Cover
Titel
A Taste of Power. Food and American Identities


Autor(en)
Vester, Katharina
Reihe
California Studies in Food and Culture 59
Erschienen
Anzahl Seiten
283 S.
Preis
€ 28,09
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Caroline Rosenthal, Institut für Anglistik/Amerikanistik, Universität Jena

Katharina Vesters Buch beschäftigt sich mit den symbolischen Implikationen des Essens in der amerikanischen Kultur. Wie bereits im Titel ersichtlich, geht es ihr dabei vor allem um gesellschaftliche Machstrukturen, die sich in und durch Essordnungen manifestieren. Das Essen, so die Grundthese des Buches, macht uns zu bestimmten Subjekten. Essensdiskurse laden uns ein, uns als männliche oder weibliche, als heterosexuelle oder homosexuelle, als amerikanische oder britische Subjekte zu verstehen. Vester greift in ihrer Analyse auf eine Vielzahl von Quellen zurück: auf Kochbücher und Kochkolumnen in Zeitschriften, auf Hauswirtschaftsbücher, auf literarische Texte, aber auch auf andere Medien wie TV-Kochshows oder Blogs ebenso wie auf Stillleben in der Malerei.

In der Einleitung benennt die Autorin die theoretischen Paten ihrer Arbeit: „This book owes its underlying understanding of how American culture employed food discourses in the production of subjectivities to the theoretical frameworks of Norbert Elias, Pierre Bourdieu, and, most prominently Michel Foucault.“ (S. 5) Von Foucault entlehnt Vester vor allem die Annahme, dass nationale wie geschlechtliche Identitäten diskursiv verfasst und umkämpft sind und es hegemoniale ebenso wie widerständige Wissensdiskurse gibt. Elias’ theoretisches Werk erlaubt es ihr, die sozialen Auswirkungen des Essens zu betrachten. Anweisungen zu Essmanieren etwa definieren Klassenzugehörigkeiten ebenso wie bestimmte Gerichte Indikatoren für regionale und ethnische Zugehörigkeit sind. Bourdieu wird aufgerufen, um das kulturelle Kapital des Essens zu bestimmen, denn der Habitus, der Essen und Essordnungen innewohnt, schafft Differenzen. Rezepte und Anweisungen zur Zubereitung und zum Verzehr von Essen etwa statten das Subjekt mit einer kulturellen Kompetenz aus, welche die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe markiert.

Im ersten Analysekapitel, „‘For all Grades of Life’: The Making of a Republican Cuisine“, stellt Vester sich der Frage, wie die Semiotisierung des Essens sich in der frühen amerikanischen Republik auf die Formation nationaler Subjekte ausgewirkt hat. Von der amerikanischen Revolution bis etwa 1840, bildete sich in Neuengland eine „republican cuisine“ (S. 11) heraus, die sich bewusst von europäischen Werten abgrenzte. Während diese mit Dekadenz und britischem Imperialismus assoziiert waren, machte die neue amerikanische Küche sich tugendhafte Einfachheit als genuinen Marker amerikanischer Identität zu eigen. Die einfache Küche wurde gleichgesetzt mit Gesundheit, Mäßigung, Bescheidenheit, Disziplin und Selbstbeherrschung, mit Werten, die zu den Grundpfeilern eines amerikanischen demokratischen Selbstverständnisses avancierten. Obwohl diese „republican cuisine“ sich als gesamtamerikanische gerierte, war sie, so Vester, keineswegs frei von Ausgrenzungsmechanismen, sondern verschleierte diese geschickt. Für Vester etablierte sich so eine weiße amerikanische Mittelklasse, die sich selbst als unmarkierten Standard begriff und die neuenglische als hegemoniale Identität gegenüber anderen Regionen und Ethnien der USA behauptete. Ab den 1820er-Jahren gesellten sich zum neuengländischen Essensdiskurs Kochpraktiken, die entweder regionale Exotik oder kosmopolitische Raffinesse favorisierten, die der republikanischen Einfachheit widersprachen.

Das zweite Analysekapitel, „‘Wolf in Chef’s Clothing’: Manly Cooking and Negotiations of Ideal Masculinity“, widmet sich Konstruktionen von Männlichkeit im Zusammenhang mit Essen. Untersucht wird der Zeitraum von 1890–1970 in Kochbüchern und Literatur. Während im 19. Jahrhundert Frauen sich eine Expertise in Kochbüchern erwarben, drängten ab dem 20. Jahrhundert Bücher auf den Markt, die „manly cooking“ propagierten und sich vehement gegen den Verdacht der Verweichlichung und Verweiblichung abzusetzen suchten. Vester zeigt eindrücklich, wie hierfür auf etablierte Bilder und Symboliken von Männlichkeit zurückgegriffen wurde, etwa auf den „lonesome cowboy“, der am Lagerfeuer seine flapjacks und Bohnen zubereitet, oder den „hardboiled detective“, dessen Männlichkeit sich unter anderem darin zeigt, dass er allein von Leberwurstbroten lebt. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab die symbolische Konstruktion des Gourmet Männern einen Platz in der Küche, der sie von Frauen unterschied, denn der einfachen Alltagsküche der Frauen konnte er etwas Exotisches, Genialisches und Geheimnisvolles entgegensetzen. Männermagazine wie Esquire oder Playboy versuchten ebenfalls, die private Sphäre zu maskulinisieren. Die von Playboygründer Hugh Hefner moderierte TV Show „Playboy’s Penthouse“ (1959–1960) etwa etablierte die „kitchenless kitchen“, in der Männer im Wohnzimmer auf einem Chafing-Dish über offener Flamme kochten und sich so aus der weiblich konnotierten Sphäre der Küche entfernten.

