P. Chrystal: Roman Military Disasters

Cover
Titel
Roman Military Disasters. Dark Days and Lost Legions


Autor(en)
Chrystal, Paul
Erschienen
Barnsley 2015: Pen & Sword
Anzahl Seiten
XXVI, 310 S.
Preis
£ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Lentzsch, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Geschichte der römischen Republik ist eine militärische Erfolgsgeschichte. In einer Folge von letztlich fast stets erfolgreich beendeten Kriegen expandierte Rom von Latium aus zunächst über die gesamte italische Halbinsel, bald darauf über den westlichen, später den östlichen Mittelmeerraum und stieß dann auch in die europäischen Binnenräume vor. In der Kaiserzeit erstreckte sich das von Rom beherrschte Territorium bekanntlich von Britannien bis nach Nordafrika, vom Atlantik bis zum Euphrat. Die Untersuchung der Antriebskräfte, der Bedingungen und der vielfältigen Folgen dieser Expansion bildet ein etabliertes Forschungsgebiet, auf dem auch nach Generationen der Auseinandersetzung mit diesen Fragen immer wieder neue Perspektiven und Einblicke erschlossen werden können.1

Sich vor diesem Hintergrund auf die militärischen Niederlagen Roms zu konzentrieren, wie es Paul Chrystal in der vorliegenden Arbeit unternommen hat, mag auf den ersten Blick fernliegen. Allerdings mussten die Römer auf dem Weg zur Herrschaft über weite Teile der Alten Welt in sehr vielen ihrer Kriege wiederholt Niederlagen von nicht selten erheblichen Ausmaßen hinnehmen, was eine Untersuchung dieses Themas rechtfertigt. Tatsächlich liegen bereits einige Arbeiten vor, in denen militärische Niederlagen Roms den Ausgangspunkt der jeweiligen Studie bilden, wobei hier durchaus unterschiedliche Aspekte im Mittelpunkt des Interesses stehen.2 Chrystal geht es in dem vorliegenden Buch vor allem darum, einerseits zu untersuchen, wie es jeweils zu den römischen Niederlagen kam, und andererseits zu klären, welche Folgen diese Rückschläge für die Römer hatten und wie es ihnen gelang, diese zu überwinden (S. XXV). Den chronologischen Rahmen hat Chrystal dabei sehr weit gesteckt, indem er mit der Schlacht an der Allia im Jahr 387/86 v.Chr. beginnt und mit der Einnahme Roms durch die Goten unter Alarich im Jahr 410 n.Chr. seine Untersuchung abschließt.

Auf eine kurze Einführung (S. XXIV–XXVI) folgt im ersten Teil des Buches („The Republic“, S. 3–149) zunächst eine Übersicht zu politischen und militärischen Konstellationen auf der italischen Halbinsel vom 7. bis zum 5. Jahrhundert v.Chr., in dem sich Chrystal überaus zuversichtlich hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Überlieferung für diesen frühen Abschnitt der römischen Geschichte zeigt (S. 3–15). Es folgen jeweils eine knappe Einführung in die Grundzüge der Organisation des römischen Heeres sowie der vielfältigen Aspekte der Militarisierung der römischen Gesellschaft (S. 16–30) und in die Quellen, aus denen Informationen zu römischen Niederlagen in der Zeit der Republik zu gewinnen sind (S. 31–34). Der Hauptteil des Buches ist gemäß der konventionellen Einteilung der römischen Geschichte in die Epochen der Republik und der Kaiserzeit in zwei Abschnitte gegliedert. Die Auswahl der Beispiele, die näher besprochen werden, ist weitgehend nachvollziehbar, auch wenn Kleopatra hier nur mit viel gutem Willen aufgenommen werden kann. Nennenswerte Siege der ptolemäischen Königin gegen Rom auf dem Schlachtfeld kann auch Chrystal nicht vermelden, weshalb er sich mit dem Hinweis behilft, Kleopatra sei in vielerlei Hinsicht ein fortwährendes Desaster für die Römer gewesen (S. 143).

