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Titel
The Book of the Jihad of 'Ali Ibn Tahir al-Sulami (D. 1106). Text, Translation and Commentary


Herausgeber
Christie, Niall
Erschienen
Farnham 2015: Ashgate
Anzahl Seiten
416 S.
Preis
£ 85.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Obenaus, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien

In den letzten Jahren und Jahrzehnten nahm die Publikationstätigkeit zur islamischen Sicht auf die Kreuzzüge gerade im anglo-amerikanischen Raum beträchtlich zu. Fundierte, aber doch für die breite Leserschaft gedachte Werke, wie das 2014 erschienene Buch von Paul M. Cobb, Professor für islamische Geschichte an der University of Pennsylvania1, das schon im darauffolgenden Jahr ins Deutsche übersetzt wurde2, sollten gar zu Verkaufsschlagern werden. Dazu reihten sich Neuübersetzungen bekannter arabischer Quellen3 und spezialisierte Fachliteratur.4

Auch der Islamwissenschafter Niall Christie, der am Langara College in Vancouver (Kanada) tätig ist, zeigt mit zwei jüngst erschienenen Büchern, dass er diese unterschiedlichen Facetten der Forschungs- und Publikationstätigkeit klar beherrscht. So veröffentlichte er im Jahr 2014 eine gut lesbare Überblicksdarstellung zur islamischen Sicht auf die Kreuzzüge5, der im Jahr 2015 der hier zur Rezension vorliegende Quellenband folgte.

Mit „The Book of the Jihad of ‘Ali ibn Tahir al-Sulami“ legt Niall Christie eine Edition zusammen mit einer englischen Übersetzung der erhaltenen Passagen des Kitāb al-ǧihād (Buch des Dschihad) des Damaszener Gelehrten ‘Alī ibn Ṭāhir al-Sulamī (gestorben 1106) vor, in dem dieser wenige Jahre nach der Eroberung Jerusalems durch christliche Kreuzfahrer zum Kampf gegen die europäischen Eindringlinge aufrief. Bei diesem Werk handelt es sich um eine der wenigen erhaltenen zeitgenössischen arabischen Quellen vom Beginn der Kreuzzüge. Trotzdem erfuhr es bisher weniger Beachtung als später abgefasste, dafür aber mit einem guten Überblick aufwartende arabische Chroniken, und das obwohl diese Quelle in der historischen Forschung schon lange bekannt war. Der israelische Historiker Emmanuel Sivan publizierte bereits 1966 im Journal Asiatique eine Studie zu diesem Text mit einigen daraus übertragenen und ins Französische übersetzten Passagen.6 Spätere Erwähnungen des Kitāb al-ǧihād in der Fachliteratur bezogen sich fast ausschließlich auf diesen Artikel von Sivan. 2007 erschien dann in Damaskus eine vom syrischen Historiker Suhail Zakkār herausgegebene erste arabische Gesamtedition7, die jedoch außerhalb der arabischsprachigen Welt bestenfalls unter Islamwissenschafter/innen Bekanntheit erlangte. Somit bleibt es das Verdienst Niall Christies, diese Quelle – vor allem durch seine englische Übersetzung – für die breite Masse an Historiker/innen und interessierten Personen erschlossen zu haben, die sich mit dem Thema der Kreuzzüge beschäftigen.

Der Inhalt von Christies „The Book of the Jihad“ gliedert sich dabei prinzipiell in drei große Teile, nämlich eine einleitende Studie, die arabische Edition und die englische Übersetzung.

In der einleitenden Studie legt Christie anfangs kurz die Entwicklung der Konzeption des Dschihad – speziell des militärischen Dschihad – in der islamischen Welt bis ins 12. Jahrhundert dar. Im Anschluss daran widmet er sich nun der eigentlichen Quelle, dem Kitāb al-ǧihād. Dabei stellt er anfangs den Autor, das erhaltene Manuskript, das Genre, die Intention und die vermuteten Adressaten des Werks vor. Danach wechselt er zu gewissen Aspekten des Textes, wie zum Beispiel al-Sulamīs Vorstellung vom militärischen Dschihad und seinen Strategien, um sein Publikum zu motivieren. Zu diesen zählen unter anderem Ermahnungen der lokalen muslimischen Herrscher und zum Teil der Gesamtbevölkerung aufgrund ihrer Vernachlässigung der Verpflichtung zum Dschihad oder seine Anmerkungen zu himmlischen Strafen beziehungsweise weltlichem und himmlischem Lohn für ein falsches oder korrektes Verhalten im Hinblick auf den Dschihad. Da das heute erhaltene Manuskript des Kitāb al-ǧihād wahrscheinlich die Mitschrift eines öffentlichen Vortrags aus dem Jahr 1105 darstellt, die danach zumindest noch zwei Mal – einmal etwas später im Jahr 1105 und danach 1113 – entweder zur Gänze oder auch zum Teil vorgetragen wurde, widmet sich Christie ebenso den bekannten Vortragsorten und den möglichen Gründen für deren Auswahl. Gegen Ende der einleitenden Studie fasst Christie noch al-Sulamīs Quellen und Einflüsse zusammen, um abschließend einen Ausblick auf zukünftige Forschungsansätze und -richtungen zu geben.

