V. Sarkhosh Curtis u.a. (Hrsg.): The Parthian and Early Sasanian Empires

Cover
Titel
The Parthian and Early Sasanian Empires. Adaptation and Expansion


Herausgeber
Sarkhosh Curtis, Vesta; Pendleton, Elizabeth J.; Alram, Michael; Daryaee, Touraj
Reihe
Archaelogical Monographs Series V
Erschienen
Oxford 2016: Oxbow Books
Anzahl Seiten
X, 132 S.
Preis
£ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Erich Kettenhofen, Merzig

Im Kontext des Projektes Sylloge Nummorum Parthicorum1 wurde im Jahr 2011 eine Konferenz nach London einberufen, die Vertreter verschiedener Schwerpunktbildungen innerhalb der parthischen und sasanidischen Geschichte zusammenführen sollte. Infolge politischer Turbulenzen wurde sie im Juni des Jahres 2012 in Wien abgehalten. Die Herausgeber begründen in der Einführung, dass ungeachtet des Projektes in der parthischen Geschichte auch Themen der sasanidischen Geschichte eingeplant waren; hier konnten sie mit Recht auf die viel beachtete Sylloge Nummorum Sasanidarum verweisen, von der seit 2003 drei, in der Forschung sehr positiv beurteilte Bände publiziert wurden.2 Die in Wien gehaltenen vierzehn Vorträge sind in dem hier zu besprechenden Band in vier Sektionen untergliedert (Historical, Linguistic, Archaeological, Numismatics). Der Umfang der einzelnen Beiträge schwankt zwischen vier (Daryoosh Akbarzadeh) und sechzehn Seiten (Barbara Kaim); alle sind ausnahmslos in englischer Sprache verfasst. Angefügt sind jeweils Bibliographien3, die hin und wieder die nötige Sorgfalt vermissen lassen.4

Die Lektüre hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Obwohl vier Herausgeber/innen verantwortlich sind, ist auf jegliches Register verzichtet worden. Querverweise sind recht selten.5 Der vorgegebene zeitliche Rahmen (Early Sasanian Empire) wird von Nikolaus Schindel beträchtlich überschritten, wenn er die Münzprägung von Sind im 4. und 5. Jahrhundert bespricht. Der knappe Überblick von Touraj Daryaee über Elefanten als Symbole des Königtums wie als Kriegswaffe reicht gar von der Achaimenidenzeit bis zum Ende des Sasanidenreiches. Insgesamt liegt eine heterogene Sammlung von Aufsätzen vor, deren Relevanz für das numismatische Projekt der Sylloge Nummorum Parthicorum oft nicht ersichtlich ist; das gilt etwa für die kenntnisreiche Dokumentation des zur archäologischen Forschung Nisas bestens ausgewiesenen italienischen Gelehrten Antonio Invernizzi zur Rundhalle in Nisa.6

Man darf begrüßen, dass junge iranische Kollegen Beiträge beisteuern konnten. Mehrdad Ghodrat-Dizaji will die Grenzen der sasanidischen Provinz Parthien anhand von Inschriften, Münzen, Siegel und Siegelabdrücken näher bestimmen und dabei eine Verlegung nach Westen beobachten. Da die Liste der Länder in Šāhpuhrs I. Inschrift an der Kaʿbe-ye Zartošt die Regionen [p]ʾrs [pr]tw („Persis, Parthien“) anführen7, kann der Hinweis, es habe keine Parthien genannte Provinz in der Region Khurāsān in der frühen Sasanidenzeit gegeben, nicht überzeugen.8 Khodadad Rezakhani zeichnet (in der Sektion Linguistic) die Entwicklung von der aramäischen zur mittelpersischen Schrift in den numismatischen Quellen der Persis nach. Eine Transkription der Legenden in den Figures 9.4 und 9.6 bis 9.12 fehlt leider.9 Daryoosh Akbarzadeh zeigt in seiner knappen Studie auf, dass in neupersischen Werken aqdam (‚the First‘) nur eine Verschreibung für afdom (‚the Last‘) als Beiname des letzten parthischen Königs Artabanos sein kann.

