R.R.R. Smith u.a. (Hrsg.): The Last Statues of Antiquity

Cover
Titel
The Last Statues of Antiquity.


Herausgeber
Smith, R. R. R.; Ward-Perkins,Bryan
Erschienen
Anzahl Seiten
XXXIII, 410 S.
Preis
£ 100.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lennart Gilhaus, Abteilung Alte Geschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die Entwicklung der Städte des Imperium Romanum in der Spätantike wurde lange Zeit nur als Niedergangsszenario beschrieben, doch haben zahlreiche neuere Studien dieses Bild korrigiert.1 Zur Stadtkultur der Prinzipatszeit gehörten zweifelsohne vielerorts auch Statuen, die Fora, Theater, Thermen und Straßen säumten. In der Spätantike stellte man nur noch seltener Statuen auf, zudem wurden ältere Monumente häufig wiederverwendet, auch änderten sich Stil und Aufstellungspraktiken. Insbesondere dieser gewandelte und nachlassende „statue habit“ hat zum Bild des Niedergangs der Städte maßgeblich beigetragen. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass an der University of Oxford eine umfangreiche Datenbank mit über 2.800 Einträgen im Rahmen des Projekts „Last Statues of Antiquity“ (LSA) unter Beteiligung zahlreicher Wissenschaftler entstanden ist und dass in dem zu besprechenden Sammelband auf Grundlage dieser Materialsammlung der spätantike „statue habit“ von verschiedenen Seiten eingehend beleuchtet wird.2

Insgesamt umfasst der Band 24 Beiträge, eine Konkordanzliste zu den LSA-Einträgen sowie einen reichhaltigen Index. Der Band gliedert sich in drei größere Abschnitte, vorangestellt sind zwei einführende Beiträge. Im ersten größeren Block werden die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Regionen des Reichs dargestellt (S. 41–118), anschließend werden einige besondere Städte wie Rom, Konstantinopel, aber auch Lepcis Magna und Gortyn, in denen sich besonders viel Material erhalten hat, herausgenommen und gesondert behandelt (S. 119–228). Im dritten Abschnitt werden schließlich verschiedene übergreifende Themen wie Chronologie, bestimmte Gruppen von Geehrten und Stil besprochen (S. 229–308).

Einen ersten Überblick zum Material und zum LSA-Projekt bietet R. R. R. Smith (S. 1–27) und stellt dabei die wichtigsten Ergebnisse und Probleme vor. Nach einer kurzen Vorstellung der regionalen und chronologischen Entwicklungen der Ehrungen kommt er vor allem auf die verschiedenen, in der spätantike vorherrschenden Statuentypen und ihre Gestaltung zu sprechen. Insbesondere fällt dabei auf, dass im späten 4. Jahrhundert neue Statuentypen für hohe Amtsträger entwickelt wurden, für die man keine älteren Statuen wiederverwenden konnte, sondern die ganz neu hergestellt werden mussten. Deutlich kann Smith also das innovative Potential der spätantiken Statuen zeigen, auch wenn diese nur noch in wesentlich geringerer Zahl produziert wurden. Auf die Inschriften der Statuenbasen konzentriert sich B. Ward-Perkins im zweiten einführenden Beitrag (S. 28–40). Er betont vor allem die ungleiche Verteilung des Materials: So gibt es kaum Statuen aus Gallien, Spanien, Britannien, dem Balkan oder dem Nahen Osten, während insbesondere in Nordafrika, Kleinasien, Teilen Italiens und Griechenlands noch zahlreiche Statuen aufgestellt wurden. Diese Verteilung ist – wie Ward-Perkins auch klarstellt – allerdings nicht sonderlich erstaunlich, da sich hier Entwicklungen des 2. und 3. Jahrhunderts fortsetzen. Zugleich betont er aber auch, dass aus dieser Verteilung keineswegs auf die allgemeine Städteentwicklung in den jeweiligen Regionen zu schließen ist. So prosperierten die römischen Städte des Nahen Ostens bis in das frühe 6. Jahrhundert, hier hatte sich aber nie eine besonders starke Tradition der Statuenaufstellung herausgebildet. Statuen waren also keineswegs ein obligatorisches Element der spätantiken Stadt in allen Regionen und lassen keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Entwicklung des städtischen Lebens zu.

Detailliert werden die unterschiedlichen regionalen Entwicklungen in den folgenden Kapiteln nachvollzogen. Allerdings bieten die Autoren nur wenige Erklärungen für die unterschiedlichen Wandlungsprozesse und Trends, was freilich auch schwer fallen muss, wenn man die Statuen allein betrachtet. Weiterführend sind hier insbesondere die Bemerkungen von Christian Witschel zu Aquitanien, von wo fast überhaupt keine Statuenbasis bekannt ist, die Städte aber weiterhin von einiger Bedeutung waren (S. 78–80). Er betont, dass Statuen hier gegenüber anderen Repräsentationsmedien deutlich an Bedeutung verloren, die Eliten etwa wesentlich mehr in ihre Villen investierten und sich gleichzeitig das Erscheinungsbild der Städte drastisch veränderte, ohne dass man von einem Niedergang des Städtewesens sprechen könnte. Gleichzeitig behielten die Städte etwa in Nordafrika oder Kleinasien aber noch lange ihr traditionelles Erscheinungsbild und bezeichnenderweise finden sich gerade in diesen Regionen noch lange zahlreiche Statuen.

