A. Zissos (Hrsg.): A Companion to the Flavian Age

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Titel
A Companion to the Flavian Age of Imperial Rome.


Herausgeber
Zissos, Andrew
Reihe
Blackwell Companions to the Ancient World
Erschienen
Chichester 2016: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XXI, 602 S.
Preis
€ 175,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kristina Heubach, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Mit „A Companion to the Flavian Age of Imperial Rome“ legte Wiley im März 2016 einen weiteren Band in der Reihe der „Blackwell Companions to the Ancient World“ vor, die sich laut Verlag an internationale Wissenschaftler, Studierende und interessierte Leser wendet.1 Wie der Herausgeber des Bandes Andrew Zissos bereits im Vorwort ausführt, sollen die insgesamt 29 Aufsätze einen Überblick über die Epoche der Flavier geben, ohne sich dabei zu sehr auf Herrscher und Elite zu fokussieren. Vielmehr soll, soweit dies im Rahmen eines Sammelbandes überhaupt realisierbar ist, ein möglichst ganzheitliches Bild der römischen Gesellschaft während der fast 30 Jahre von Vespasian bis Domitian gezeichnet werden.2

Die thematische Breite samt tiefergehender Detailanalysen wird in sechs Abschnitten angestrebt: Nach den Vorbemerkungen („Preliminary“, S. 15–39) wird zunächst die Familie der Flavier und ihr Aufstieg behandelt („Dynasty“, S. 41–185). Hierauf widmen sich die nächsten drei Abschnitte größeren Themenkomplexen, die sich von einer rein biographischen, auf den Herrscher bezogene Perspektive zu lösen versuchen („Empire“, S. 187–273, „Societies and Cultures“, S. 275–391, „Literature“, S. 393–483). Der Band schließt mit einer Betrachtung der Rezeption der flavischen Zeit („Reception“, S. 485–559).

Da an dieser Stelle nicht auf alle 29 Aufsätze ausführlich eingegangen werden kann, wird im Folgenden ein Überblick über die Inhalte und Methoden der einzelnen Abschnitte gegeben und versucht, anhand ausgewählter Beispiele die Stärken und Schwächen des Companion zu skizzieren.

An die recht ausführliche Einleitung des Herausgebers (S. 1–14), die fast wie ein vorweggenommener Ergebnisbericht des gesamten Bandes anmutet, schließt der erste Abschnitt mit dem Titel „Preliminary“ an, in dem Frédéric Hurlet (S. 17–39) versucht, einen Überblick über die Quellenlage der zu betrachtenden Zeit zu geben. Aufgrund der Masse an Zeugnissen aus und über diese Epoche muss zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden, die leider nicht ausreichend begründet wird. So bemüht sich Hurlet zwar um eine umfassende Darstellung und reißt immer wieder auch Forschungsdiskussionen an, sein Beitrag bleibt insgesamt allerdings größtenteils deskriptiv und somit recht oberflächlich. Dieser Eindruck hätte durch eine bessere Vernetzung mit der Einleitung etwas abgemildert werden können.

Nach diesen Vorbemerkungen richtet sich der Fokus der folgenden acht Beiträge auf die Dynastie der Flavier („Dynasty“). Dieser zweite Abschnitt weist jedoch ein konzeptionelles Grundproblem auf: Aufgrund der thematischen und zeitlichen Überschneidungen sowie der nicht allein familiär bedingten Verbindungen der drei Flavier zueinander kommt es zu größeren Redundanzen. Vor allem die Aufsätze von Frederik Juliaan Vervaet (S. 43–59), John Nicols (S. 60–75), Charles Leslie Murison (S. 76–91) und Alessandro Galimberti (S. 92–108) sind dabei in weiten Teilen nahezu deckungsgleich. Unterdessen finden bei einer starken Anlehnung an die literarischen Quellen neuere Forschungsansätze und -diskussionen zugleich nur am Rande Erwähnung.3 Alle vier Aufsätze bieten daher zwar einen guten chronologisch-biographischen Überblick über die flavischen Herrscher, jedoch nur wenig Neues.

Die anschließenden Beiträge von Steven L. Tuck (S. 108–128), Susan Wood (S. 129–147) und Andrew W. Gallia (S. 148–165) bieten mit ihrem kunstgeschichtlich-archäologischen Zugriff einen guten Kontrast zu den bisher fast ausschließlich literarisch orientierten Abhandlungen, bleiben dabei aber ebenfalls in weiten Teilen darstellend.

Den Abschluss des zweiten Abschnittes bildet der Aufsatz „The Flavians and the Senate“ (S. 166–185) von Loránd Dészpa, der sich thematisch wohl besser in den nächsten Abschnitt eingefügt hätte. Im Gegensatz zu den vorgenannten Autoren bietet Dészpa einen klar strukturierten Beitrag, der mittels einer kritischen Betrachtung der Quellen und der Miteinbeziehung der Forschungsdiskussion das Verhältnis zwischen den flavischen Principes und der senatorischen Elite näher zu charakterisieren sucht. Lediglich ein abschließendes Fazit fehlt hier leider.