Den größten Raum nimmt die historische Sektion ein: Jérôme Gaslain zeichnet – berechtigterweise – ein positives Bild der militärischen wie diplomatischen Fähigkeiten der ersten beiden arsakidischen Herrscher.10 M. Rahim Shayegan, der in den vergangenen Jahren eine beachtliche Zahl wichtiger Arbeiten vorgelegt hat, beleuchtet die Herrschaftsideologie der arsakidischen Könige, auch im Kontext anderer hellenistischer Könige wie denen der Kommagene und verweist auf die babylonische Tradition im Zweistromland, die die Wiederaufnahme des Titels ‚König der Könige‘ veranlasst haben könnte; weniger sei dies wohl eine bewusste Anknüpfung der arsakidischen Herrscher an die achaimenidische Vergangenheit. So zutreffend die Auseinandersetzungen zwischen der Linie der Mithridatiden (von Mithradates II. abstammend) und den Nachfolgern des Sinatruces im Arsakidenreich von Marek J. Olbrycht gezeichnet sein mögen, so sind doch große Bedenken gegenüber zahlreichen Behauptungen anzumelden. Allerdings ist der polnische Gelehrte nicht der erste, der eine parthische Herkunft Sāsāns als Nachfahre des indoparthischen Königs Gondophares behauptet.11 Man gesteht ihm auch zu, dass der bloße Hinweis auf „Sāsān, den Herrn“ in Šāhpuhrs I. Inschrift enigmatisch sei12, doch ist die Hintanstellung der numismatischen Primärzeugnisse aus dem 3. Jahrhundert, die Ardašīr I. als Sohn Pābags ausgeben13, gegenüber dem Šāhnāme und der armenischen Überlieferung14, die Artašīr I. einen Sohn Sāsāns nennen, methodisch äußerst problematisch; ebenso gewagt dürfte etwa die Ansicht sein, dass Ardašīrs I. Revolte nicht hätte erfolgreich sein können, wenn er sich nicht auf seine arsakidische Abstammung hätte berufen können (S. 30). Der Beitrag bedürfte aber einer gründlicheren Auseinandersetzung, als sie hier geschehen kann.

Andrea Gariboldi fragt, ob sich die Römer des Dynastiewechsels in Iran im frühen 3. Jahrhundert bewusst waren; er berührt damit zugleich die Frage nach den Gebietsansprüchen Ardašīrs I., wie sie bei Cassius Dio und Herodian überliefert sind, und die ich 1984 als ‚interpretatio romana‘ interpretierte15, was eine lebhafte Kontroverse auslöste, die hier nicht nachgezeichnet werden kann. Von einer „mythical elaboration of the Sasanian State“ mag man durchaus mit Gariboldi sprechen (S. 50). Für das 3. Jahrhundert kann dies jedoch noch nicht gelten. Methodisch nicht zulässig ist die Bemerkung, wir fänden keinen Hinweis bei Ammianus Marcellinus auf einen Dynastiewechsel in Persien (S. 47). Hier ist das argumentum e silentio überstrapaziert, ist doch die Darstellung Ammians bis zum Jahr 353 gänzlich verloren und auch in späteren Werken, die Ammian benutzten, nicht identifizierbar.16 Antonio Panaino, mit dessen Beitrag die Sektion ‚Historical‘ abschließt, fragt nach dem Einfluss der Sasanidenherrscher auf die Entwicklung des Zoroastrismus; im Fokus steht die Person Kirdērs, die uns in seinen Inschriften entgegentritt; berücksichtigt sind auch die sogenannten ‚Visionen‘ in zwei seiner Inschriften. Dem Autor ist vorbehaltlos zuzustimmen, dass Kirdērs Einfluss auf die zoroastrische Religion von entscheidender Bedeutung war.

