L. Pehrson: Utvandringen till Amerika

: Den nya världen. Utvandringen till Amerika I. Stockholm 2014 : Albert Bonniers Förlag, ISBN 978-91-0-013191-3 490 S. skr 210.00

: Den nya staden. Utvandringen till Amerika II. Stockholm 2014 : Albert Bonniers Förlag, ISBN 978-91-0-013193-7 476 S. skr 205.00

: Den nya tiden. Utvandringen till Amerika III. Stockholm 2015 : Albert Bonniers Förlag, ISBN 978-91-0-013194-4 495 S. skr 205.00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katrin Leineweber, Geschichte Nordeuropas, Historisches Seminar, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

In Deutschland, so erweckt es den Anschein, ist nicht sehr viel über die schwedische Auswanderung nach Amerika bekannt. Dies mag damit zusammenhängen, dass allein die deutsche Auswanderungsgeschichte genügend Material, interessante Fragestellungen und Literatur bietet. Dennoch lohnt sich ein Blick in den hohen Norden, wie das voluminöse und bilderreiche Werk zur schwedischen Auswanderung „Utvandringen till Amerika“ von dem in Amerika lebenden schwedischen Journalisten Lennart Pehrson beweist.

In seinen drei Bänden mit insgesamt rund 1.500 Seiten betrachtet Pehrson gut 300 Jahre der gemeinsamen schwedisch-amerikanischen Geschichte. Er ist damit der erste, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein Gesamtbild der schwedisch-amerikanischen Auswanderungsgeschichte zu zeichnen und sich dabei nicht auf einen speziellen Teilaspekt der Migration oder eine bestimmte Region beschränkt. Lennart Pehrson setzt den Zeitrahmen von der ersten permanenten Siedlung Nya Sverige (Neu-Schweden) im Jahre 1638 bis zum Ende der 1920er-Jahre, mit einigen Ausblicken in die 1930er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese Eingrenzung erscheint durchaus sinnvoll, da vor 1638 nur einzelne schwedische Seeleute den amerikanischen Kontinent betreten hatten und nach den 1920er-Jahren die große Auswanderungswelle abebbte. Das Werk erhebt den Anspruch, ein Gesamtbild zu erstellen, jedoch muss auch Pehrson Abstriche bei seiner Arbeit machen. Dies ist bei etwas über einer Million schwedischer Auswanderer allein in der Zeit der sogenannten Massenauswanderung, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er-Jahre hinein, verständlich.

Wegweisend für seine Arbeit war die These von Oscar Handlin, dass die Einwanderung grundlegend für die US-amerikanische Geschichte gewesen sei, und dass die Einwanderer Amerika genauso geprägt hätten wie Amerika die Einwanderer.1 Lennart Pehrson folgt dieser These, indem er sagt, dass die schwedischen Einwanderer Einflüsse auf die amerikanische Geschichte, Gesellschaft und Entwicklung nahmen und gleichzeitig Amerika, ihre neue Heimat, die schwedischen Einwanderer beeinflusste, prägte und formte. Anhand von Einzelschicksalen schwedischer Einwanderer oder ihrer Nachfahren arbeitet er die Bedeutung der schwedischen Einwanderer im Allgemeinen für die Geschichte der USA heraus. So verknüpft er einzelne Lebensgeschichten mit dem jeweiligen historischen Kontext in den USA.

Der erste Band „Den nya världen“ (Die neue Welt) befasst sich mit der Zeit der ersten permanenten schwedischen Siedlung auf amerikanischem Boden bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg. Den Einstieg macht eine kurze Geschichte zur Entstehung der Bronx im heutigen New York, die auf den ersten schwedischen Siedler Jonas Brunk zurückzuführen ist. Danach wendet sich Pehrson der schwedischen Kolonie Nya Sverige am Delaware River zu sowie deren Aufbau und Untergang nach nicht einmal zwanzig Jahren. Im weiteren Verlauf wird die Teilnahme schwedischer Siedler am Unabhängigkeitskampf der Kolonien sowie der Kampf für die Demokratie beleuchtet. In Bezug auf die religiöse Freiheit in den USA stellt Pehrson zwei Beispiele von schwedischen Exulantengemeinden vor, bevor er sich der Sklaverei und dem Amerikanischen Bürgerkrieg zuwendet. Viele schwedische Einwanderer hatten auf Seiten Abraham Lincolns für einen Bestand der Union gekämpft und vor allem John Ericsson, der Konstrukteur des Panzerschiffes Monitor, spielte eine mehr oder weniger zentrale Rolle bei dem Sieg der Nordstaaten. Das letzte Kapitel im ersten Band behandelt das nach Ende des Sezessionskrieges in Europa einsetzende Amerikafieber, welches auch viele Schweden die Reise über den Atlantik antreten ließ.

