. Jahrhundert v.Chr. hineinregierten. Solange die Seleukiden ihre Angelegenheiten selbst regeln konnten, passierte das selten: Also ‚machte‘ letzten Endes die Dynastie die Könige des Gesamtreiches. Es sollte also bei Usurpationen im Seleukidenreich prinzipiell zwischen Machtansprüchen und Herrschaft über das Gesamtreich und bloßer Sezession unterschieden werden.

Dass Antiochos III. nach den aus seiner Perspektive erfolgreichen politischen und militärischen Manifestationen seines Machtanspruchs in seinem Hoheitsgebiet – sicher nicht nur zur dynastischen Selbstvergewisserung oder aus rein nostalgischen Gründen – die Berufung auf die ruhmreichen progonoi institutionalisierte, ist ein eindrucksvoller Fingerzeig auf die Rolle und Funktion der seleukidischen Dynastie: Die Einführung eines reichsweiten verbindlichen Dynastiekultes verfügte Antiochos ganz bewusst, um mit dem universell und global anerkannten Markenkern seleukidischer Herrschaft durch flächendeckende Repräsentativhandlungen seinem Machtanspruch Stabilität und Sichtbarkeit zu verleihen sowie ihn reichsweit im Alltag zu verankern.7 Dabei ist es nicht entscheidend, ob es ein seleukidisches Königreich oder nur seleukidische Könige gab. Entscheidend ist, dass es eine seleukidische Dynastie gab, die über einen Zeitraum von nahezu 200 Jahren einen prinzipiellen und auch von ‚Wettbewerbern‘ nicht infragegestellten Machtanspruch über ein von ihr definiertes Hoheitsgebiet verkörperte.

Der Rezensent vertritt die Auffassung, dass die dynastische Sukzession die eigentliche Gewähr für die unter den schwierigen Rahmenbedingungen verhältnismäßige Langlebigkeit des in so vieler Hinsicht heterogenen Seleukidenreiches gewesen ist, das einzige Element des Herrschaftssystems, das Kontinuität und Stabilität ausstrahlte und sich so selbst zur Klammer des Reiches erhob. Das Ende oder die strukturelle Infragestellung des Rechts der Dynastie, zu herrschen und den König zu stellen, hätte unmittelbar den Zerfall des Seleukidenreiches bedeutet. Wenn man allerdings die moderne, lineare Erbmonarchie im Sinn hat, wird man antiken Realitäten nicht gerecht und nimmt von antiken Zeitgenossen vermutlich nicht als ungewöhnlich wahrgenommene innerdynastische Turbulenzen beim Thronwechsel als irregulär wahr.

Eine nach dem Tod eines Königs kurze Phase einer prekären Thronfolge war in der Antike generell kaum ungewöhnlich. Daraus aber abzuleiten, wie Chrubasik dies tut, dass die seleukidischen Könige des 3. und 2. Jahrhunderts v.Chr. die Machtteilhabe von Usurpatoren prinzipiell als strategische ultima ratio mitgedacht hätten, geht sicher zu weit. Vielmehr war es auch im Seleukidenreich die Regel, dass der älteste Sohn seinem Vater nachfolgte und dieser einen nahen Verwandten, oft einen jüngeren Bruder, zum Mitregenten über einen ausgewählten Reichsteil erhob. Ohne Frage handelte es sich dabei um traditionelles Gewohnheitsrecht, über dessen Einhaltung innerhalb der Dynastie und der herrschenden Gesellschaft Konsens bestand, staatsrechtlich verankert war dies freilich nicht.

Chrubasiks Schwerpunkt liegt eindeutig in Kleinasien im 3. Jahrhundert v.Chr., zu Syrien, zu Mesopotamien und zum Fernen Osten, ebenfalls Kernbestandteile des Reiches, findet sich dagegen nur ein gemeinsames Kapitel, das überdies nur das 2. Jahrhundert v.Chr. systematisch behandelt (Kapitel 3). Das Aufkommen des Graeco-Baktrischen Reiches ebenso wie das des Arsakidenreiches und die damit zusammenhängende Desintegration der Oberen Satrapien im 3. Jahrhundert v.Chr., für die Usurpationsforschung mutmaßlich aufschlussreiche Ereignisse, verhandelt Chrubasik lediglich überblickartig im ersten Kapitel.

Dieses Buch ist einerseits eine ebenso geist- wie kenntnisreiche politische Geschichte des Seleukidenreiches. Jenseits historischer Narrative ist es aber auch eine Geschichte sozialer Machtbeziehungen. Chrubasik definiert die Rolle des seleukidischen Königs selbst und bietet zudem neue Ansätze für die Interpretation der Beziehungen zwischen dem König und den Eliten. Seine Offenheit für aktuelle sozialwissenschaftliche Konzepte von Machtbeziehungen jenseits ausgetretener Pfade ermöglicht ihm dabei wesentliche Erkenntnisfortschritte auf dem Gebiet der Herrschaftsauffassungen und Machtpraktiken seleukidischer Könige, die die Forschung dem Verständnis der Beherrschung des disparaten Vielvölkerreiches ein großes Stück näherbringen. Hier argumentiert Chrubasik überzeugend, sein Zugriff auf die Grundlagen seleukidischer Macht ist bestechend. Zukünftigen Studien ist damit der Weg gewiesen, die königliche Herrschaft insonderheit im Osten des Reiches ergebnisoffen auf eine neue Basis zu stellen. Chrubasiks innovativer Zugriff auf den Gegenstand muss dabei als überfällige Bereicherung der Debatte bezeichnet werden.

Anmerkungen:
1 Helmut G. Koenigsberger, Zusammengesetzte Staaten, Repräsentativversammlungen und der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, in: Zeitschrift für historische Forschung 18, 1991, S. 399–423; John H. Elliot, A Europe of Composite Monarchies, in: Past & Present 137, 1992, S. 48–71.
2 Michael Mann, The Sources of Social Power, 4 Bde., Cambridge 1986–2012.
3 John Ma, Antiochos III and the Cities of Wetsern Asia Minor, Oxford 1999.
4 Laurant Capdetrey, Le pouvoir séleucide, Rennes 2007; Paul J. Kosmin, The Land of the Elephant Kings, Cambridge 2014; Sonja Plischke, Die Seleukiden und Iran, Wiesbaden 2014.
5 Bruno Jacobs, Die Satrapienverwaltung im Perserreich zur Zeit Dareios’ III., Wiesbaden 1995; Hilmar Klinkott, Der Der Satrap, Berlin 2005.
6 Pierre Briant, État et pasteurs au Moyen-Orient ancient, Paris 1982; François Widemann, Les successeurs d’Alexandre en Asie centrale et leur héritage culturel, Paris 2009; Rachel Mairs, The Hellenistic Far East, Oakland 2014.
7 Peter van Nuffelen, The Royal Cult of the Seleucid Empire: A Re-Interpretation, in: Historia 53, 2004, S. 278–302; Jörg Feuchter, Zur Oratorik der französischen Generalstände im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (1302–1561), in: Jörg Feuchter / Johannes Helmrath (Hrsg.), Politische Redekultur in der Vormoderne, Frankfurt am Main 2008, S. 189–218.

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