Die Sektion ‚Linguistic‘, in der die hier schon genannten Beiträge von Khodadad Rezakhani und Daryoosh Akbarzadeh eingeordnet sind, wird eröffnet durch den anschaulich dokumentierten reichhaltigen Überblick von Rika Gyselen über den Gebrauch des Parthischen in der Zeit der Sasanidenkönige. Mit Narsehs Inschrift in Paikuli enden die parthischen Monumentalinschriften, auf Siegeln ist das Parthische aber bis ins 5. Jahrhundert bezeugt.17 Der Sektion ‚Archaeological‘ ist neben dem schon erwähnten Aufsatz von Antonio Invernizzi der längste des Buches von Barbara Kaim zugeordnet. Sie fragt, da die literarischen Quellen nur wenig aussagekräftig seien oder verzerrende Interpretationen böten, was die archäologischen Quellen (unter Einschluss der Ikonographie der numismatischen Quellen) über das höfische Leben in parthischer und frühsasanidischer Zeit aussagen. Den sicher gewichtigsten Beitrag zur Sylloge Nummorum Parthicorum steuert Pierre-Yves Boillet bei, der die Ergebnisse seiner 2009 in Bordeaux eingereichten unpublizierten Dissertation hier vorlegt.18 Einen Schwerpunkt bildet die Frage, wie sich der Übergang von der seleukidischen zur parthischen Epoche Mediens in der Münzproduktion niedergeschlagen hat. Boillet liefert mit seiner Untersuchung wichtige Bausteine für eine noch zu schreibende Geschichte der Münzprägung in parthischer Zeit. Den zweiten numismatischen Fachbeitrag steuert Nikolaus Schindel bei, der die seit den 1990er-Jahren mehrheitlich akzeptierte Datierung der Kušān-Ära wieder glaubt umstoßen zu können.19 Den Regierungsantritt Huviškas, der Kaniška I., dem Begründer der Ära, folgte, datiert Schindel frühestens in das Jahr 224, was er mit dem gleichzeitigen Auftauchen gerippter Diadembänder („ribbed ribbons“, S. 123) bei Ardašīr I. und Huviška begründet. Er folgt damit seinem Lehrer Robert Göbl, der in Kaniška I. einen Zeitgenossen der frühen Sasaniden sah. Und wie Göbl achtet auch Schindel die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Šāhpuhr-Inschrift gering, wenn er die Zugehörigkeit Pāradāns zum Sasanidenreich bestreitet (S. 124).20 Mit der Behandlung der Münzprägung von Sind (und ihrer Beziehung zum Sasanidenreich) erörtert Schindel eine bisher weithin vernachlässigte Thematik, die, wie schon erwähnt, den zeitlichen Rahmen des Buches weit überschreitet. Ich bin gespannt, auf welches Echo die Thesen Schindels stoßen werden.21

Hilfreich wäre eine Liste der arsakidischen Herrscher und Gegenkönige gewesen. Boillet erwähnt zum Beispiel häufig Osroes II., der in dem vor wenigen Jahren publizierten Oxford Handbook of Iranian History etwa nicht aufgelistet wird.22 Das Buch ist gut illustriert, Versehen halten sich im erträglichen Rahmen. Zitaten in den Originalsprachen ist jeweils eine englische Übersetzung beigegeben. Auf eine einheitliche Datierung der Herrschaftsjahre Šāhpuhrs I. hätten die Herausgeber/innen achten sollen.23 Die Disparität der Beiträge ist allerdings nicht zu übersehen. Die einzelnen Aufsätze hätten auch in den gängigen iranischen Fachzeitschriften publiziert werden können; eines Sammelbandes hätte es meines Erachtens nicht bedurft.