Der zweite Band „Den nya staden“ (Die neue Stadt) widmet sich auf rund 460 Seiten einer einzigen Stadt und ihrer Entwicklung – Chicago. Diese Metropole am Lake Michigan war zeitweise die zweitgrößte schwedische Stadt, nur Stockholm hatte mehr schwedische Einwohner. Am Beispiel schwedischer Einwanderer in Chicago zeigt Lennart Pehrson in groben Zügen die Urbanisierung der USA auf. Hauptsächlich wendet er sich seiner These folgend zum einen der Frage zu, wie und in welcher Weise die schwedischen Einwanderer ihren Teil zum Wiederaufbau respektive der Weiterentwicklung der Stadt, nachdem sie 1871 niedergebrannt war, beigetragen hatten. Und zum anderen beleuchtet er die unterschiedlichen Möglichkeiten (z.B. wirtschaftlicher Erfolg, Emanzipation), die Chicago ihnen bot.

„Den nya tiden“ (Die neue Zeit) ist der Titel des dritten Bandes, welches sich mit der Westexpansion der schwedischen Einwanderer innerhalb der USA, ihrem Leben am Pazifik und den industriellen Entwicklungen des beginnenden 20. Jahrhunderts beschäftigt. Unter anderem geht Pehrson hier auf den Goldrausch im Yukon-Gebiet und den Ersten Weltkrieg als einschneidendes Ereignis für die schwedisch-amerikanische Gesellschaft ein. Aber auch die Verehrung Theodore Roosevelts durch die schwedischen Einwanderer oder die Erfolgsgeschichte des schwedisch-amerikanischen Busunternehmens Greyhound wird thematisiert.

Für die Bearbeitung dieser Bandbreite an Themen hat sich Pehrson auf bereits vorhandene Literatur gestützt und keine neuen Forschungsansätze verfolgt oder neue Quellen ausgewertet. Es handle sich, so Pehrson, um „die Arbeit anderer Forscher, Beobachter und Dichter“ (Den nya världen, S. 21) und nicht um seine eigene. Er habe nur das bereits Vorhandene genommen und unter einem neuen Gesichtspunkt zusammengefügt. Die für die einzelnen Themen verwendeten Beispiele von Personen und Ereignissen wurde von Lennart Pehrson bewusst nach dem Zufallsprinzip gewählt: „Manchmal weil sie passten und manchmal weil gute Quellen vorhanden waren.“ (ebd., S. 24) Auf diese Weise fallen viele andere relevante Themen aus der Arbeit heraus, welche mancher Leser vermutlich vermissen würde, zum Beispiel die schwedischen Siedlungen in Kansas oder die Bedeutung schwedischer Einwanderer in den Industriestandorten der Neu-England-Staaten. Zudem wirkt die Themenwahl dadurch auf die Rezensentin disparat.

Leider finden sich am Ende der einzelnen Bände lediglich ein knappes Literaturverzeichnis, jedoch keine Quellenangaben. Auch innerhalb des Textes verweist Pehrson nicht auf die von ihm verwendeten Quellen. In seinem „Prolog“ schreibt er diesbezüglich, dass die Quellen aus „Büchern, Dokumentarchiven, offiziellen Dokumenten, Ausstellungen oder Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften“ (ebd.) stammen. Dieses wird aber nicht weiter spezifiziert, was eine Überprüfung der Quellen und eine vertiefende Lektüre zumindest sehr erschwert. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass Pehrson als Journalist die Materie eher interessierten Laien nahebringen als für ein Fachpublikum schreiben will. Dennoch sei einem jeden, der sich durch 1.500 Seiten schwedisch-amerikanische Geschichte „durchkämpfen“ mag, dieses brillant geschriebene und sehr gut recherchierte Werk von Lennart Pehrson wärmstens empfohlen.

Anmerkung:
1 Oscar Handlin, Immigration as a Factor in American History, New York 1959.

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