Nesselrath, Heinz-Günther (Hrsg.): Iulianus Augustus. Opera. Berlin 2015 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-022122-0 XXXVII, 275 S. € 79,95

Marcone, Arnaldo (Hrsg.): L'imperatore Giuliano. Realtà storica e rappresentazione. Milano 2015 : Mondadori Education, ISBN 978-88-00-74586-4 VII, 349 S. € 28,00

: Il pagano di Dio. Giuliano l'Apostata, l'imperatore maledetto. Ariccia 2015 : Aracne, ISBN 978-88-548-8179-2 380 S. € 20,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Die nachfolgende Sammelrezension möchte in knapper Form drei neue Bücher zu Kaiser Julian vorstellen, eine eher populärwissenschaftliche italienische Biographie, einen Sammelband zu Regierung und Schaffen des Herrschers sowie die neue Teubner-Ausgabe der Schriften des Kaisers.

Bei Mario Spinellis Monographie „Il pagano di Dio“ handelt es sich um einen der neuesten Zuwächse in der Reihe der Biographien über Kaiser Julian, die nicht auf eine Erweiterung oder systematische Sammlung wissenschaftlicher Erkenntnisse abzielen, sondern eher dem Zweck dienen, ein breiteres Publikum gleichermaßen zu informieren wie zu unterhalten. Unterteilt in vier große Abschnitte, die sich an den Phasen des Lebens Julians (die Zeit als Privatmann, Caesar und Alleinherrscher sowie der Perserfeldzug) orientieren, gibt das Buch in insgesamt fünfzig, meist recht kurzen Kapiteln einen hauptsächlich chronologisch angeordneten Überblick über Leben und Taten Julians. Auf einen Anmerkungsapparat wird vollständig verzichtet und Auskunft über die verwendete Literatur lediglich in einem kurzen kommentierten Literaturüberblick (S. 367–371) gegeben, der mit wenigen Ausnahmen sowohl bei den Quellenausgaben als auch bei der Forschungsliteratur nur auf italienischsprachige Titel verweist. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieses Werks ist somit gering, wer aber Julian und die italienische Sprache schätzt, wird an dem gut lesbaren Band seine Freude haben.

Der von Arnaldo Marcone herausgegebene Sammelband zu Kaiser Julian versammelt fünfzehn Aufsätze in italienischer Sprache 1, bei denen es sich um Vorträge an der Universität Rom aus dem Jahr 2014 handelt. Die Aufsätze sind durchweg von hoher wissenschaftlicher Qualität, wenngleich doch deutliche Unterschiede bei den gewählten Themen auffallen. Der erste einleitende Beitrag von Ignazio Tantillo mit dem Titel „Per delle biografie dell’imperatore Giuliano“ (S. 1–11) bietet einerseits einen Überblick zu den Forschungen der letzten zehn Jahre, befasst sich aber auch mit verschiedenen Einzelaspekten der Thematik, so etwa mit Julians Konstantinbild und seinem Verhältnis zur Senatsaristokratie oder auch mit dem Thema ‚Julian im Internet‘. Von Fabio Guidetti (S. 12–49) stammt eine ausführliche und kompetente Untersuchung zum Porträt und Münzbildnis Julians, die unterschiedliche Fragestellungen erörtert, so etwa die Richtigkeit der Zuordnungen der Porträts und die Vorbildfunktion des Marcus Aurelius in ikonographischer Hinsicht. Neben diesen Beiträgen allgemeinen Charakters enthält der Band aber auch Untersuchungen zu sehr speziellen Fragen wie die Aufsätze von Augusto Guida zur Identifikation des neuen Empedokles bei Themistios in der Rede 5, 70b (S. 240–251, im Titel, im Inhaltsverzeichnis und auch sonst stets fehlerhaft als 5,79b angegeben) und von Stefano Trovato über Julian bei Johannes Antiochenus (S. 306–324), die beide übrigens zu ausgesprochen bedenkenswerten Ergebnissen gelangen: Guida bezieht die Stelle bei Themistios auf Kaiser Jovian, den Nachfolger Julians, und dessen Religionspolitik; Trovato weist darauf hin, dass zum einen innerhalb des konstantinischen Johannes keine unlösbaren Widersprüche zu finden seien und zum anderen eine genaue Identifikation von nicht vollständig erhaltenen Werken als Quellen des Johannes nicht mit letzter Sicherheit möglich sei. Somit liest sich dieser Band halb wie ein „Companion“ zu Julian und halb wie eine Sammlung von Spezialstudien. Hat man sich aber einmal mit diesem unentschiedenen Charakter des Bandes arrangiert, kann man die hier versammelten Artikel durchaus als wertvollen Forschungsbeitrag zur Regierung des letzten paganen Herrschers des Römischen Reiches würdigen.

