P. Thonemann: The Hellenistic Age

Cover
Titel
The Hellenistic Age.


Autor(en)
Thonemann, Peter
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 152 S.
Preis
£ 12,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Heller, Institut für Geschichte, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Das hier zu rezensierende Büchlein von Peter Thonemann bietet in sechs Kapiteln einen gut lesbaren Überblick zur hellenistischen Zeit, das vor allem durch seine Akzentsetzung auf Kultur, Lebenswelt sowie technische und intellektuelle Entwicklungen zu gefallen weiß. Kapitel 1 („The Idea of the Hellenistic“, S. 1–17) führt in die Epoche ein. Anhand des anfangs als fiktiv erscheinenden Klearchos, der sich bei weiterer Lektüre als der Verfasser jener bekannten Inschrift aus Ai Khanoum (dazu detailliert S. 91–97) herausstellt, zeigt Thonemann die Umwälzungen und Möglichkeiten, die sich durch Alexanders Eroberung des Perserreichs ergaben (S. 1–5). Im Folgenden werden sowohl der von Droysen geprägte Begriff „Hellenismus“ wie auch die Schwierigkeiten erläutert, die sich mit ihm verbinden; „[…] we should not let the category ‚Hellenistic‘ do our thinking for us“, ruft Thonemann seine Leser auf (S. 9). Die Quellenlage sei besser als häufig von Forschern beklagt: „On almost any criterion, we know far more about Hellenistic history than we do about the Archaic or Classical world.“ (S. 9f.) Vor allem aus Papyri und Inschriften, aber auch den Münzen lassen sich viele Informationen zu Lebensumständen und Wirtschaft dieser Epoche gewinnen.

Kapitel 2 („From Alexander to Augustus“, S. 19–48) enthält einen historischen Abriss der hellenistischen Zeit. Thonemann urteilt, dass Alexander wenig Interesse an der Regierung gezeigt und das Reich nur aus der Armee und „a cadre of tough and ambitious Macedonian generals“ bestanden habe; zudem habe die Verwaltung lediglich das achämenidische System fortgeführt: „This was, thus far, a Macedonian empire in name alone.“ (S. 23) Die Situation nach Alexanders Tod sei wegen des „weak central state, an underemployed army, independent-minded generals, unlimited supplies of Persian silver, and, crucially, no capable adult successor“ (S. 24) explosiv gewesen. An passender Stelle werden zentrale Aussagen der Forschung und Quellenpassagen wiedergegeben. So stellt Thonemann Tarns Verdikt von 1938, dass das Seleukidenreich – im Gegensatz zu Rom – nur von der Person des beinahe gottgleichen Königs zusammengehalten worden sei, die Auffassung der neueren Forschung gegenüber, welche die „sensitivity and flexibility of Seleucid colonial rule“ (S. 28) betont. Mittels der Inschrift von Adulis (S. 31f.) illustriert Thonemann den Höhepunkt ptolemäischer Machtentfaltung im 3. Jahrhundert v.Chr. Das Kapitel zeigt auch Strukturen und Verknüpfung der hellenistischen Staaten untereinander auf, deren Gleichgewicht erst durch Roms Eingreifen in Griechenland und im Osten durcheinander geriet. Das Welthistorische daran erkannte Polybios, für den sich von nun an die westlichen und die östlichen Ereignisse miteinander verwoben (symploke, S. 55f.). Trotz des Aufstiegs Roms zur dominierenden Macht in den Jahren 197 bis 146 v.Chr. „Roman jurisdiction east of the Adriatic was still more or less non-existent“; von einer Eroberung lasse sich kaum sprechen, da die meisten griechischen Staaten autonom und frei von Abgaben geblieben seien (S. 44).