Ähnlich wie im ersten Kapitel will Vester diesem hegemonialen Diskurs der weißen männlichen Mittelklasseschicht andere Diskurse entgegensetzen. Sie untersucht dazu Kochbücher afroamerikanischer Männer aus den 1960er-Jahren, die durch die Aneignung von „southern soul food“ eine schwarze Mittelklasse etablierten. Gerichte und Zutaten wie etwa Schweineinnereien, die ehemals mit Sklaverei, Armut und südstaatlicher Provinzialität assoziiert waren, wurden durch „racial pride“ (S. 129) neu semiotisiert und salonfähig.

Im letzten Analysekapitel, „‘The Difference is Spreading’: Recipes for Lesbian Living“, wird der Zusammenhang von Essen und Sexualität untersucht, insbesondere wie lesbische Frauen sich in Kochdiskurse einschreiben. Den Auftakt macht Gertrude Stein’s Text „Tender Buttons“ von 1914, der weibliche Autorität unter Rückbezug auf Haushalts- und Kochbücher herstellt und zugleich in Frage stellt, indem die dort gesetzten Normen zugunsten einer anderen „Ökonomie des Begehrens“ unterlaufen werden. Auch das von Steins Lebensgefährtin 1954 veröffentlichte „The Alice B. Toklas Cook Book“ unterminiert laut Vester die Heteronormativität von Kochbüchern, so dass Kochen für Vester zur Trope der Differenz wird (S. 139). Während lesbische Kochbücher im 20. Jahrhundert oft Rezepte mit autobiographischen Erzählungen des coming out oder der sexuellen Selbstfindung verknüpften, lässt diese Tendenz im 21. Jahrhundert nach zugunsten eines affirmativen lustvollen Kochens von Frauen mit- und füreinander. Zudem werden, wie etwa in der TV-Show „Cooking with Lesbians“, Erwartungen an Kochen und Weiblichkeit sowie an Homosexualität bewusst unterlaufen und parodiert.

Vesters Buch ist ein Gewinn für jeden, Akademiker wie Laien, der sich für die literarischen, gesellschaftlichen, historischen, anthropologischen oder medialen Bedeutungen von Essen interessiert. Die geringe Theorielastigkeit der Arbeit hat den Vorteil, dass Vesters Buch sich durch eine hohe Lesbarkeit auszeichnet. Dennoch hätte die Leserin sich an einigen Stellen mehr theoretische Reflexion gewünscht. Was beispielsweise sind das „American project“ (S. 3), „normative masculinities“ (S. 14) oder „hegemonic femininity (S. 66)? Judith Butler hätte hier durchaus kurz angeführt werden können, ebenso wie Louis Althusser oder Antonio Gramsci, um die Formation des Subjektes in hegemonialen Diskursen und die Subversion derselben besser verständlich zu machen. Denn oft erscheinen die anderen Diskurse, die in Kapitel eins und zwei zusammengefasst und den hegemonialen entgegengestellt werden, gar nicht als Gegendiskurse, sondern einfach als solche, die gleichzeitig existierten, sich aber in keiner Weise in den hegemonialen Diskurs einer weißen Mittelklasse einschrieben.

Die Studie hätte zudem durch einen klareren Fokus nur auf Geschlecht und Essen gewonnen. Das stärkste und ausgereifteste Kapitel der Studie ist das zweite Kapitel zu Maskulinität und Essen. Hier gelingt es Vester im Rückgriff auf Essenspraktiken im frühen 20. Jahrhundert überzeugend zu zeigen, dass Männlichkeit sich nicht mehr in Abgrenzung zu „boyhood“ (S. 104), sondern zu Weiblichkeit konstatierte. Die untersuchten Kochbücher strotzen vor Frauenfeindlichkeit und Sexismus, um den kochenden Mann nur ja nicht effeminiert oder gar homoerotisch interessiert erscheinen zu lassen. Viele der vorgestellten Rezepte aus den 1950er-Jahren etwa zeigen, wie Mann sich den Weg ins Bett einer Frau erkocht. Das dritte Kapitel ist das am wenigsten einheitliche, aber es präsentiert interessante neue Quellen und beschreitet neues Terrain. In einer ersten Suchbewegung, mehr als einer kohärenten Analyse, spürt Vester hier gewinnbringend Erzählungen, Strategien, Bildern und Symboliken nach, die sich einer heterosexuellen Norm widersetzen und über die Repräsentation und den Verzehr von Essen ein anderes Begehren und einen anderen sexualisierten Körper in die Kultur einschreiben.

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