Zuletzt sei auf die neue Teubner-Edition der Schriften Julians von Heinz-Günther Nesselrath eingegangen. Deren Titel „Iulianus Augustus, Opera“ ist ein Meisterstück subtiler Informationsvermittlung, da in der Tat nur Julians Werke aus der Zeit der Alleinherrschaft – mit Ausnahme der entsprechenden Briefe und der nur fragmentarisch erhaltenen Galiläerschrift – ediert werden (der vom Herausgeber spätdatierte Brief an Themistios ist hingegen berücksichtigt); eine deutlichere Titelangabe wäre sicherlich sinnvoller gewesen, um falsche Erwartungen an die Edition zu vermeiden.

Da für eine ausführliche Diskussion textkritischer Fragen hier nicht der geeignete Ort ist, sollen lediglich einige allgemeinere Aspekte angesprochen werden. Die in einem klaren und gut verständlichen Latein geschriebene Einleitung (S. VII–XXXVII) behandelt die Testimonien zu den Werken Julians (S. VII), die Begründung der Aufnahme und Auslassung einzelner Schriften (S. VII–IX), die Handschriften (S. X–XVII) und die weiteren Textzeugen (S. XVII–XVIII) sowie die älteren Editionen (S. XVIII–XXIV) und die Sprache Julians (S. XXIV–XXIX); geboten werden zudem eine weitgehend vollständige Literaturliste 2 und ein Abkürzungsverzeichnis. Darauf folgt der nach den bekannten Prinzipien dieser Reihe edierte kritische Text der nach ihrer Abfassungszeit angeordneten Schriften Kaiser Julians: der Brief an Themistios (S. 1–15), die Rede gegen den Kyniker Herakleios (S. 16–54), die Hymne auf die Göttermutter (S. 55–79), die Rede gegen die ungebildeten Kyniker (S. 80–106), die Caesares (S. 107–139), die Rede auf den König Helios (S. 140–173) und der Misopogon (S. 174–213). Daran angeschlossen sind ein Namensregister (S. 215–222) und ein „Index verborum memorabilium“ (S. 223–275).

