M. Claas: Der Aufstieg der Falange Española

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Titel
Der Aufstieg der Falange Española. Faschistische Kultur und Gewalt im Nordwesten Spaniens 1933-1937


Autor(en)
Claas, Marco
Erschienen
Göttingen 2016: V&R unipress
Anzahl Seiten
361 S.
Preis
€ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Till Kössler, Institut für Erziehungswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Anders als ihre Gesinnungsgenossen in Italien und Deutschland stellten die spanischen Faschisten vor dem Militärputsch im Juli 1936 eine numerisch kleine und politisch weitgehend bedeutungslose Gruppierung dar. Erst mit Beginn des Bürgerkrieges erlebte die Falange Española in den von den aufständischen Generälen kontrollierten Gebieten einen rapiden Mitgliederzuwachs und einen raschen politischen Bedeutungsgewinn. Allerdings verlor sie bereits im Frühjahr 1937 ihre Autonomie, als sie mit anderen Rechtsgruppierungen zu einer neuen Einheitspartei zwangsvereinigt und der Führung Francos unterstellt wurde. Die Ursachen der organisatorischen Schwäche des spanischen Faschismus vor 1936 ebenso wie sein schneller Aufstieg im Jahr 1936 werden seit langem intensiv diskutiert, um Aufschlüsse über den Charakter der Franco-Diktatur zu erhalten. In diese Debatten fügt sich die vorliegende Hamburger Dissertation ein, die den Aufstieg der Falange im nordwestspanischen Galizien von Herbst 1934 bis zum Frühjahr 1937 untersucht. Sie will die in der bisherigen Forschung dominierende Perspektive auf Ideologie und Organisationsentwicklung sowie auf die Führungsgestalt des Parteigründers José Antonio Primo de Rivera aufbrechen und die Geschichte der Falange auf neue Weise „von unten und von den Rändern“ (S. 16) her schreiben. Dazu untersucht sie den Aufstieg der Falange in einer agrarisch geprägten Region am Rande der iberischen Halbinsel. Eine wesentliche Grundlage der Studie bilden die Personalakten der faschistischen Bürgerkriegsmilizen sowie Truppenberichte, die insbesondere für die ersten Kriegsmonate Auskünfte über Motive und Handlungsmuster der einfachen Mitglieder geben.

Die Arbeit behandelt die Vorkriegs- und die Kriegszeit in je unterschiedlichen Teilen. Im Rahmen einer klassischen Sozialstrukturanalyse der galizischen Parteiorganisation zeigt sie zunächst, dass vor Kriegsbeginn sehr junge Angehörige der Mittelschichten das Gros der Parteimitglieder stellten. Nach dem Putsch traten dann zunehmend auch Arbeiter der Partei bei, oft um sich vor politischer Repression zu schützen, so dass die Partei Züge einer – männlichen – Volkspartei annahm. Die Führungspositionen blieben jedoch weiterhin fest in der Hand von Aktivisten mit bürgerlichem Hintergrund.

Ein zweites Untersuchungsfeld stellen die politische Rhetorik und Symbolik der Falange dar. Die entsprechenden Kapitel argumentieren konzise, versammeln aber im Wesentlichen bekanntes Wissen. Die spanische Falange verstand sich in ihrer Gründungsphase als eine spirituelle und stark literarisch orientierte Erneuerungsbewegung, die sich mehr durch eine nationalromantische Imperiumsmystik als durch eine sozialdarwinistische und rassebiologische Programmatik auszeichnete, auch wenn rassistische und antisemitische Deutungsmuster stets präsent waren. Bedeutsam wurde die penetrante Ästhetisierung von Gewalt, die eine wichtige Grundlage auch für das Handeln der Aktivisten in Galizien bildete. Das Parteileben bestand nach der Gründung im Wesentlichen in konfrontativ-gewalttätigen Propagandaaktionen gegen die sehr viel mitgliederstärkeren linken und republikanischen Organisationen.

Die soziale Praxis der Falangisten in den ersten Monaten des Bürgerkrieges bildet das thematische Zentrum der Arbeit. Es gelingt der Arbeit trotz einer etwas sperrigen Gliederung gut, ein dichtes Bild der Transformation der Falange von einer politischen Splittergruppe zu einem einflussreichen paramilitärischen Verband zu zeichnen. Die vielfältigen Konflikte innerhalb der sehr jungen Bewegung, die nicht zuletzt das Ergebnis des rapiden Mitgliederzustroms und spektakulären Machtzuwachses darstellten, werden anschaulich dargestellt. Angesichts diffuser Kriegsziele und intensiver innerverbandlicher Kämpfe um Karrieren und Kriegsbeute nahm die Falange immer mehr den Charakter einer „Misstrauens- und Denunziationsgemeinschaft“ (S. 228) an, die alleine durch die extreme Gewalt gegen die Verteidiger der Republik zusammengehalten wurde.

Die Arbeit vertieft unser Wissen über die Falange in vielerlei Hinsicht. Doch wird der Anspruch, eine Geschichte „von unten“ zu schreiben, und damit eine neue Deutung des spanischen Faschismus in seiner Gründungsphase vorzulegen, nur teilweise eingelöst. Die Studie wirft neues Licht auf die faschistische Basis, es ergibt sich dadurch allerdings kein neues Bild der Falange. Die Grenzen des verdienstvollen Zugangs von den „Rändern“ her hat viel mit einer komplizierten Quellenlage zu tun, die es äußerst schwer macht, Lebensumstände der einfachen Falangisten, ihre Weltsicht und ihr Handeln zu erforschen. Allerdings irritiert, dass der Autor wichtige Studien zur lokalen Gewaltdynamik im frühen Bürgerkrieg kaum zur Kenntnis nimmt und die Rolle der Falangisten in der Neuordnung lokaler Herrschaft in den Städten und Dörfern wenig thematisiert. In ihrer Perspektivenverschiebung von den nationalen Machtzentren zu einer politischen Mikroebene und zum ländlichen Raum, leistet die Arbeit jedoch einen willkommenen Beitrag zu einer vergleichenden Geschichte des Faschismus im Europa der Zwischenkriegszeit.