Anmerkungen:
1 Bisher ist erschienen: Fabrizio Sinisi (Hrsg.), SNP 7: Vologases I – Pacorus II, Wien 2012. Zu den weiteren geplanten Bänden vgl. S. VII.
2 Der Verfasser dieser Rezension hat zu allen Bänden Besprechungen angefertigt, vgl. Zeitschrift der Deutschen Morgenlandischen Gesellschaft 157 (2007), S. 236–238; Historia i Świat 5 (2016), S. 279–282; Revue numismatique 2007, S. 346–354.
3 Die notes am Ende der Beiträge erfordern ein ständiges Hin- und Herblättern.
4 So etwa „Brossius“ (statt Brosius) und „Pollinger“ (statt Rollinger) auf S. 104, „Khale Gnoli“ (statt Gherardo Gnoli) auf S. 21, „Pāradāan“ (statt Pāradān) auf S. 132.
5 Vgl. etwa Andrea Gariboldi, S. 51, Anm. 35 und Khodadad Rezakhani, S. 74, Anm. 19 mit ihrem Verweis auf Olbrychts Beitrag.
6 Dem Beitrag sind 11 Pläne, Photos und Rekonstruktionen beigegeben, die diesen höchst anschaulich illustrieren.
7 ŠKZ § 2, parth., Z. 1. Vgl. dazu die knappen Hinweise bei Philip Huyse (Hrsg.), Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Ka‘ba-i Zardušt (ŠKZ) (Corpus Inscriptionum Iranicarum III 1, 1), Bd. 2, London 1999, S. 10, Anm. 27.
8 S. 43. Auch der Hinweis auf die Erwähnung Parthiens im Persien-Exkurs Ammians (23,6,14) überzeugt nicht; schon 1881 konnte Theodor Mommsen Parallelen zum 6. Buch der Geographie des Ptolemaios aufzeigen: Ammians Geographica, in: Hermes 16 (1881), S. 602–636 (wieder abgedruckt in: Gesammelte Schriften, Bd. 7, Berlin 1909, S. 393–425). Vgl. dagegen: Das Sāsānidenreich (224 – 651 n. Chr.), in: Anne-Maria Wittke u.a. (Hrsg.), Historischer Atlas der antiken Welt, Sonderausgabe, Stuttgart 2012, S. 216f.
9 Hilfreich war mir bei der Durchsicht des Beitrags die von Henrik S. Nyberg seinem Manual of Pahlavi, Bd. 1, 2. Aufl., Wiesbaden 1964, S. 129 beigegebene Tabelle der Alphabete.
10 Den ersten Arsakiden hatte Gaslain ausführlicher in der Gedenkschrift für Józef Wolski behandelt: A propos d’Arsace Ier, in: Electrum 15 (2009), S. 27–39.
11 Vgl. die Hinweise bei Huyse, Inschrift, Bd. 2, S. 115, Anm. 193.
12 ŠKZ § 36: sʾsʾn ZY MROHY (mp., Z. 23)/ sʾsn hwtwy (parth., Z. 20)/ Sasánou toû kyríou (griech., Z. 46).
13 Vgl. etwa bgy ʾrtštr MLKA, BRE pʾpky MLKA in: Michael Alram / Rika Gyselen (Hrsg.), Sylloge Nummorum Sasanidarum Paris – Berlin – Wien, Bd. 1, Wien 2003, S. 117, Typ I(1) 2(1). Vgl. hingegen Olbrycht, S. 31. Übersichtlich zusammengestellt und diskutiert sind die Zeugnisse der Primär-, Sekundär- wie Tertiärquellen zu Pābag jüngst bei Ursula Weber, Pābag, der Vater Ardašīrs I., in der historiographischen Überlieferung, in: Carsten Binder u.a. (Hrsg.), Diwan. Untersuchungen zu Geschichte und Kultur des Nahen Ostens und des östlichen Mittelmeerraumes im Altertum. Festschrift für Josef Wiesehöfer, Duisburg 2016, S. 517–553.
14 Aa, § 18 (ed. Robert W. Thomson, Albany 1976, S. 34, Zeile 6), ihm folgend Movsēs Ḫorenaҫi 2,67 (History of the Armenians, ed. Robert W. Thomson, 2. Aufl., Ann Arbor 2006, S. 210).
15 Erich Kettenhofen, Die Einforderung des Achämenidenerbes durch Ardašīr. Eine interpretatio Romana, in: Orientalia Lovaniensia Periodica 15 (1984), S. 177–190. Zur Literatur vgl. Josef Wiesehöfer, Das Reich der Sāsāniden, in: Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Berlin 2008, S. 531–569, hier S. 537, Anm. 21.
16 S. 48 findet sich immerhin die Bemerkung: „but was this included in one of the lost books?“.
17 Leider ist auch hier auf eine Transkription der parthischen Beischriften auf den Abbildungen und Skizzen im Text verzichtet worden.
18 Ecbatane et la Médie d’Alexandre aux Arsacides, PhD thesis (zit. S. 117).
19 Vgl. etwa den m.E. überzeugenden Beitrag von Joe Cribb, The Early Kushan Kings. New Evidence for Chronology. Evidence from the Rabatak Inscription of Kanishka I, in: Michael Alram / Deborah E. Klimburg-Salter (Hrsg.), Coins, Art, and Chronology. Essays on the pre-Islamic History of the Indo-Iranian Borderlands, Wien 1999, S. 177–205. Schindel gibt zwar in Anm. 9 den Hinweis auf „Cribb 1999, p. 188“, doch fehlt er in der Bibliographie.
20 Vgl. ŠKZ § 3, parth., Z. 2 / griech., Z. 4. Schindel beruft sich auf Pankaj Tandon, The Location and Kings of Pāradān, in: Studia Iranica 41 (2012), S. 25–56, hier S. 27. Vgl. hingegen Huyse, Inschrift, Bd. 2, S. 31.
21 Geradezu abenteuerlich dürfte der von Schindel, S. 125 vermutete Zusammenhang zwischen dem ökonomischen Niedergang Roms um 260 n.Chr. und der Verschlechterung der Münzqualität in Pāradān sein, wiederum unter Berufung auf Tandon, Location, S. 38. Unerwähnt bleibt bei Schindel allerdings die Datierung des Beginns der Kaniška-Ära in das Jahr 127 bei Tandon, Location, S. 34, dem er ansonsten weitgehend folgt.
22 Touraj Daryaee (Hrsg.), Oxford Handbook of Iranian History, Oxford 2012, S. 392. Doch vgl. Udo Hartmann, Ein Arsakide im Heer des Septimius Severus, in: Electrum 15 (2009), S. 249–266, hier S. 258, Anm. 34.
23 Vgl. S. 37 (240–270); S. 43, 69 u. 124 (240–272); S. 61 (241/2–271/72).

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