Die Beiträge des nächsten Abschnittes („Empire“) nehmen mit Themen aus Wirtschafts-, Militär- und Provinzpolitik zwar den Fokus von der Hauptstadt Rom, orientieren sich aber – entgegen der eingangs formulierten Absicht des Herausgebers – nach wie vor stark an den Herrscherpersönlichkeiten. Alle fünf Aufsätze zeichnen die Flavier als Herrscher zwischen Kontinuität und Wandel, die einerseits den traditionellen Linien der Iulio-Claudier folgen, sich andererseits aber auch von diesen abzusetzen suchen. Während Alessandro Launaro (S. 189–206) herausarbeitet, durch welche Methoden die flavischen Principes die finanzielle Lage im Reich konsolidieren konnten, bezieht sich Christopher J. Dart (S. 207–222) in seinem Beitrag auf die Entwicklung der römischen Grenzpolitik in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n.Chr. Durch das gemeinsame Ziel der Friedenssicherung, das sowohl hinter den wirtschaftlichen als auch hinter den militärischen Maßnahmen der Flavier zu erkennen ist, sind die beiden Beiträge eng miteinander verbunden und ergänzen sich gut. Dart kompensiert zugleich durch Detailanalysen zu den Grenzregionen Rhein, Donau, Nordafrika und den östlichen Provinzen ein Stück weit die zuvor vom Herausgeber angekündigte thematische Beschränkung auf Iudaea und Britannien (S. 2); die beiden letztgenannten Provinzen werden an späterer Stelle von Mark A. Brigthon (S. 239–254) und Gil Gambash (S. 255–273) eingehender behandelt.

Der Beitrag von Randall Pogorzelski (S. 223–238) steht in diesem Abschnitt thematisch etwas abseits. Er beschreibt auf theoretischer Grundlage, aber ebenfalls anhand konkreter Beispiele aus der Literatur (Silius Italicus, Martial, Statius, Iuvenal, Iosephus und Plinius der Ältere), auf welche Weise sich seit den Flaviern ein Wandel im Verhältnis zwischen Rom und der ‚Außenwelt‘ abzuzeichnen begann. In der nicht nur örtlichen, sondern darüber hinaus auch mentalen Trennung zwischen Kaiser und Hauptstadt, wie sie beispielsweise zu Beginn der Herrschaft Vespasians bestand, sieht der Autor den Grundstein für spätere Entwicklungen, wie sie bereits unter Traian und Hadrian deutlich zu erkennen sind.

In den nächsten sieben Aufsätzen werden jeweils Aspekte behandelt, die lose unter dem Themenfeld „Societies and Cultures“ zusammengefügt sind. Durch dieses breite Feld wirkt auch die Auswahl der einzelnen Themen zunächst entsprechend heterogen. So arbeitet Laura K. Van Abbema (S. 296–312) historisch-wissenschaftlich fundiert die Veränderungen von weiblichen Handlungsspielräumen und der öffentlichen Wahrnehmung dieser in der frühen Kaiserzeit heraus. Dies geschieht in einem gut strukturierten Beitrag, der sowohl literarische als auch epigraphische Quellen kritisch betrachtet, um schließlich die eingangs formulierte These zu stützen: „One of the striking trends of the period is the increased visibility of well-to-do Roman women in the public sphere.“ (S. 296) Eleanor Winsor Leach (S. 327–343) wählt in ihrem Beitrag hingegen einen stark literarischen Zugang, indem sie die inschriftlich belegten T. Suedius Clemens und M. Epidius Sabinus in einem virtuellen Rundgang Pompeji erkunden und beschreiben lässt. Der zuvor angesprochene Eindruck der Heterogenität relativiert sich schließlich beim Blick auf die übrigen fünf Beiträge dieses Abschnittes. Trotz der unterschiedlichen Themen weisen die Aufsätze von Grant Parker (S. 277–295), Yun Tee Loo (S. 313–326), Sarah Blake (S. 344–360), Helen Lovatt (S. 361–375) und Antony Augoustakis (S. 376–391) durch die vermehrte Erwähnung und Analyse der Schriften des älteren Plinius, Quintilians und Martials erneut große Überschneidungen auf, die die Beiträge nahezu uniform wirken lassen.

Dies setzt sich im Abschnitt „Literature“ in ähnlicher Weise fort. Während sich Paul Roche (S. 434–449) erneut Plinius dem Älteren und Quintilian zuwendet, betrachtet William J. Dominik (S. 412–433) Martials Epigramme und Statius’ Silven. Trotz unterschiedlicher thematischer Zuschnitte finden sich auch hier Wiederholungen, die durch eine bessere konzeptionelle Abstimmung des Herausgebers hätten vermieden werden können. Auch Neil W. Bernstein (S. 395–411) thematisiert neben Silius Italicus und Valerius Flaccus erneut Statius, nimmt hierbei aber mit der Epik ein anderes Genre in den Blick und zeigt unter verschiedenen Überschriften zeitgenössische Anspielungen in der Dichtung der flavischen Zeit auf. Bevor Michael Dewar (S. 469–483) diesen Abschnitt mit einer Zusammenstellung der verlorenen Quellen dieser Zeit abschließt, widmet sich Adam Kemezis (S. 450–468) den in diesem Band bislang wenig betrachteten griechischen Autoren Plutarch und Dio Chrysostomos. Obwohl beide größtenteils in der Zeit Traians und Hadrians schrieben und die Flavier dabei kaum erwähnen, zeigt Kemezis nachvollziehbar auf, wie prägend die Zeit der Flavier als „cultural-historical epoch“ (S. 459) für die Entwicklung dieser und anderer griechisch-sprachigen Autoren war.