Chrystals Werk richtet sich an ein breiteres Publikum. Wer wirklich tiefschürfende Analysen zu den jeweiligen Niederlagen Roms sucht, wird daher vermutlich eher enttäuscht werden. Dafür ist der Umfang der einzelnen Kapitel in der Regel auch zu knapp bemessen. Stattdessen wird eine oft recht quellennahe Nacherzählung der Ereignisse geboten, in der Chrystal erzählerisch dankbaren Passagen und Anekdoten von teils zweifelhaftem Quellenwert breiten Raum gewährt hat. Bezeichnenderweise gehören die Abschnitte zu Mithridates VI. von Pontos, Spartacus und Kleopatra zu den längsten Kapiteln des Buches, was weniger daran liegt, dass die militärischen Misserfolge, die römische Heere gegen diese Gegner hinnehmen mussten, besonders tiefgreifende Auswirkungen hatten, sondern vielmehr daran, dass sich hier jeweils zahlreiche Gelegenheiten bieten, farbenfrohe Zitate aus den antiken Quellen in umfangreicher Weise wiederzugeben.

Dabei nutzt Chrystal indes durchaus die Gelegenheit, auf die Verzerrung der Geschehnisse in der Perspektive einzelner Autoren hinzuweisen, insbesondere im Fall Kleopatras. Gelegentlich unternimmt Chrystal auch kurze Ausflüge in die nachantike Rezeptionsgeschichte. An den Darstellungsteil des Buches schließen sich umfangreiche, jedoch teilweise auch recht verzichtbare Anhänge an (S. 224–244). Dies gilt etwa für die Liste der Regierungszeiten der römischen Könige, die zum einen historisch kaum verwertbare Daten enthält und zum anderen für das Verständnis des Buches nicht notwendig ist. Den Abschluss bilden ein Verzeichnis der Endnoten (S. 245–259), eine reichhaltige Bibliographie, die jedoch leider nahezu ausschließlich Bücher in englischer Sprache aufführt (S. 260–302), und ein Register (S. 303–310).

Chrystals Buch bietet insgesamt eine solide Informationsgrundlage zu einer Reihe von teils durchaus bedeutenden militärischen Krisen der römischen Geschichte, wobei Hinweise zur teilweise tendenziösen Darstellung in den Quellen geboten werden, allerdings ohne dass diese wirklich ausführlich thematisiert würden. Leserinnen und Lesern, die sich bereits eingehender mit den jeweiligen Kriegen und Schlachten, die in das Buch aufgenommen worden sind, beschäftigt haben, gewährt „Roman Military Disasters“ allerdings wohl nur wenige neue Einblicke. Für Einsteiger und das breitere Publikum, das sich für römische Militärgeschichte interessiert, eröffnet Chrystals Buch schon durch die Entscheidung, römische Geschichte anhand der Niederlagen Roms zu strukturieren, eine vielleicht ungewohnte Perspektive auf die römische Geschichte, die durchaus dazu geeignet ist, zu weiterführenden Gedanken über Roms langem Weg zur antiken Weltmacht anzuregen.

Anmerkungen:
1 Siehe zuletzt etwa Bruno Bleckmann, Die römische Nobilität im ersten punischen Krieg, Berlin 2002; Hans Beck, Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005; Dexter Hoyos (Hrsg.), A companion to Roman imperialism, Leiden 2013.
2 Siehe zum Beispiel Nathan Rosenstein, Imperatores Victi. Military Defeat and Aristocratic Competition in the Middle and Late Republic, Berkeley 1990; Sandra Geist, Der gescheiterte Feldherr (dux ferox). Der besiegte römische Feldherr als literarische Figur bei römischen Niederlagen, dargestellt an ausgewählten schweren Niederlagen von der frühen Republik bis zu Augustus, Frankfurt am Main 2009; Jessica Clark, Triumph in Defeat. Military Loss and the Roman Republic, New York 2014.

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