Danach wendet sich Thonemann in den folgenden vier Kapiteln einzelnen Aspekten der hellenistischen Zeit zu: Das dritte Kapitel „Demetrius the Besieger and the Hellenistic Kingship“ (S. 49–68) führt an diesem König beispielhaft jene Charakteristika des sich nach dem Tod Alexanders des Großen herausbildenden Königtums hellenistischer Prägung vor. Ausgehend von der durch Erfolge und Sieghaftigkeit begründeten monarchischen Stellung entwickelten sich in den folgenden Generationen auf dem dynastischen Prinzip beruhende Königreiche mit festem Territorium, wenngleich der Erfolg auf dem Schlachtfeld weiterhin ein entscheidender Faktor war. An Demetrios – am Ende ein König ohne Reich – lässt sich anschaulich die Herausbildung der gottgleichen Stellung der hellenistischen Könige zeigen; dazu zieht Thonemann auch den Hymnus der Athener auf den „Gott“ Demetrios heran (S. 58f.). Die Stadtgründungen der Könige mehrten nicht nur deren Prestige oder dienten der militärischen Absicherung, sondern führten zu kultischer Verehrung des Gründerkönigs. Auffällig ist auch die Ähnlichkeit aller Könige hinsichtlich ihres Aussehens und der Attribute auf den von ihnen geprägten Münzen. Auch die Institutionen unterschieden sich nur peripher, obwohl das Seleukidenreich – allein wegen der Vielheit der beherrschten Völker – das komplexeste aller Reiche war.

Das vierte Kapitel „Eratosthenes and the System of the World“ (S. 69–88) behandelt die Gelehrten der hellenistischen Zeit. Eine Hauptrolle spielt der alexandrinische Universalgelehrte Eratosthenes (S. 71–75 u. 81–84), der den Erdumfang berechnete, mit seiner „Geographie“ den Rahmen der bisherigen Darstellungen verließ und in seiner „Chronologie“ alle bekannten Daten der Geschichte zusammenstellte. Auch das Lehrgedicht erreichte mit Kallimachos und vor allem Aratos neue Höhen. Im Westen ragte Archimedes heraus; auch das technische Meisterwerk, der „Mechanismus von Antikythera“, zur Berechnung der Bewegung der Himmelskörper (S. 79), fehlt in dieser Zusammenschau nicht.

Den Peripherien wendet sich Thonemann im fünften Kapitel „Encounters“ (S. 89–110) zu. Ausgehend von einer Inschrift des indischen Königs Aśoka zeigt er, dass sich buddhistische Strömungen bis Makedonien unter Antigonos Gonatas und Magas von Kyrene erstreckt hätten (S. 89ff.); zudem beschäftigt er sich mit Aï Khanoum und weist dabei den Eindruck als falsch zurück, bei dieser Stadt habe es sich um „a kind of colonial ‚Little Hellas‘ on the Oxus“ gehandelt (S. 93f.). Das wahre Ausmaß des Austausches zwischen Griechen und Baktriern werde aber wegen der zerstörerischen Tätigkeit von Raubgräbern auf immer verborgen bleiben (S. 97). Ausführlich referiert Thonemann die von Poseidonios überlieferte Geschichte des schiffbrüchigen Inders, der um 120 v.Chr. im ptolemäischen Ägypten vom bisher unbekannten Phänomen des Monsun berichtete, nachdem er zuvor Griechisch erlernt hatte (S. 97–100). Etwas überraschend endet die Absteckung des geographischen Raums im Westen mit der Villa dei Papiri in Pompeji (S. 105–110). Eine Spitze gegenüber den Römern kann sich Thonemann dabei nicht verkneifen: „To a Greek of the second or first century BC, the Romans, despite all their enthusiasm for Epicurean philosophy, must have seemed quite as strange and unfamiliar as any Bactrian and Scythian nomad.“ (S. 110)

Das Schlusskapitel „Priene“ (S. 111–133) nimmt anhand der mustergültig ergrabenen Stadt („a fine enough vantage point“, S. 133) in der heutigen Westtürkei nahe der Ägäisküste das Aussehen einer typisch hellenistischen Polis in den Blick. Aus den zahlreichen Inschriften und den archäologischen Befunden geht zudem hervor, wie schwierig und gefährlich das Lavieren in den Machtkämpfen zwischen den hellenistischen Monarchen war und sich das Alltagsleben in einer mittelgroßen Stadt der damaligen Zeit gestaltete und stetig wandelte.

Dem einführenden Charakter des Buches angemessen sind die knappen, einschlägigen Literaturangaben zu den einzelnen Kapiteln (S. 139–145). Dazu runden insgesamt 17 Schwarzweißabbildungen und Graphiken sowie eine Zeittafel und ein Index das angenehme Erscheinungsbild ab; zwei Karten (S. XIf.) helfen bei der Orientierung. „In this book, we have seen something of staggering variety and complexity of the Hellenic civilization that emerged out of the conquests of Alexander of Macedon: a world blazing with life,“ resümiert Thonemann treffend (S. 133). Wer eine knappe und instruktive Darstellung zum Hellenismus sucht, ist mit Thonemanns schmalen Band hervorragend bedient.

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