Die Edition ist eine insgesamt erfreuliche Ergänzung der Julianforschung: Nach der textkritisch längst überholten Ausgabe Hertleins (1875/76), den Budé-Ausgaben von Rochefort (1963) und Lacombrade (1964), die dem Vergleich mit den Vorgängerbänden von Bidez nicht standhalten konnten, und einer Reihe von zweisprachigen Ausgaben einzelner Schriften mit Schwerpunkt auf Übersetzung und Kommentierung liegt endlich eine kritische Ausgabe dieser Schriften Julians vor, die den Anforderungen der modernen Altertumswissenschaft genügt. Für die Qualität dieser Ausgabe bürgt bereits der Name des Herausgebers Nesselrath. Allerdings fiel eine Reihe von Punkten auf, die sich als nicht ganz zufriedenstellend erwiesen. So hätten entweder bei der Behandlung der Testimonien allgemein (S. VII) oder am Anfang der Edition des Misopogon (S. 174) die zahlreichen und für die Wertung dieser satirischen Schrift nicht unerheblichen Testimonien zu diesem Text zusammengestellt werden sollen.3 Nesselraths Datierung des Briefes an Themistios in die Zeit kurz vor der Ankunft Julians in Konstantinopel Ende 361 ist eine erwägenswerte These, die sich in der Forschungsdiskussion bewähren könnte, doch bleiben seine Ausführungen zur Datierung recht knapp (S. IX). Zudem wäre in der Einleitung sicherlich ein Kapitel „De fontibus Iuliani“ nützlich gewesen. Der wichtigste Kritikpunkt betrifft aber den Registerteil: So werden im Namensregister nur tatsächliche namentliche Nennungen berücksichtigt, nicht aber die bei Julian – wie in der gesamten spätantiken Rhetorik – sehr häufigen Umschreibungen von klar identifizierbaren Personen, deren tatsächlicher Name aber nicht genannt wird.4 Zudem fehlt jegliche Form von Quellenregister; wer sich mit den von Julian benutzten Autoren auseinandersetzen möchte, dem bleibt somit nur, den Apparat jeder einzelnen Seite daraufhin durchzusehen. Wenn diese größtenteils gelungene Ausgabe das ihr innewohnende Potential voll entfalten soll, empfiehlt es sich daher, in einer überarbeiteten zweiten Auflage den Registerteil deutlich zu ergänzen.

Somit bleibt festzustellen, dass alle drei hier besprochenen Werke den Ansprüchen des von ihnen angesprochenen Publikums durchaus genügen können und somit willkommene Ergänzungen zur mittlerweile sehr umfangreichen Literatur über den noch immer Laien und Fachwelt faszinierenden Kaiser Julian darstellen.

Anmerkungen:
1 Vgl. die ausführliche Besprechung, die der Rezensent demnächst in Bryn Mawr Classical Review publiziert.
2 Ergänzen ließe sich lediglich noch Kurt Lattes Rezension der Edition Rocheforts, in: Gnomon 36 (1964), S. 662–664; zuletzt in: Richard Klein (Hrsg.), Julian Apostata, Darmstadt 1978, S. 197–200.
3 Zu nennen sind vor allem: Ammianus Marcellinus 22,14,2; Gregor von Nazianz, Rede 5,41; Sokrates 3,17,9 = Cassiodor, Historia tripartita 6,40,6; Sozomenos 5,19,3 = Nikephoros Kallistos Xanthopulos 10,27 (PG 146, 520); Theodoret 3,28,3; Zosimos 3,11,5; Zonaras 13,12,37; Malalas 13,19; Theophanes Confessor AM 5855 (S. 52,27–28 de Boor); Michael Syrus, Chronik 7,5 (S. 280 Chabot); Pseudo-Polydeukes 378,4–5 Hardt; siehe zudem Jean Martin, Réponse de Libanios au Misopogon, in: Antiquité Tardive 15 (2009), S. 75–78 und Stefano Trovato, Antieroe dai molti volti, Udine 2014, S. 68 mit Anm. 23 und S. 71–73 (zur Wertschätzung und Benutzung bei den Byzantinern).
4 Hierzu nur zwei Beispiele: So ist etwa in den Caesares (14, 315A, S. 117,13–15 Nesselrath) von Carus und seinen Söhnen die Rede, doch findet sich im Register weder Carinus noch Numerianus; das gilt, soweit dies nachgeprüft wurde, auch für alle anderen nicht namentlich genannten Kaiser, die in den Caesares auftreten. Der Misopogon (29, 359A, S. 200,7–8 Nesselrath) nennt einen Mann aus Chaironeia, nämlich Plutarch (so auch der zugehörige Quellenapparat), der ebenfalls nicht für diese Stelle im Register zu finden ist.

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