Einige Städte brachten zudem eine besonders große Anzahl an Statuen und Basen hervor; allein für Rom finden sich 374 Datenbankeinträge für Basen und 103 für Statuenreste. Doch wie insbesondere die Beleglage für Konstantinopel zeigt, können solche Zahlen auch täuschen. Hier hat sich nur eine Handvoll Statuen und Basen erhalten, doch sind aus verschiedenen Texten fast 160 weitere Statuen belegt. Auch in anderen Fällen kann man die Befunde in einzelnen Städten auf die Zufälle der Überlieferung und den Erhaltungsstand zurückführen. Insbesondere in gut erforschten und bewahrten Stadtzentren wie Aphrodisias, Ephesos oder Lepcis Magna ist es dann auch möglich, konkrete Aufstellungsorte und die Verteilung von Statuen in den Städten nachzuvollziehen. Teilweise handelt es sich aber auch um exzeptionelle Aufstellungskomplexe. So sind die meisten der Statuen aus Gortyn auf die Tätigkeit einer einzigen Person zurückzuführen. Leider fehlt also ein übergreifender Artikel, der die Aufstellungsorte von Statuen in den spätantiken Städten insgesamt untersucht, sodass man auf diese Einzeluntersuchungen und verstreute Hinweise angewiesen bleibt und man sich weiterhin fragen muss, welche Fälle exzeptionell und welche nur auf besondere Überlieferungsumstände zurückzuführen sind.
Im letzten Abschnitt werden verschiedene Einzelaspekte untersucht. Die Themenauswahl entspricht dabei offenbar im Wesentlichen dem Interesse der jeweiligen Autoren. So finden sich Kapitel zu Statuenaufstellungen für hohe Amtsträger, Frauen und „cultural heroes“, andere Gruppen finden aber keine eigenständige Berücksichtigung. Das ist bedauerlich, tut der Qualität der Beiträge aber dennoch keinen Abbruch. Mehrere Autoren setzten sich zudem mit bestimmten Praktiken wie der Wiederverwendung oder stilistischen Entwicklungen auseinander. Insbesondere hier zeigen sich auch die Stärken der Datenbank, deren Materialreichtum bessere Vergleichsmöglichkeiten und präzisere Datierungen ermöglicht. Das auffälligste Merkmal der spätantiken Statuen und Porträts ist ihre stilistische Vielfalt; im Gegensatz zur Prinzipatszeit gab es nun kein „Zeitgesicht“ mehr, an dem sich die meisten Porträts orientierten, da sich die Bildnisse des Kaisers immer deutlicher von anderen abgrenzten. Nichtsdestoweniger gab es gebräuchlichere Varianten und eher exotische Lösungen, auf jeden Fall war die spätantike Porträtkunst wesentlich vielgestaltiger als die der Prinzipatszeit. Gerahmt werden diese Beiträge von Kapiteln zu chronologischen Aspekten, nämlich der Übergangsphase des 3. Jahrhunderts und dem Ende des „statue habit“. Während das zeitliche Ende der Statuenaufstellungen in den verschiedenen Regionen recht klar zu fassen ist, können die Gründe freilich nur schwerer benannt werden. B. Ward-Perkins (S. 295–308) diskutiert verschiedene Ursachen wie die Abneigung des spätantiken Christentums gegenüber dreidimensionalen Darstellungen oder auch die barbarischen Invasionen. Den Hauptgrund für das Verschwinden der Statuen sieht er aber in den Wandlungen des Städtewesens. So erklären sich zunächst die Entwicklungen der Statuenaufstellungen aus den veränderten Beziehungen der hohen Amtsträger und der verschiedenen Teile der lokalen Elite zu den Städten. Das Ende des „statue habit“ fiel nach Ansicht von Ward-Perkins dann auch mit dem Ende der „civic politics“ in den Städten zusammen.

Der Band bietet eine gelungene Übersicht über den vielfältigen „statue habit“ der Spätantike, der mehr war als nur ein Niedergang der Praktiken der Prinzipatszeit. Zwar könnte man sich an der einen oder anderen Stelle noch Beiträge zu weiteren Themen wünschen, die das Gesamtbild weiter komplettieren würden, aber solche Forderungen kann man immer stellen. Vielmehr eröffnen die Beiträge ja gerade Möglichkeiten für neue Untersuchungen, die auf Basis der breiten Materialbasis, die durch die Datenbank bereitgestellt wird, möglich geworden sind oder zumindest erheblich erleichtert werden. Der Band kann mit seinen grundlegenden Beiträgen also vor allem als ein Ausgangspunkt weiterer Forschungen angesehen werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa Jens-Uwe Krause / Christian Witschel (Hrsg.), Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel?, Stuttgart 2006.
2 Die Datenbank ist abrufbar über: <http://laststatues.classics.ox.ac.uk> (02.11.2016).

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