Der zweite große Teil, die arabische Edition des Kitāb al-ǧihād, umfasst alle heute erhaltenen Teile des Manuskripts, wobei es sich im Großen und Ganzen um die Teile 2, 8, 9 und 12 des ursprünglichen Werks – zusammen mit im Original gestrichenen Passagen – handelt.

Der dritte Teil schließlich stellt eine englische Gesamtübersetzung des erhaltenen arabischen Manuskripts dar. Nicht-Islamwissenschafter/innen werden dabei erstaunt sein, in welchem Umfang al-Sulamī bei seiner Argumentation auf den Koran sowie auf Hadithe, also Überlieferungen von Aussagen und Handlungen des Propheten, zurückgreift, deren Überlieferungskette (isnād) von ihm jeweils minutiös aufgelistet wird. Verwunderung werden auch die mitunter umfangreichen Erklärungen zur Herkunft gewisser arabischer Begriffe hervorrufen, die al-Sulamī offensichtlich aufgrund eines philologischen Interesses in den Text einfließen ließ.

Als Appendix fügt Christie schließlich an den Text al-Sulamīs einige ins Englische übersetzte Dschihad-Predigten des Ibn Nubāta al-Fāriqī (gestorben 985) an, die in der arabischen Edition fehlen. Ibn Nubāta stammte aus dem südostlichen Anatolien und rief in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts mit Unterstützung oder auch im Auftrag des hamdanidischen Herrschers ‘Alī Saif al-Daula zum militärischen Dschihad gegen das Byzantinische Reich auf. Vergleicht man seine Texte mit jenen al-Sulamīs, der etwas mehr als ein Jahrhundert später tätig war, so zeigen sich hier gewisse Einflüsse und Parallelen. Außer diesen drei großen Teilen enthält Christies Studie noch ein kurzes Glossar zu wichtigen arabischen Begriffen, einen umfangreichen bibliografischen Anhang sowie einen gut nutzbaren Index, allerdings nur auf Englisch.

Will man abschließend zu einem Gesamturteil kommen, so muss man unbedingt betonen, dass es Niall Christie mit seinem Werk nicht nur gelungen ist, ein kleines Fachpublikum an Islamwissenschafter/innen zufrieden zu stellen. Ganz im Gegenteil bereitet er diese für die frühe Phase der Kreuzzüge wichtige arabische Quelle durch seine einleitende Studie, seine Übersetzung sowie umfangreichen Anmerkungen so auf, dass sie auch für die breite Masse von Historiker/innen, die sich mit diesem Thema befassen, nutzbar und verständlich ist.

Anmerkungen:
1 Paul M. Cobb, The Race for Paradise. An Islamic History of the Crusades, Oxford 2014.
2 Paul M. Cobb, Der Kampf ums Paradies. Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge, übersetzt von Michael Sailer, Darmstadt 2015.
3 Vgl. z.B. Ibn al-Aṯīr, The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from al-Kāmil fī’l-ta’rīkh, übersetzt von Donald S. Richards, 3 Bde., Farnham 2010; Usāma ibn Munqiḏ, The Book of Contemplation. Islam and the Crusades, übersetzt von Paul M. Cobb, London 2008.
4 Vgl. z.B. Alex Mallett, Popular Muslim Reactions to the Frankish Presence in the Levant, 1097–1291, Farnham 2014; Alex Mallett (Hrsg.), Medieval Muslim Historians and the Franks in the Levant, Leiden 2014.
5 Niall Christie, Muslims and Crusaders. Christianity’s Wars in the Middle East, 1095–1382, from the Islamic Sources, London 2014.
6 Emmanuel Sivan, La genèse de la contrecroisade. Un traité damasquin du début du XIIe siècle, in: Journal Asiatique 254 (1966), S. 197–224.
7 Alī ibn Ṭāhir al-Sulamī, Arbaʿat kutub fi ʾl-ǧihād min ʿaṣr al-ḥurūb aṣ-ṣalībīya, hrsg. von Suhail Zakkār, Damaskus 2007.

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