Den Abschluss des Bandes gestaltet der Herausgeber schließlich selbst mit drei Aufsätzen zur Rezeptionsgeschichte der Flavier. Behandelt werden die spätere Bewertung und das Nachleben der drei Herrscherpersönlichkeiten Vespasian, Titus und Domitian (S. 487–514), des Vesuvausbruchs (S. 515–534) und der Literatur der flavischen Zeit (S. 535–559). Alle drei Aufsätze bieten interessante Perspektiven auf die Rezeptionsgeschichte des ausgehenden ersten Jahrhunderts, scheinen jedoch mit ihren insgesamt etwa 70 Seiten im Verhältnis zu den vorhergegangenen, zentraleren Abschnitten übermäßig stark gewichtet und etwas zu weit gefasst für ein einführendes Companion. Wie auch bei einigen Einzelbeiträgen, fällt bei der Betrachtung der Gesamtkonzeption des Bandes das Fehlen eines abschließenden Fazits auf.

Hervorzuheben sind die Appendices, die den Lesern jenseits der Beiträge zusätzliche Informationen bieten, wie etwa in Form eines umfassenden chronologischen Überblicks (S. 560–564) und einer Aufstellung der Legionenverteilung der Zeit (S. 568–569). Dazu wird der Text der Lex de imperio Vespasiani mit einer englischen Übersetzung abgedruckt (S. 570–572), was angesichts der Bedeutung dieser Inschrift sinnvoll erscheint, durch die weitgehend fehlende Thematisierung in den Beiträgen jedoch etwas verwundert.4 Einzig der Abschnitt „Demographic and Other Estimates“ (S. 565–567) kann aufgrund des hier präsentierten, nur wenig belastbaren Zahlenmaterials nicht überzeugen.5

Insgesamt ist positiv zu vermerken, dass jeder Aufsatz nicht nur mit einer Bibliographie, sondern gleichfalls mit einer Sektion („Further Reading“) ausgestattet ist, die den Lesern Anleitungen gibt, sich bei Interesse mit dem jeweiligen Thema weiter auseinander zu setzen. Mit Blick auf den wissenschaftlichen Apparat muss an dieser Stelle jedoch kritisiert werden, dass dieser sich von Aufsatz zu Aufsatz unterscheidet. So werden für Verweise zwar teilweise Fußnoten gesetzt, bisweilen werden die entsprechenden Angaben aber auch lediglich im Text mittels runder Klammern wiedergegeben, wobei beide Varianten ohne erkennbares System parallel laufen.

Im Ganzen betrachtet ist dieses „Companion to the Flavian Age of Imperial Rome“ wohl eher als einführender Überblick für Studierende und weniger als auf die Forschung ausgerichteter Beitrag gedacht und dementsprechend zu bewerten. Der Band zeigt sich vor diesem Hintergrund als abwechslungsreiche Zusammenstellung interessanter Beiträge, die einen chronologisch-umfassenden Überblick über die Zeit der Flavier bieten. Bei der hier abgebildeten thematischen Breite sind Redundanzen natürlich nicht zu vermeiden, doch hätten diese durch eine konsequentere Anleitung durch den Herausgeber minimiert und der so gewonnene Platz für die angestrebte inhaltliche Tiefe, aktuelle Forschungen und neue Thesen genutzt werden können.

Anmerkungen:
1 „This series provides sophisticated and authoritative overviews of periods of ancient history, genres of classical literature, and the most important themes in ancient culture. […] The essays are written in a clear, provocative, and lively manner, designed for an international audience of scholars, students, and general readers.” <http://eu.wiley.com/WileyCDA/Section/id-324320.html> (15.08.2016).
2 „This volume […] attempts to examine the Flavian Age in a broader and more inclusive sense, taking into account its complex ethnic shifting relationship between center and periphery, and the far-reaching religious developments of the time.“ (S. 2)
3 Die Diskussion über die sexuelle Ausrichtung Titus’ und die Auswirkungen dieser auf das politische Geschehen wirkt hier besonders fehl am Platz, auch wenn Murison selbst dies anders beurteilt: „the question of Titus’ sexuality inevitably arises.“ (S. 83)
4 Lediglich im ersten Beitrag von Frédéric Hurlet wird das sogenannte Bestallungsgesetz Vespasians diskutiert, S. 25–27.
5 So schwankt beispielsweise die Schätzung der Bevölkerung Italiens zwischen acht und 18 Millionen, S. 566.

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